06. November 2015

Die imaginierte Welt des Sheldon S.

Seit fünf Jahren bin ich Straßenfotograf und meistens bin ich in New York unterwegs. In dieser Zeit habe ich Tausende Bilder gemacht von New Yorkern, wie sie den Tag verbringen, sei es nun einfach auf der Straße, bei der Arbeit, in der U-Bahn, in ihren Gemeinschaften.

Als ich mit dem Fotografieren anfing, habe ich den fotografierten Menschen imaginierte Namen gegeben, zum Beispiel „Nancy“, schon allein, weil sie das besser beschreibt und merkbarer macht als „blonde Frau an der Haltestelle 14. Straße“.

Jetzt ist mir klar, dass die Bildtitel mit den erfundenen Namen auch noch einem anderen Zweck dienen. Ich denke, es macht meine Motive persönlicher, dadurch kann der Betrachter eine engere Beziehung zu den Fotografierten entwickeln. Außerdem kann ich so über den Namen Hinweise auf die Persönlichkeit der Menschen einbringen.

Oder ich kann Andeutungen machen, die auf die Pop-Kultur oder sogar reale Vorbilder verweisen, über die die Geschichte noch besser erzählt werden kann. Seit ich damit angefangen habe, habe ich mir sehr viel Mühe gegeben, einmal vergebene Namen nicht zu wiederholen, aber wahrscheinlich kam es in einigen Fällen doch zu mehrfach vergebenen Namen.

Während es in der Straßenfotografie normalerweise um das Zusammenspiel und die Gegenüberstellung mehrerer Elemente geht, lege ich gern den Fokus auf einzelne Akteure, um genauer darzustellen, wer sie sind und was sie gerade erleben. Ich liebe es, eine Person in einem weitgehend leeren Umfeld zu zeigen, isoliert von der sie umgebenden Welt. Seitdem ich mir bewusst gemacht habe, dass ich immer so vorgehe, kann ich gezielter solche Situationen herbeiführen, um diese Bilder zu produzieren.

Eine junge Frau am U-Bahn-Fenster

Cowboy am Fenster

Segway-Touristen

Junge Frauen

Mensch vor geschlossenem Laden

Mann vor Friseurladen

Ein bunt angezogener Mann von hinten

Eine ältere Dame

Kind am U-Bahn-Fenster

Ein Mann als Freak

Ein Mann schaut durch einen Zaun

2 Männer

Spiderman am Reck

Tanzendes Kind

2 Frauen mit wehenden Haaren

Ich liebe es, mit dem iPhone zu fotografieren, vor allem mit Hipstamatic. Ich nutze das iPhone, weil es so einfach zu bedienen ist, sehr unauffällig und es in jede Tasche passt. Außerdem bin ich wie so viele der Meinung, dass es der Fotograf das Bild macht und nicht die Ausrüstung.

Hipstamatic hat es mir dabei wirklich angetan. Es gibt bestimmte Kombinationen aus Linse und Film, die für mich sehr gut funktionieren, speziell für meine Art der Straßenfotografie, vor allem in schwarzweiß.

Einige dieser Kombinationen habe ich so verinnerlicht, dass ich genau weiß, welche ich für bestimmte Szenen einsetzen möchte. Außerdem liebe ich es, das quadratische Bildformat zu verwenden. Das Format scheint mir ideal für die Art von Bildern mit isolierten Subjekten: Portraits von ein oder zwei Personen.

Zwischenzeitlich habe ich auch Hipstamatic 300 ausprobiert. Hier ist das quadratische Format ja keine Vorbedingung mehr, aber derzeit kämpfe ich noch damit. Zwar kann man in anderen Seitenverhältnissen auch interessante Bilder machen, aber mein Auge ist an das Quadrat gewöhnt und darauf trainiert, ich fühle mich viel sicherer in der Bildkomposition damit.

Dieser Artikel wurde für Euch von Tilman Haerdle aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

17 Kommentare

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  1. Coole Fotos. Normalerweise finde ich auch Street etwas langweilig weil man immer wieder das gleiche zu sehen bekommen, zumindest Stilistisch. Nur wenigen gelingt es die Szene mal anders festzuhalten. Hier sind allerdings schon ein paar gute Fotos dabei :)

  2. Große Bilder sind für mich nur 2. Das Titelfoto (der Herr, der sich einen Aushang an der blauen Mauer anschaut) und die zwei Herren, die in die entgegengesetzte Richtung vor der blauen Wand, groß und klein, laufen. Für diese Geschenke des Zufalls beneide ich den Fotografen. Die anderen Bilder sehe ich eher als routinierte Erzeugnisse des Straßenfotografen.

    • Ich glaube, wirklich große Bilder gelingen nur sehr selten. Und selbst die routinierten Erzeugnisse sind Ergebnis von viel Geduld und jahrelanger Erfahrung. Ging mir mit den Bildern auf Deiner Seite genauso. Es ist letztlich immer auch eine Frage, wie streng man kuratiert. Und es ist eine Frage, wie die eigene Haltung zu Bildern die Selektion beeinflußt. Ich habe von Shel mehr Bilder bekommen als im Artikel zu sehen sind – die dreifache Menge. Auswahl und Reihenfolge habe ich bestimmt, sie sind also Ergebnis meines Geschmacks. Der ist sehr persönlich und nicht deckungsgleich mit dem anderer Menschen. Und natürlich habe ich auch in der Auswahl einige deutliche Favoriten, und der Rest bildet einen Kontext, der auch erklärt, wie Shel arbeitet. Noch nicht mal Alex Webb schafft es, durchgehend nur „große“ Bilder zu publizieren, finde ich aber auch nicht schlimm.
      Danke für Deinen Kommentar und danke für die Gelegenheit, Deine Bilder ansehen zu können, von denen mir einige sehr gut gefallen haben, Tolle Stimmungen gibst Du da wieder.

      • Ich verstehe deine Worte sehr gut. Vielleicht ist meine Ausdrucksweise schuld daran, dass mein Einwand nicht in meinem Sinne verstanden wurde. Ich zähle definitiv nicht zu denen, die nur Spitzenleistungen von sich und von den anderen Verlangen, ich bin mehr der Mann der leisen und subtilen Töne, der sich oft mit der Andeutung zufrieden gibt. Gerade aus diesem Grund habe ich oft ein Problem mit dem Verständnis der Straßenfotogafie als Aufnahme des entscheidenden Moments. Wenn Bilder ästhetisch sind, das reicht mir vollkommen aus. Denn Lyrik ist manchmal mehr als pointierte Prosa.
        Wahrscheinlich wollte ich nur die exaltierte Kritik der anderen relativieren.
        Bester Gruß Gilberto

  3. Manchmal sind in meinen Augen „Kleinigkeiten“ entscheidend, z.B.
    … dass es nicht irgendeine Wand ist, sondern dass sie türkis ist
    … dass der Mann an der Spitze der Gruppe der Leute die Hand hebt
    … dass das tanzende Girl einen Schatten wirft
    … dass auf der Tüte „Love Life“ steht.
    Ganz gut, insgesamt. Mir gefallen die meisten Bilder.

  4. Hi Shel,
    fantastische Momente hast Du da festgehalten. Ich bin auch ein begeisterter Streetfotograf und kann Deine Arbeiten sehr schätzen. Ja das Quadrat hat schon seinen eigenen Charme, wenn man sich konsequent darauf einstellt. Schön finde ich auch, dass Du nicht Alles in schwarz-weiß konvertiert hast. Ich wünsche Dir noch viele schöne LichtBlicke.
    Roberto Ansorena