Zwei Fragen an Patrick Citera
Patrick Citera ist ein Portraitfotograf. Und er macht sehr gute Portraits von Frauen und auch Männern. Ich wollte mehr darüber erfahren und manchmal braucht es dafür nicht mehr als zwei Fragen.
Eigentlich wollten wir uns ja auf dem Tempelhofer Feld treffen. Wir wohnnen immerhin in der gleichen Stadt. Aber wie so oft kommt immer irgendetwas dazwischen. Im Nachhinein bin ich ganz froh darum, denn so intensiv hättest Du die zwei folgenden Fragen auf dem Feld, zwischen Kingergeschrei und Flugdrachen, sicher nicht beantworten können.
Ich habe überlegt, woran mich Deine Portraits erinnern. Du kennst sicher die Serie „Ich habe einen Traum“ im ZEIT-Magazin? Deine Potraits tragen die gleiche Ruhe und Ausgeglichenheit.
Es freut mich zu hören, dass meine Bilder mit Ruhe und Ausgeglichenheit assoziiert werden. Das sind zwei sehr wichtige Elemente in meinem Leben.
Ich habe mich intensiv mit der Schnelllebigkeit unserer Zeit auseinandergesetzt und musste feststellen, dass wir kaum Raum für Müßiggang erübrigen. Der Mensch hat immer weniger Raum für ästhetische Kontemplation, also sich am Schönen zu erfreuen. Es scheint, als müsste man sich die Mühelosigkeit mit viel Mühe erarbeiten. Dabei ist eine genügsame Lebensweise so wichtig, da sie mehr Zeit für individuelle Tätigkeiten lässt und uns mit mehr Glück erfüllt.
Das Leben ist eine Tätigkeit und jeder ist in dem und durch das tätig, was er am meisten liebt. In meinem Fall ist es die Fotografie. Die Fotografie ist mein Glück, meine unbehinderte Tätigkeit, an der ich Freude habe, die nicht der reinen Bedürfnisbefriedigung dient, sondern einen Ausgleich zu meinem Alltag schafft.
Fotografie bedeutet in meinen Augen auch Selbstdarstellung. Ich möchte nicht versuchen, möglichst individuell zu sein und mich auch nicht immer selbst übertreffen müssen. Stagnation bedeutet für mich nicht Rückschritt. Im Gegenteil:
Auf mich wirkt die Fotografie entschleunigend und um dies zu bewahren, halte ich sie stets simpel. Fotografie sollte etwas Zeitloses sein – kein Massenprodukt in unserer reizüberfluteten Welt. Bilder sollen schöne Momente festhalten und an Vergangenheit zurückerinnern. Ich setze daher lieber auf altbewährte Rezepte. Dabei ist es mir wichtig, authentische Bilder zu machen, die Ruhe und Ausgeglichenheit zeigen, da ich mich mit ihnen immer identifizieren kann.
Ohne Zeit kann man nicht glücklich werden und die Momente genießen, die das Leben einzigartig machen. Der Mensch erstickt unter seinen Selbstverwirklichungsansprüchen. Die Schnelllebigkeit kostet Geld, Zeit, Raum und Ressourcen und die Hektik innerhalb der Gesellschaft ist mit Lebensgenuss unvereinbar.
Darum sind Ruhe und Ausgeglichenheit zwei wesentliche Elemente in meinem Leben. Um die Fotografie noch bewusster zu erfahren, möchte ich in der Zukunft die analoge Fotografie ausprobieren.
Du fotografierst auch ausschließlich Portraits? Wer kommt vor Deine Kamera? Wie machst Du die Auswahl, hast Du da bestimmte „Vorlieben“?
Ja, ich fotografiere ausschließlich Portraits. Für mich sind sie herausfordernd, denn es gilt, den Menschen mit einem authentischen Ausdruck abzulichten. Jedoch ist eine Fotosession an sich nicht authentisch, sondern mit Anweisungen meinerseits verbunden. Dabei versucht das Modell, meinen Wünschen gerecht zu werden.
Lustigerweise werden meinen Bildern des Öfteren irgendwelche Emotionen zugeschrieben. Die Zusammenarbeit mit meinen Modellen gestalte ich aber nicht so intim, als dass ich viel über das Innenleben der Person vor meiner Kamera erfahren würde.
Ich versuche eher, die Momente dazwischen, also die entspannten, unbeobachteten Augenblicke zu fotografieren. Mein Ziel ist es, sie so abzulichten, als würden sie auf einer langen Busfahrt sitzen und ins Leere starren. Das sind die authentischsten Ausdrücke, die ich von Menschen kenne. In diesen Momenten kann man nicht erahnen, was in den Köpfen vorgeht und dieser unbekannte Umstand lässt Raum für Interpretation – das finde ich sehr spannend. Vermutlich glauben die Betrachter, darin Emotionen erkennen zu können.
Meine Modelle finde ich online über soziale Netzwerke, durch Kontaktanfragen über meine Webseite oder manchmal bekomme ich neue Gesichter von Modelagenturen. Meine Augen sind stets offen und bei ausreichendem Mut spreche ich gelegentlich fremde Menschen auf der Straße an. Manchmal scoutet auch meine Mutter für mich.
Bei der Auswahl der Modelle bin ich sehr oberflächlich, da brauche ich keinem etwas vorzumachen. Ich bevorzuge bestimmte Attribute: Natürlichkeit, schöne Haare und Frisuren, markante Gesichter, Zahnlücken, Sommersprossen, große Ohren, lange Hälse, schöne Lippenform, interessante Augen, Symmetrie. Dabei lege ich selbst fest, was für mich „schön“ und „interessant“ ist.
Schön ist für mich, wenn die Optik eines Menschen spontan ästhetische Fotomotive in meinem Kopf erzeugt und „interessant“ bedeutet für mich, wenn sich ein Mensch von anderen Menschen abhebt und zum Beispiel allein schon durch Schönheitsmakel den Betrachter zum optischen Verweilen einlädt.
Umso interessanter finde ich aber auch Menschen, die zum ersten Mal vor einer Kamera stehen. Diese Unsicherheit bzw. diese Unbeholfenheit ist auch sehr interessant zu fotografieren und generiert ein authentisches Bild mit viel Raum für Interpretationen.
Darüber hinaus studiere ich die Menschen aber vorab und versuche durch ihre Darstellung im Internet herauszufinden, ob sie meinen Bildgeschmack teilen und ob sie sich auch die Mühe machen, meine bisherigen Arbeiten zu studieren (wichtigste Grundlagen für Vertrauen und eine gelingende Zusammenarbeit). Es ist kontraproduktiv, wenn es keinen gemeinsamen Nenner gibt und die Ergebnisse dann folglich nicht den Erwartungen entsprechen.
Du lässt den Menschen ihr Geheimnis. Das merkt man Deinen Bildern an. Vielen Dank für das Teilen Deiner Gedanken mit uns.
Wenn Euch das Kurz-Interview neugierig gemacht hat, dann verfolgt Patrick Citeras Arbeiten auf Facebook oder seiner Webseite.