Gjakove. Ich besuche mit Zef und Sara eine kleine Kommune für Roma, Ashkali und Ägypter – die Caritas hat hier einige Häuser für die Ärmsten gebaut. Nach einer kleinen Einführung mit der Projekt-Leiterin führt uns der Sozialarbeiter, der hier Angebote für Kinder macht, zum Haus einer Familie.
Wir werden ins Wohnzimmer gebeten und setzen uns auf die Couch. Gegenüber sitzt ein älteres Ehepaar, dessen Sohn mit seiner Frau und seinem einjährigen Sohn hier lebt. Der Großvater, so werde ich informiert, putzt für 3 € (!) im Monat Wohnungen.
Nach kurzer Zeit spricht mich die junge Frau des Sohnes auf Hochdeutsch an. Ich bin etwas verwirrt und frage nach. Emine ist 19 Jahre alt, war vier Jahre lang in Österreich und ging dort zur Schule. Doch als ihre Mutter starb, kam sie zurück nach Kosovo.
Nun lebt sie hier mit ihrem Mann, dem gemeinsamen Sohn und den Schwiegereltern. Liebend gern würde sie nach Deutschland fliehen, doch sie hat kein Geld dafür. Und das packt sie in deutliche Worte, die mich im Innersten erschüttern.
„Für mich ist das Leben hier scheiße. Ich habe kein Leben hier.“
In mir dreht sich alles. Ich höre ihr zu, schaue sie an und weil dieses Mal kein Übersetzer dazwischen ist, trifft mich das, was sie sagt, um ein Zehnfaches stärker.
„Mein Mann arbeitet mit Plastikmüll. Aber er kann so nicht arbeiten. Fuß ist krank.“
„Manchmal essen wir, wenn wir etwas zum Essen haben.“ Und manchmal auch nicht.
Ich höre zu, mache ab und an ein Foto und spiele ein bisschen mit dem Kind. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo ich wohne.“ Erst jetzt verstehe ich, dass sie nicht zusammen mit den Schwiegereltern wohnt, sondern neben dem Haus in einer kleinen Baracke.
Emine zeigt mir, wie sie wohnt und hebt eine dünne Matratze an. „Im Winter kommt Wasser rein. Wenn ich hier schlafe, wird alles nass. Ist für mich scheiße. Wenn Sie mir helfen können, bitte.“
Kopfschüttelnd und traurig mache ich ein paar Aufnahmen, laufe raus ins Feld und fotografiere die Baracke. Ich kann das alles gar nicht fassen und fühle mich wie in einem Albtraum gefangen.
Dann setze ich mich mit Sara, der Aktivistin noch einmal zu Emine. Sie weint. Ich lege meinen Arm um sie und verspreche ihr, über ihre Situation zu schreiben und die Fotos zu zeigen.
Als wir uns verabschieden, kann ich meine Tränen nicht zurückhalten. Ich laufe schnell weiter. In mir ist alles still und schwer.
Liebe Familie, liebe Emine. Es ist nun einige Monate her, dass ich Euch kennengelernt habe und noch immer bin ich innerlich bestürzt, wenn ich an Euch denke. Ich bin noch immer sprachlos. Ich wünsche Euch Kraft, die kommenden Jahre durchzustehen. Friede mit Euch.