Ein Mann zeigt auf ein Foto, das an der Wand hängt.
10. August 2015

Kosovo: 10 m², feucht.

Es ist heiß, während Sara (Übersetzerin und Aktivistin, die mein Projekt begleitet) und ich im Golf des Caritas-Mitarbeiters Zef nach Ferizaj, der drittgrößten Stadt Kosovos fahren. Nach einem kurzen Besuch bei der Zentrale der Caritas fahren wir in ein Armenviertel, in dem Gani mit seinem Sohn lebt.

Blick auf Ferizaj

Blick in einen Hof, Sonnenlicht von der Seite

Am Haus angekommen, öffnet uns Gani das Tor und ich sehe sofort, dass hier nicht viel Raum zum Leben ist. Nachdem er uns die Wohnräume seines Bruders gezeigt hat, der gerade aus psychischen Gründen im Krankenhaus ist, betreten wir ein etwa 10 Quadratmeter kleines Zimmer. Dort schlafen, essen und wohnen Gani und sein Sohn.

Was ich sofort erkenne, ist: Verwahrlosung. Der Vater ist so arm, dass er auch den Glauben an sich verloren hat. Die Wäsche liegt überall verteilt herum und das ganze Zimmer ist sehr schmutzig. Der kleine Raum ist feucht – obwohl es in den letzten Tagen nicht geregnet hat.

Ein Mann und ein Junge schauen in die Kamera.

Ein Mann schaut zur Seite

Gani erzählt uns, dass sich seine Ex-Frau vor Jahren von ihm trennte und nun mit seinem ältesten Bruder zusammenlebt. Nach der Trennung entschied ein Richter, dass die Ex-Frau das zweite von beiden Kindern in die neue Ehe nehmen würde und so wurden auch die Kinder getrennt.

Ein Junge sitzt vor seinem Bett, fotografiert durchs Fenster

Gani bekommt vom Staat 40 € für seinen Sohn und weil er selbst krank und somit arbeitsunfähig ist, kommen 80 € dazu. Die beiden leben also von 120 € im Monat – und werden immer wieder von der Caritas mit Nahrungsmitteln versorgt.

Weil der Vater unter Rheuma leidet, hat er insbesondere nachts starke Schmerzen. Um diese zu lindern, lässt er sich sehr selten vom Arzt ein Schmerzmittel injizieren, das mit 5,50 € teuer ist und ihm 10 Tage gönnt, an denen die Pein nicht allzu schlimm ist.

Ein Mann hält ein Medikament in der Hand.

Ein Junge sitzt auf einer Treppe und schaut mit einem zugekniffenen Auge in die Kamera

Erneut sehe ich einen Menschen, der direkt darunter leidet, dass er nicht versichert ist. Dieser Mann hat körperliche Schmerzen, die deswegen nicht gelindert werden können, weil er es nicht bezahlen kann. Ich schlucke. Er tut mir sehr leid.

Gani hat Verwandte, die mittlerweile in Amerika leben, ihm aber nicht helfen. Im Verlauf des Besuches deutet er auf ein paar Fotos an der Wand, auf denen seine Verwandtschaft und Vorfahren zu sehen sind. Einen Moment lang habe ich den Eindruck, dass diese Foto-Kollektion ein Schatz ist, auf den er stolz ist.

Eine Hand zeigt auf ein Foto, das mit anderen  eingerahmt ist.

Ein Mann hält ein in der Mitte durchgerissenes Foto in der Hand.

Doch während er mir ein Foto zeigt, das in der Mitte durchgerissen ist, frage ich, wer auf der anderen Seite des Bildes zu sehen war. Ich hätte es mir eigentlich denken können: Seine Frau. Gani lacht in diesem Moment, doch ich weiß, dass sein Schmerz tief sitzen muss.

Ganis Sohn geht zur Schule, wie ich herausfinde. In die zweite Klasse. Doch er hat ein Problem mit den Augen, das über die Jahre immer schlimmer geworden ist. Auf einem alten Bild ist er mit ganz normalem Blick zu sehen.

Ein Junge sitzt vor einem Bett.

Weil wir weiter müssen, verabschieden wir uns. Gani begleitet uns noch bis zum Auto und gibt jedem von uns lächelnd und dankend die Hand. Ich steige ins Auto und versinke in Gedanken.

Lieber Gani. Es war gut, dass ich Dich und Deinen Sohn kennengelernt habe. Ich wünsche Dir Kraft und Mut, mit Eurer Armut umzugehen. Mögen Deine Schmerzen gelindert werden – sowohl Deine körperlichen, als auch Deine seelischen. Ich wünsche Euch das Beste. Friede mit Euch, Gani, Friede mit Euch.

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