Die 5 Artikel des Monats
Fotografieren ist nicht nur der Moment des Auslösens, sondern hat insbesondere mit der eigenen Persönlichkeit und ihrem Werdegang zu tun. Was ich fotografiere, präsentiert mein Welt-Bild. Und das ist nicht statisch, sondern verändert sich (hoffentlich!).
Somit ist Weiterbildung eine der wichtigsten Schlüsselkompetenzen von Fotografinnen und Fotografen, die inhaltlich und handwerklich nicht auf der Stelle treten wollen. Eine Möglichkeit, dem nachzukommen ist – ich kann es nicht oft genug betonen – die aktive Auseinandersetzung mit den fotografischen Werken, die nicht von mir selbst sind.
Mit aktiv sei hier nicht das Überscrollen von pathosgetränkten Klickstrecken und mit Auseinandersetzung nicht kurzweilige Rührseligkeit gemeint. Beides wirkt nur oberflächlich und wird keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen – geschweige denn einen geistigen Fortschritt initiieren.
So möchte ich empfehlen, beim Konsum der hier vorgeschlagenen Serien und Artikel einen Notizblock aufzuschlagen und während des Betrachtens eigene Gedanken, Lobeshymnen oder gar Kritiken aufzuschreiben. Diese müssen dann nicht veröffentlicht werden, werden aber einen bleibenden Abdruck des Gesehenen bestärken.
In einer iranischen Psychiatrie
Wer sich nicht für den Iran interessiert, wird per Zufall (bis auf +++ Eil-Meldungen +++ über Atom-Verhandlungen) wenig bis gar nichts über das alte Persien erfahren. So hat man erst recht keine Vorstellung davon, wie es in einer iranischen Psychiatrie von innen aussieht und wie es den Menschen dort geht.
Der in Teheran arbeitende Fotograf Abbas Hajimohammadi Saniabadi verkaufte 2012 sein Auto und tauschte es förmlich gegen eine Nikon D700, um sein erstes Projekt anzutreten, das heute auf TIME zu betrachten ist. In knackigen Schwarzweißaufnahmen und nicht zu übersehender Situationskomik beschreiben seine Aufnahmen auf ironische und direkte Weise das Innenleben der Hauptstadt-Klinik. Vielleicht sind es eben diese Aufnahmen, die ein größeres Interesse am Iran erwecken?
Schuhwerk der Geflüchteten
Die amerikanische Fotojournalistin Shannon Jensen besuchte im Jahr 2012 Flüchtlingscamps im Südsudan, um dort die desolate Situation der Menschen zu dokumentieren. Nachdem sie mit einfachen Aufnahmen keine Abnehmer für Ihre Fotos gefunden hatte, wurde sie erfinderisch und dokumentierte stattdessen die Schuhe der Flüchtlinge.
Nun sind Schuhe vielleicht hier in Deutschland nichts Besonderes – aber auch nur deshalb, weil wir uns nicht vorstellen können, wochenlang zu Fuß über steiniges Gebiet zu flüchten. Tipp: Lest zuerst den Text, um den Hintergrund des Projektes zu verstehen und klickt dann auf die Bildstrecke oben. Unter jedem Foto wird beschrieben, wer diese Schuhe getragen hat.
John Moore: Mein wichtigstes Foto
2007 sorgte ein Foto weltweit für Aufsehen, das eine Frau liegend vor dem Grab ihres Verlobten in Washington zeigt. Dieser intime Moment sprach für das, was viele Menschen empfanden, die im Krieg ihre Geliebten – für immer – verloren.
The Guardian gab dem Fotografen John Moore die Möglichkeit, die Entstehungsgeschichte und Hintergründe des Bildes nachzuerzählen. Diese unterstreichen, dass es sich tatsächlich lohnt, die Kamera immer dabei zu haben und dass ohne Sensibilität einige Fotos nicht entstehen würden.
Fluss meiner Tränen
Es gibt Serien, die überzeugen nicht mit Aufnahmen, die plärrend bunt alles nicht Gesagte vorwegnehmen, sondern die Betrachter dazu zwingen, sich entweder Zeit zu nehmen und die Fotos in aller Ruhe anzusehen oder frustriert weiterzuklicken.
Eine dieser Serien ist „You river of my Tears“ der Heidelbergerin Miriam Stanke, die sich mit einer Bergregion in Ostanatolien beschäftigte, deren heterodoxe Bevölkerung seit langer Zeit unterdrückt wird. Stankes stille und zurückhaltende Aufnahmen stellen ihre Betrachter vor einige Fragen und geben dennoch Einblick in den Alltag der gesellschaftlich vergessenen Menschen.
Fragen an den IKEA-Ruhm
Wie fühlt es sich an, wenn eines Deiner Fotos von IKEA verkauft wird und in Tausenden Wohnungen hängt? Das kann wohl niemand unter uns beantworten und deshalb hat David Widen von The Creators Project drei mit IKEA-Ruhm beglückte Fotografen kontaktiert und ein bisschen nachgebohrt.
Nicht alle der an IKEA verkauften Fotos glänzen mit künstlerisch-progressiven Leistungen. Umso angenehmer ist es, zu lesen, wie wenig Bedeutung die Fotografen dem vermeintlichen Ruhm beimessen. Spannende Frage, spannende Antworten.
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