In Sekunden gelesen
2003 nahm ich meine erste Kamera in die Hand. Eine Nikon FM2. Ihre Robustheit und das Gewicht gefielen mir sofort. Ich begann damit, einfache Objekte zu fotografieren und experimentierte.
Zu Beginn entwickelte ich meine Filme selbst und verwandelte mein Bad in eine Dunkelkammer. Dort machte ich Dutzende unterschiedliche Versionen eines Abzugs. Ich konnte zwei ganze Tage damit verbringen, an einem einzigen Negativ zu arbeiten.
Später wechselte ich zum einfachen Scannen und arbeitete mit Photoshop, was besser zu mir passte.
Im Alter von 24 Jahren begann ich, zu reisen, um Bilder zu machen. Ich bin aber in dem Sinne kein Tourist, da ich in Städten keinen geplanten Routen oder vorgefertigten Plänen folge. Ich laufe meist wahllos umher und verliere irgendwann die Orientierung. Für mich ist nicht das Ziel entscheidend, sondern, was auf dem Weg dorthin passiert.
Ich kann Stunden an Flughäfen damit verbringen, Bewegungen zu beobachten. Die Tatsache, dass Menschen aus aller Welt aufeinanderstoßen (und es manchmal nicht einmal bemerken), fasziniert mich. Wie großartig!
In Städten wähle ich nie Sehenswürdigkeiten aus, lande aber manchmal über Umwege trotzdem dort. Ich tendiere dazu, Touristen zu vermeiden und versuche, versteckte Straßen zu finden. Dort, wo das „echte“ Stadtleben pulsiert.
Ich versuche, unauffällig zu sein und mich so zu benehmen, als ob ich ein Einheimischer wäre. Verstecke meine Kamera, so gut es geht und fotografiere zügig.
Das funktioniert in Europa und westlichen Städten wunderbar, in Japan jedoch nicht. Die Leute dort bemerken mich sofort und mögen es nicht, fotografiert zu werden. Ich muss mich also schlau anstellen. Wobei ich sagen muss, dass ich nie den Drang verspüre, alles aufzunehmen.
Ich trainiere mein Auge ständig und überall – auch ohne Kamera. Oft lerne ich aus einem Moment heraus und kann dieses Wissen an anderen Orten einsetzen. So benutze ich die Fotografie, um zu zeigen, wie ich Dinge sehe und auch, um Stimmungen zu unterstreichen. Deshalb versuche ich, ins Auge fallende Aufnahmen zu machen, die in Sekunden „gelesen“ werden können.
Wenn Du als Betrachter herausfinden musst, was Du gerade siehst, habe ich versagt. Ich mag Bilder, die klar und direkt sind. Minimalismus gefällt unseren Augen, da unser Gehirn einfach und schnell das Ergebnis versteht.
Dabei ist es gar nicht so leicht, einfach wirkende Aufnahmen zu erstellen. Das erfordert Weitsicht und einen enormen Aufwand, um sichtbare Elemente zu minimieren, ohne dabei das Hauptaugenmerk aus dem Fokus zu verlieren.
Für mich ist Fotografieren ein natürlicher Vorgang und ich stecke mir keine Ziele. Ich möchte einfach so weiter fotografieren, wie ich will und den Dingen ihren Lauf lassen. So wird sich meine Perspektive mit den Jahren ändern und meine Erfahrung wachsen – und es fühlt sich so an, als ob ich in den letzten fünf Jahren einiges dazugelernt habe.
Meine Arbeit infrage zu stellen, Kontaktabzüge regelmäßig zu bewerten und herauszufinden, wohin ich mich entwickle, war dahingehend äußerst hilfreich.
Da ich immer noch auf Film fotografiere, freue ich mich, wenn ich zwei gute Fotos aus einer 36er Rolle fischen kann. Ich bearbeite meist nur zehn Prozent von dem, was ich fotografiere – selten mehr. Das ist zwar keine selbstauferlegte Regel, aber über die Jahre hat sich dieses Verhältnis durchgesetzt.
Film nutze ich auch, um physikalisch daran zu arbeiten. Manchmal zerkratze ich Negative und zerstöre die Oberfläche, um dem Medium eine zusätzliche Ebene zu verpassen.
Und die Sauberkeit des Digitalen langweilt mich. Klar, digitale Fotos sehen hier und da sicher gut aus, aber mir fehlt da einfach die Tiefe. Im Beruf arbeite ich digital, denn ich mag die Schnelligkeit, wenn ich sie brauche – doch auch hier fehlt mir die Abwechslung des Formats.
Man beschneidet ein Foto mittels Software und das ist einfach etwas anderes als ein quadratisches Mittelformat. Es ist ein Fake und ich mag sowas nicht.
Desweiteren ist es recht leicht, in der digitalen Fotografie Informationen zu verlieren. Ein sehr heller Himmel mit nicht ganz perfekter Belichtung und schon hat man’s vermasselt. Ich finde es ein bisschen komisch, dass das bis heute nicht richtig optimiert wurde.
Für mich ist es mit Film fast unmöglich, solche Fehler zu machen. Ich bin mir sicher, dass wir in 15 Jahren alle digital fotografieren werden, aber vorher muss die digitale Technik um einiges besser werden.
Um darauf zurückzukommen, was mich persönlich bewegt: Es handelt sich dabei immer um Menschen – oder Zeichen von Menschen. Ich möchte mich aber nicht als Straßenfotograf bezeichnen, denn ich konzentriere mich nicht auf menschliche Einzelheiten. Wie sich jemand kleidet, interessiert mich beispielsweise gar nicht. Und witzige Situationen genauso wenig.
Ich möchte gerne Momente festhalten, die in ihrer universalen Dimension wirken. Zeigen, wie Menschen an einem Ort zu einem präzisen Moment leben – und diesen Moment spürbar machen.
Sodass Betrachter unsere Entwicklung, Bildung, was und wie wir Menschen lieben, erkennen mögen – all das nur beim Betrachten von Bildern. Es geht um mehr als nur Anekdoten. Es geht um eine grundsätzliche Evolution, die ich darstellen will.
Die Fotografie ist nicht meine einzige Leidenschaft. Hauptberuflich arbeite ich als Innenarchitekt und verfolge damit dieselben Interessen.
Mit Architektur kann man, so glaube ich, das Leben von Menschen verbessern, indem man das gestaltet, was um sie herum ist und sie dazu bringen, Alltag und Zukunft zu hinterfragten. Dieses Gefühl einer spirituellen Erfahrung ist es, was mich wirklich bewegt.
So ist das, was ich mache, eine Studie des menschlichen Zustands. Und das begeistert mich sehr.
Dieser Artikel wurde für Euch von Martin Gommel aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.