Einfach nackt sein
Aktfotografie – Ein Bereich der Fotografie, der schon immer sehr kritisch betrachtet wurde und immer noch mit vielen Vorurteilen behaftet ist. Was bedeutet es, Aktfotograf zu sein? Nackte Menschen abzulichten? Reiz zu erzeugen, um damit Klicks zu generieren? Ich bin mir da nicht sicher. Ebenso wenig, ob ich, trotz meiner Erfahrung im Bereich der Aktfotografie, inzwischen behaupten kann, ich wüsste, worum es wirklich geht. Viel zu sehr schwanke ich selbst zwischen Vorstellung und Wirklichkeit.
Die Vorstellung, mit meinem Körper Sinnlichkeit und Zerbrechlichkeit darzustellen und die Wirklichkeit letzten Endes, die falschen Leute damit zu erreichen. Viele sehen meine Arbeiten und kritisieren das Nacktsein. Ich selbst betrachte mich als Darstellerin oder eben einfach nur als Fotomodell. Ich liebe es, vor der Kamera zu stehen, leidenschaftlich zu sein und das zu tun, was ich liebe.
Viele Modelle – ob männlich oder weiblich – fangen mit der sinnlichen Fotografie an, um in sich etwas zu entdecken. Um einen verloren geglaubten Teil wiederzufinden oder eine Selbsterkenntnis zu erlangen, meistens ist diese dann das Selbstbewusstsein. Viele, die auf der stetigen Suche nach sich selbst sind, beginnen irgendwann, ihr tiefstes Inneres zu erforschen. Ohne Mauern, ohne Ketten, einfach nackt zu sein.
Diesen sehr intimen Moment mit einem komplett fremden Menschen zu teilen, ist meiner Meinung nach etwas ganz Besonderes. Leider sehen viele das nicht so. Die meisten Fotografen sind wahre Meister darin, Bilder zu veröffentlichen, die das genaue Gegenteil erzeugen können. Nämlich den nackten Körper als etwas darzustellen, was er nicht sein sollte. Das kann auch schon mal schnell ins Pornografische abrutschen. Denn bei vielen geht es nur um das eigene Bedürfnis, nackte Haut zu sehen und Fantasien durchzusetzen, die sie sonst eben nicht erleben dürfen.
Wenn dabei noch eine unsichere Person mit wenig Selbstvertrauen vor der Kamera steht, kann es noch schlimmer werden. Mit dem vollendeten Werk rückt man das Model eventuell in ein ungewolltes Licht oder im schlimmsten Fall missbraucht der Fotograf die Nacktheit des Modells für die eigenen Zwecke. Ich selbst habe natürlich auch schlechte Erfahrungen gemacht, aber ebenso auch gute.
Meine ersten Versuche in der Aktfotografie habe ich damals mit einem befreundeten Fotografen unternommen. Wir kannten uns schon länger und somit gab es eine Vertrauensbasis, auf der wir aufbauen konnten. Die ersten Aufnahmen waren Lowkey und wir haben viel gelacht am Set. Obwohl ich unsicher und etwas nervös war, hatten wir einige tolle Ergebnisse und ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie es war, zum ersten Mal meinen nackten Körper auf den Fotos zu sehen.
Er war so völlig fremd und ich brauchte einige Zeit, um wirklich zu begreifen, dass ich diejenige bin, die darauf abgebildet ist. Ich empfand so etwas wie Stolz und war zufrieden mit dem, was ich sah und das, obwohl ich mich in meinem Körper immer so unwohl gefühlt und ihn jahrelang abgelehnt habe. Meine erste Akt-Fotosession war somit eine tolle Erfahrung für mich und es motivierte mich, auch weiterhin Aktprojekte, die interessant waren, anzunehmen.
Doch die negative Erfahrung sollte nicht lange auf sich warten lassen. Ich wollte erotische Bilder von jemandem machen lassen, der sein Werk verstand, zumindest dachte ich das damals. Bildtechnisch war dem vielleicht auch so, aber menschlich war es eine völlige Katastrophe.
Schon bei der Ankunft merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Der Fotograf war kühl und unpersönlich. Er holte mich damals vom Bahnhof ab und anstatt mich zu begrüßen, fing er direkt damit an, mir zu erzählen, was er von Modellen erwarte. Er hörte gar nicht mehr auf, über seine schlechten Erfahrungen mit den „Weibern“ zu sprechen und ich fühlte mich immer unwohler. Im Studio angekommen, drängte er direkt, zu beginnen und formulierte es mit dem Satz: „Ich hab’ ja nicht den ganzen Tag Zeit!“
Ich erinnere mich genau daran, wie es war, als ich hinterher die Bilder sah. Ich war enttäuscht. Enttäuscht von mir selbst. Ich hätte gehen sollen, stattdessen bin ich dort geblieben, weil ich unsicher war und habe mich den ganzen Tag schlecht von einem völlig fremden Mann behandeln lassen, der in seinem verrauchten Wohnzimmer Bilder so manipuliert, wie eine bestimmte Zielgruppe sie gern hätte.
Ich habe Bilder bekommen, die vielleicht erotisch waren, aber zu denen ich keinerlei Bezug hatte. Sie waren leer, so ganz ohne Inhalt. Danach wollte ich nie wieder solche Aufnahmen von mir machen lassen. Aber es kam anders. Ich traf zum Glück Fotografen, die nicht nur den nackten Körper fotografierten, sondern auch den Inhalt.
Heute bekomme ich manchmal immer noch merkwürdige Anfragen. Manche davon sind so kurios, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass sie echt sind. Schlammcatchen im String vor laufender Kamera, Fußbäder in Sahne oder der Klassiker: Akt bei einem Fotografen, der kein Portfolio hat, aber ein Hotelzimmer.
Zum Glück kann ich über so etwas inzwischen schmunzeln und gehe meinen Weg zielgerichtet und selbstbewusst. Vielleicht eben deshalb, weil ich schon so viele positive wie auch negative Erfahrungen sammeln durfte. Bei Anfragen, die mich interessieren, überlege ich dennoch lange, ob ich es mache oder nicht. Ich bin viel vorsichtiger geworden und schaue bei Zusammenarbeiten auch mehr auf das Menschliche als auf die Resultate. Blenden lasse ich mich nicht mehr. Ich entscheide, ob ich mich ausziehe und nicht der Fotograf!
Kein Bereich der Fotografie ist so emotional sensibel. Nach sieben Jahren, die ich nun schon vor der Kamera stehe, habe ich viel gelernt. Sowohl über mich selbst, als auch über andere. Ich habe Menschen getroffen, die mich weitergebracht haben, aber auch einige, die ich nie wieder sehen möchte. Ich denke, dass immer dann, wenn Menschen zusammen kommen und etwas Kreatives zusammen erschaffen, es Komplikationen geben kann. Die Kunst dabei ist es, sich selbst treu zu bleiben.
Zu meinem Körper habe ich inzwischen ein gutes Verhältnis. War ich damals noch unzufrieden mit meiner Rolle als Frau, fühle ich mich nun wohl und aufgehoben. Ich bin stolz, eine Frau zu sein und versuche dies auch durch meine Arbeiten als Modell zu zeigen. Dass besonders Frauen im Mittelpunkt der Kritik stehen, wenn es um das Thema Nacktheit geht, kann ich nicht verstehen.
Warum sollte man sich überhaupt für seinen Körper schämen? Warum lernen gerade wir Frauen schon so früh, dass unser Körper etwas ist, das versteckt werden muss und über das man nicht reden darf? Ich hoffe, dass es Leute gibt, die meine Bilder wirklich sehen und nicht nur die Zielgruppe Mann, die zu dieser Massenproduktion an Fleisch beiträgt.
Und obwohl ich nichts bereue und den Akt als Teil der Fotografie ansehe, denke ich dennoch oft darüber nach, wie es wäre, mit der Aktfotografie aufzuhören. Immer wieder gerate ich dabei selbst in Gewissenskonflikte.
Gesehen zu werden und mitzuhalten bei der Flut der Massendarstellung. Bilder zu kreieren, die beeindrucken und fesseln! Daran gibt es erst einmal gar nichts auszusetzen, denn jeder von uns möchte irgendwie gesehen werden. Aber es gibt diese Schattenseite, in der man sich sehr schnell selbst verlieren kann. Aufzufallen um jeden Preis! Und diesen Preis möchte ich für mich persönlich nicht mehr zahlen.
Ständig den Druck zu haben, weiter mitzumachen in diesem großen Kindergarten der Fotografie, von Leuten, die Bilder hochladen und nach Aufmerksamkeit ringen. Manchmal bin ich enttäuscht, wenn ich sehe, wie schnell Aktbilder, die schlecht gemacht sind, diese Aufmerksamkeit bekommen und das, obwohl andere ausdrucksstarke Bilder um so viel reicher sind an Emotionen.
Ich sehe mein eigenes Portfolio durch und wie oft meine Aktarbeiten angeklickt werden. Dann frage ich mich, ob ich genauso weit gekommen wäre, wenn ich keine Aktprojekte angenommen hätte. Ich vergleiche mich – so wie alle es manchmal machen – und dann erwische ich mich eben dabei, manchmal doch noch unsicher zu sein. Dann überwiegen aber zum Glück die Momente, in denen ich stolz bin und es so sehe, wie jeder es sehen sollte: Als einen Teil der Fotografie. Als ein Puzzlestück in einer Geschichte.
Ich für meinen Teil bin stolz, diesen Weg gegangen zu sein, denn dadurch bin ich mir als Frau auch näher gekommen. Die positiven Erlebnisse in meinem Dasein als Fotomodell haben bisher überwogen und ich werde mit Sicherheit noch weitere tolle Erfahrungen sammeln dürfen. Im Grunde genommen ist es egal, in welchem Genre man arbeitet und sich wohl fühlt, wenn man es nur mit Leidenschaft angeht.
Bei der heutigen Flut an Fotografien ist es nicht mehr einfach, aufzufallen. Aber muss man das? Es ist einzig und allein wichtig, dass man sich identifizieren kann mit dem, was man geschaffen hat und seine eigene Geschichte erzählt. Zu welchen Ende man jedoch kommt, muss jeder für sich selbst erfahren.
Titelbild von © Luxxlooks