13. März 2015

Mexikos autonomer Süden

Wir verdecken unsere Gesichter, um gesehen zu werden. Wir sterben, um zu leben.

Anfang 2014 reiste Giles Clarke nach Mexiko, um das Leben in den Zapatista-Gemeinden zu dokumentieren. Die Situation der autonomen Gebiete in Chiapas, einem mexikanischen Bundesstaat nahe der Grenze zu Guatemala, ist bis heute brisant. Sie Zapatisten leben weitgehend selbstverwaltet, jedoch im ständigen Kampf mit der mexikanischen Regierung, gegen Korruption und Unterdrückung.

Der New Yorker Fotograf über seine Reportage:

Im Januar 2014 wurde ich durch das Zapatista „Esquilita“ Program eingeladen, in das Leben einer Zapatista-Familie in den Bergen von Chiapas einzutauchen. Mein Besuch fiel mit dem Jahrestag des Aufstandes zusammen, der 20 Jahre zuvor ausbrach.

Der charismatische Sub-Commandante Marcos führte eine bunte Gruppe Aufständischer an, um die Stadt San Christobal Las Casas zu übernehmen und Autonomie von der nachlässigen mexikanischen Regierung zu fordern, die von den Interessen der Unternehmen angetrieben war, dieses ressourcenreiche Gebiet auszubeuten.

Die Menschen der Zapatista-Bewegung folgen noch immer dem gründer Emiliano Zapatista, der 100 Jahre zuvor gegen reiche Großgrundbesitzer aufstand, die Gemeinden für ihre Interessen plünderten. Die „Zapatista Natioanl Liberation Army“ (EZLN) wehrt sich gegen die seit 90 jahren herrschende Ein-Partei-Regierung der PRI und konzentriert sich auf die Unterdrückung ihrer Mitmenschen und der Bevölkerung Mexikos insgesamt.

Im Mai 2014 gab Subcomandante Marcos bekannt, sich aus dem Licht der Öffentlichkeit zurückziehen zu wollen. Es brauche keinen Chef oder Anführer, keinen Messias oder Erlöser für Rebellion und Kampf.1

Die Identität der als Phantomgestalt gedachten Symbolfigur des Sub-Commandante Marcos wurde bereits 1995 enthüllt. Es soll sich um Rafael Sebastián Guillén, einen 1957 in Tampico geborenen Universitätsprofessor, handeln. Die EZLN bleibt dabei: Den Sub-Commandante habe es in Wirklichkeit nie gegeben, es sei ein rein symbolischer Charakter. Nun habe man sich dazu entschlossen, das Phantom verschwinden zu lassen.2

Mitglieder der Zapatista-Bewegung

Ein Kind schläft in einer Hängematte

Ein Waldweg

Eine bemalte Tür

Mitglied der Zapatista-Bewegung

Verwaltungsgebäude in Chiapas

Ein Basketballkorb

Außenansicht eines Schulgebäudes

Ein Schulgebäude in einer der Zapatista-Gemeinden.

In einem Schulgebäude

In einer selbstverwalteten Schule.

Eine Person im Nebel

Bemalte Wände

Ein Kind schaut aus einem Autofenster

Auf dem Weg nach La Ilusion, einer der 35 autonomen Gemeinden von Chiapas.

Ein Kind spielt auf dem kahlen Boden

Politische Wandbemalung

Ein Pferd vor einem Haus

Altar in einer Klinik

Ein Altar in einer Klinik. Jede Zapatista-Gemeinde verfügt über ein Klinikgebäude.

Operationsraum einer Zapatista-Klinik

Operationsraum einer Zapatista-Klinik.

Mitglieder der Zapatista-Bewegung

Ein Arzt mit Kindern in einer der selbstverwalteten Kliniken.

Ein Kaffeebauer trocknet Kaffebohnen in der Sonne.

Ein Bauer trocknet Kaffeebohnen in der Sonne.

Frisch geerntete Kaffeebohnen

Kaffee ist einer der wichtigsten Erträge der Zapatista-Bewegung.

Eine Familie in ihrer Küche

Eine Familie in ihrer Küche.

Auf einer Bananenplantage in den Bergen von Chiapas.

Auf einer Bananenplantage in den Bergen von Chiapas.

Mitglieder der Zapatista-Bewegung

Mitglieder der Zapatista Bewegung

„Hier geben die Menschen Anweisungen und die Regierung gehorcht.“

Der Verein Carea e. V. beschäftigt sich mit der Beobachtung der Menschenrechtslage vor Ort und entsendet geschulte BeobachterInnen zum Schutz der Gemeinden. Die Militärinvasionen in der Region hatten eine Vielzahl von Binnenflüchtlingen zur Folge, die sich inzwischen wieder in ihren Gemeinden niedergelassen haben. Die BeobachterInnen von Carea e. V. tragen mit ihrer Präsenz zum Schutz der Menschen vor weiteren Übergriffen bei.

Die Bewegung der Zapatisten ruft zum Kampf gegen Kapitalismus und Ausbeutung auf, ihre Texte werden durch ein Netzwerk von UnterstützerInnen in verschiedene Sprachen übersetzt und verbreitet.3 Auch der Kaffee, der für die Bewegung einen Großteil der Erträge ausmacht, kann über das Internet erworben werden. Das Kaffee Kollektiv Aroma Zapatista arbeitet beispielsweise mit der Bewegung in Chiapas zusammen und bringt neben dem mexikanischen Kaffee auch die Ideen von Freiheit und Solidarität nach Deutschland.

Dieser Schritt entspricht der mehrheitlich friedlichen Politik der EZLN. Eine landesweite Revolution ist ihr nicht gelungen. Stattdessen konzentriert sich die Politik der Zapatisten auf möglichst weitreichende Autonomie auf lokaler Ebene. Die Zapatistische Armee besteht nach dieser Perspektive eher als Drohgebärde, um den autonomen Gebieten Sicherheit und Handlungsfreiheit zu gewährleisten. Inwieweit das funktioniert, ist fraglich. Es scheint, als würden die Bewohner der autonomen Gebiete noch mehr unter Armut leiden als andere mexikanische Bevölkerungsgruppen.4

Weitere Informationen über die EZLN in deutscher Sprache finden sich hier und hier. Weitere Fotoreportagen und andere Arbeiten von Giles Clarke gibt es auf seiner Website zu sehen.

1 Kerkeling, Luz 2014: Sub Marcos „verschwindet“. Das mediale Gesicht der Zapatisten kündigt seinen sofortigen Rückzug aus der 1. Reihe an. Neues Deuschland. Erscheinungsdatum: 27.05.2014.

2 Pickert, Bernd 2014: Der, den es niemals gab. Taz.de. Erscheinungsdatum: 27.05.2014.

3 We are all Zapatistas o. J.: Durch unsere Rebellion wird eine neue Welt entstehen

4 Anliker, Nicole 2013: In Chiapas ist die Revolution nicht zu Ende. Neue Züricher Zeitung. Erscheinungsdatum: 31.12.2013.

7 Kommentare

Die Kommentare dieses Artikels sind geschlossen. ~ Die Redaktion

  1. Diese Fotostrecke gefällt mir aus drei Gründen. Ich bekomme ein umfängliches Bild von der Situation vor Ort und kann mich – soweit das überhaupt möglich ist – hinein versetzen. Erleichtert wird dies durch die gut aufbereitete Hintergrundstory. Und Giles Clarke hat verdammt viel Mut.

  2. Ja und nochmals, Mexiko hat leider eine jahrhundertalte Tradition was Gewalt anbetrifft. Ein Beispiel :

    Am 26. September 2014 wurden 43 Studenten der Escuela Normal Rural „Raúl Isidro Burgos“, einer Hochschule zur Ausbildung von Grundschullehrern, in Ayotzinapa in Iguala (Guerrero, Mexiko) entführt. Die Studenten waren Teil einer nach Iguala gereisten Gruppe, die gegen diskriminierende Einstellungs- und Bezahlungspraxis der mexikanischen Regierung protestierte. Auf dem Weg zu einer Kundgebung schritt die lokale Polizei ein und es kam zu Auseinandersetzungen. Dabei wurden drei Studenten von der Polizei erschossen. Der weitere Ablauf war zunächst unklar. Spätere Ermittlungen ergaben, dass 43 der zahlreichen verhafteten Studenten von der Polizei an das kriminelle Drogen-Syndikat Guerreros Unidos übergeben und mutmaßlich ermordet wurden.

    Eine kleine Serie, als allegorisches Echo auf diese Ereignis http://www.matthiaskoch.fr/de/-/galleries/editorial/mexico-lindo

    • Ein Land im Schwitzkasten von Syndikaten und eine machtlose Zentralregierung; für hiesige Verhältnisse zum Glück unvorstellbar. Wie gefährlich ist es für Fotografen, die an diesem Thema arbeiten?

      • Die Menschen dort Leben einen weitestgehenden Anarchismus. Davon können wir hier nur träumen. Wenn wir Anarchie jetzt noch mit dem Lebensstandard und der Technik wie wir sie hier kennen verbinden…. Ach, ich bekomm Pippi in die Augen….

  3. Die Fotos gefallen mir ausgezeichnet. Ähnlich wie Herrn Salgado bestand zunächst die Gefahr, dass die Thematik stark in den Hintergrund trat.