Die Lichtzeichungen von Jacques H. Sehy
Die Kunstlandschaften befinden sich im stetigen Umbruch. Der in Hamburg lebende Fotograf Jacques Sehy hat innegehalten und in einer Portraitserie Menschen gewürdigt, die die Kunst- und Kulturlandschaften über die Berliner Grenzen hinaus entscheidend geprägt haben.
Der Fotograf Jacques H. Sehy , geboren 1945 und selbst von 1965 bis 1975 in Berlin lebend, portraitierte im Zeitraum der drei Jahren 2012 bis 2014 bedeutsame Protoganisten der Berliner Kulturszene. Es sind jedoch nicht die Künstler, denen er seine Arbeit widmet, denn Sehy setzt den Strippenziehern, den Organisatoren, den Vordenkern und Visionären im Hintergrund ein Denkmal. Damit betont er, dass ein kulturelles Leben ohne Menschen, die planen, organisieren und ausführen, nicht stattfindet.
Monika Grütters (Bundeskulturstaatsministerin), Dieter Kosslick (Berlinale-Organisator), Anette Humpe (Sängerin, Komponistin, Produzentin), Jim Rakete (Fotograf und Fotojournalist), David Chipperfield (Architekt), Stephan Erfurt (C/O Berlin), Ulrich Khuon (Dramaturg und Intendant), Thomas Ostermeier (Regie, Künstlerischer Leiter der Schaubühne Berlin), Hanns Zischler (Schauspieler, Autor, Fotograf und Verleger) und Horst Bredekamp (Kunsthirstoriker) sind unter den ausgewählten 100 Köpfen zu finden.
Die „100 Berliner Köpfe“ haben nicht nur die Berliner Kulturlandschaft, sondern auch das kulturelle Leben über die Grenzen der Großstadt hinaus entscheidend geprägt. Die Portraitierten haben neue Kulturräume erschlossen, Bücher und Editionen herausgegeben und Kommunikationskanäle geöffnet, die heute noch nachwirken.
Bei der Würdigung dieser Menschen ist Jacques Sehy traditionellen Techniken der Fotografie treu geblieben. Er nutzte für seine Portraitserie keine digitale Technik und arbeitete ausschließlich mit einer analogen Kamera, einer Stablampe und Langzeitbelichtung. Alle Portraits sind Handabzüge.
Jacques Sehy fotografierte seine Protagonisten nicht in einem repräsentativen räumlichen und farbigen Ambiente, sondern reduziert seine Bilder unter Verwendung starker Schwarzweiß-Kontraste und die Wahl kleiner Ausschnitte auf das Wesentliche.
Durch die Technik der Langzeitbelichtung ist eine bewusste Eindruckssteuerung nicht möglich, alle Portraitierten tragen neutrale Gesichtszüge, die echter wirken als eine aufgesetzte Mimik. Innerhalb der Intimität des schwarzen Raumes fallen manchmal auch schützende Masken.
Die meisten der Personen hat Sehy erst im Laufe des Projekts kennengelernt, dies war ein Teil des künstlerischen Prozesses. Seine jahrelange Erfahrung half ihm, eine Lichtzeichnung zu kreieren, die zur Persönlichkeit der abgebildeten Person passt. Er zeichnete geschwungene Linien, harte Striche oder bruchteilhafte Kanten in die Gesichter, die wie ein Zeichenalphabet wirken.
In seiner aktuellen Ausstellung in Berlin verdichtet Jacques Sehy diese Portraits, indem er sie zu großen Tafeln gruppiert. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile: Es scheint auf den ersten Blick, dass die einzelnen Köpfe in der Masse verschwimmen. Auf den zweiten Blick ergibt dieses Meer an großen Denkern ein eigenes Zeichensystem.
Entstanden ist ein topografischer, nicht unbedingt ausschließlich auf Berlin beschränkter, Atlas von Personen, die wichtige Weichen für Innovationen gestellt haben. Das Projekt ist, wie geplant, mit der Aufnahme des einhundertsten Portraits abgeschlossen.
Wer größeres Interesse an Lichtmalereien auf Körpern hat, kann eine zweite Serie noch bis zum 14. März in der Galerie Tammen & Partner in Berlin besichtigen.