Lost Places: Dr. Anna L.
In dieser verlassenen Villa in Hessen befindet sich nicht nur eine voll eingerichtete Wohnung, sondern auch eine Arztpraxis mit Wartezimmer, Labor und Bibiliothek. Wer schon in einem normalen Lost Place Gänsehaut bekommt, der wird sich hier beim Anblick des Untersuchungsstuhls und der konservierten Organe sicher alles andere als wohl fühlen.
Oft sind die Geschichten hinter solchen Lost Places doch sehr traurig. Ein Gebäude wird nicht einfach so aufgegeben. Meist stirbt der Besitzer und es gibt keine Erben. Oder im schlimmsten Fall einen großen Erbstreit und das Haus verfällt, während sich Anwälte böse Briefe schreiben. Um diese Villa ranken sich viele Gerüchte. Am wahrscheinlichsten ist, dass nach dem Tod ihres Mannes die Frau Doktor in ein Altenheim ging und nicht mehr fähig war, sich um das Haus zu kümmern.
Mit diesem Gedanken im Hintergrund ist der Besuch der alten Villa sehr bedrückend. Sie war noch voll eingerichtet: Bücher stehen in den Regalen, Kleider liegen in den Schränken. Briefe und Fotos findet man auf dem Schreibtisch und im Flur stehen auf einem kleinen Schränkchen Blumen. In ihrer Vase sind sie mit der Zeit getrocknet. Nach dem Tod und Auszug der Besitzer wurde hier vorerst alles genau so belassen wie es war.
In den oberen Etagen finden sich die Wohnzimmer, im Untergeschoss war die Arztpraxis des Urologen-Paares. Auch sie wurde von den Besitzern im ursprünglichen Zustand verlassen. Am beeindruckensten ist dabei wohl der Untersuchungsraum mit Patientenliege. Ordner mit Aufschriften wie „Prostata-Karzinom“ finden sich im Regal und weisen auf den Beruf hin. Auf dem Regal stehen in Formaldehyd eingelegte Nieren in verschiedenen Krankheitsphasen in Gläsern. Einige von ihnen sind mittlerweile zerbrochen, sodass es im ganzen Haus unglaublich stinkt.
Das Haus ist wohl einer der bekannteren Lost Places und wurde von vielen Menschen besucht. Von vorsichtigen Abenteuerern ebenso wie von Randalierern und Dieben. Viele Bücher wurden mittlerweile aus den Regalen gerissen und bedecken die Böden und das Treppenhaus. Zettel und Kleidung liegen überall verstreut und auch einige Möbel sind bereits zu Bruch gegangen. Wie es hier aussah, als die ersten Entdecker kamen, kann man sich leider kaum vorstellen.
Auf Youtube finden sich unzählige Videos von Rundgängen durch das Haus und auch viele Fotografen haben sich hier bereits eingefunden. Einige von ihnen haben dabei für ihre Fotos viel umgestellt und insbesondere das Untersuchungszimmer stark arrangiert.
Leider konnte ich bisher niemanden finden, der das Haus in seinem ursprünglichen Zustand festgehalten hat. Ins Auge fällt auf den ersten Bildern jedoch ein Kunstwerk, auf das mich der Fotograf Leon Beu aufmerksam gemacht hat. Ein blauer Paravant mit Skelettfrauen, bei dem es sich wahrscheinlich um ein Original mit einem Schätzwert im mittleren fünfstelligen Bereich handelt. Was damit passiert ist, konnte ich nicht herausfinden.
Nicht nur der Vandalismus setzt dem Haus zu, auch die Zeit tut ihr Übriges. Die Wände sind feucht und schimmeln, die Tapeten fallen ab, die Holztüren und Balken werden morsch und Farbe blättert überall ab. Im obersten Stockwerk wird der Boden nur noch von einzelnen Streben gehalten. Die Villa steht seit 1988 leer und wird wohl nicht mehr lange ohne Gefahr zu betreten sein.