Testbericht: Nikon D750
Ich bin die Entwicklung moderner Kameras leid, die miteinander in ständigem Wettbewerb um die Vielzahl der Funktionen stehen und neue Höhenflüge theoretischer Messwerte bewerben, deren Auswirkung nur in so spezifischen Situationen relevant sind, dass sie mir getrost egal sein können.
Man könnte meinen, in dieser Betrachtung die Zielgruppe unterscheiden zu müssen. Da gibt es leidenschaftliche Leica-Nutzer, die gerade die Einfachheit ihrer Kamera schätzen und darin eine Befreiung sehen. Frei von technischen Spielereien, dafür mit wenigen, funktionalen Merkmalen ausgestattet, können sie sich ganz der Komposition ihrer Werke widmen. Es gibt aber auch Fotografen, die in jeder neuen Funktion, jedem extra Knopf und Hebel eine Bereicherung sehen, denn all dies lässt sich potentiell kreativ nutzen.
Jedes angekündigte „mehr“ an Megapixeln löst bei so manchem Euphorie aus. In meinen Augen kommt es aber vor allem auf Arbeitsweise und Sympathie an. Die Kamera muss zur eigenen Arbeitsweise passen und den kreativen Horizont erweitern. Wenn aber die Sympathie nicht da ist, die Annäherung an das Gerät einfach nicht als gut empfunden wird, dann ist es wohl die falsche Wahl.
Ich stehe irgendwo zwischen Einfachheit und neuer Technik. Ich bin kein Fan von Spielereien, die ein ansonsten wenig überzeugendes Gerät aufwerten sollen. Von meiner Canon 5D Mark II, die mir die letzten zwei Jahre hervorragende Dienste geleistet hat, bin ich nach wie vor begeistert. Aber ich nutze selbst bei dieser, im Vergleich zu neueren Modellen, simplen Kamera nur die Grundfunktionen. Meine Arbeitsweise mit der analogen Canon AE-1 unterscheidet sich davon nur unwesentlich.
Dennoch werde ich mich bald von ihr trennen und so begann die Suche nach einer Vollformat-Kamera, die ein möglichst schlichtes Wesen mit bestmöglicher Leistung an den wesentlichen Punkten verbindet. Konkret geht es mir vor allem um das Handling, den Autofokus, und, meinem Hang zu schlechten Lichtverhältnissen geschuldet, den Dynamikumfang bzw. die Bildqualität in hohen ISO-Bereichen.
Die Scheuklappen der Markentreue einmal abgelegt und sich mit dem Gedanken an einen Systemwechsel angefreundet, ergaben sich neue Welten. Natürlich habe ich die Sony A7* in ihren diversen Varianten erwägt, zumal in Kürze die A7II* zu haben ist. Aber ich kann mich mit einem elektronischen Sucher einfach nicht anfreunden. Es hat sicher seine Vorteile, aber im Sucher künstlich anmutende Farben und ruckelige Pixel zu sehen, widerstrebt meinem Anspruch an Ästhetik leider so sehr, dass alle anderen Vorteile hinten anstehen müssen. Vielleicht stehe ich mir da selbst im Weg.
Die Nikon D750* ist eine positive Überraschung. Sie erringt einige Sympathiepunkte und passt sich nahezu perfekt an meine Arbeitsweise an. Ich möchte an dieser Stelle keine Aufzählung von Produktmerkmalen der Kamera präsentieren oder Testergebnisse diskutieren, aber da diese Informationen sicher interessant sind, möchte ich darauf verweisen. Technische Daten der Kamera sind hier und verschiedene Testergebnisse hier zu finden.
Haptik und Bedienung
Wichtiger als alle technischen Details ist die Frage, ob eine Kamera zum Fotografen passt. Sie muss sich in der Hand völlig irrational gut anfühlen, sonst wird sie nie zum gewohnten Begleiter. Die Beziehung zum Handwerkszeug ist wichtig. Die D750 ist kompakter und leichter als ich es gewohnt bin, was mir insgesamt, aber besonders auf Reisen, gut gefällt. Die ergonomische Form des Bodys macht die Kamera angenehm griffig, tatsächlich besser, als ich es von vielen anderen DSLRs gewohnt bin. Vor allem der weit nach vorn gezogene Griff trägt dazu bei.
Alle Knöpfe sind gut zu erreichen und die wichtigsten Belichtungseinstellungen lassen sich zügig verändern, ohne den Sucher vom Auge nehmen zu müssen. Hier arbeitet jeder etwas anders, mir gefällt es gut, das Wichtigste mit einer Hand machen zu können. Das Menü ist intuitiv angeordnet, wenn auch die Zahl der Menüpunkte überfordernd sein kann.
In Sachen Handling ist mir die erwähnte Einfachheit wichtig, aber auch die D750 bietet einige Funktionen, die ich nicht bräuchte. Klappdisplay, WLAN zur Fernbedienung oder der interne Blitz sind sicher für den einen oder anderen interessant, mir sind sie jedoch zuviel. Sie stören mich jedoch nicht und lassen sich bequem ignorieren.
Der Versuch eines Spagats zwischen einer Allround-Kamera für ambitionierte Hobbyfotografen und einem Spitzenmodell für professionelle Berufsfotografen bringt zwangsläufig eine eigenwillige Zusammenstellung von Funktionen mit sich. Wenn ich dies einfach als Abgrenzung zur D810* verstehe, nehme ich es gern in Kauf. Die Vorteile dieses Spagats zeigen sich neben dem kompakten und simpel gehaltenen Eindruck vor allem beim Sensor.
Bildqualität
24 Megapixel sind für mich vollkommen ausreichend. Die 36 MP der Sony A7R oder die 37 MP der Nikon D810 schrecken mich eher ab, was die Anforderungen an meinen Computer und Speichermedien angeht. Praktisch gibt es in meiner Fotografie keine Situation, in der ich eine derart hohe Auflösung brauchen würde, insgesamt gibt es aber natürlich genügend Einsatzgebiete dafür.
Farben und Kontraste sehen für mich so aus, wie sie sein sollen. Die Bilder meiner 5D Mark II kommen mir kontrastreicher vor, was aber auch an dem wahnsinnig großen Dynamikumfang der D750 liegt, die Zeichnung in den Tiefen absolut ausreizt. Nach etwas Erfahrung mit verschiedenen Objektiven auf derselben Kamera bin ich aber ohnehin der Meinung, dass Glas wesentlich wichtiger ist für die Bildqualität.
Besonders gespannt war ich auf Fotos in sehr schwachen Lichtverhältnissen, um das Rauschverhalten in hohen ISO-Bereichen testen zu können. Ich kenne von vielen Kameras unschönes Farbrauschen, das schlimmstenfalls sogar Streifen ins Bild zaubert, vor allem, wenn man versucht, dunkle Bereiche aufzuhellen. Der Vergleich zur Canon 5D Mark II ist natürlich Canon gegenüber unfair und ist hier keinesfalls als ernstzunehmende Konkurrenz zu verstehen, aber das ist nun einmal mein Ausgangspunkt. Kurz vor der Nikon D750 konnte ich die Canon 5D Mark III* in verschiedenen Situationen ausprobieren.
Meine 5D Mark II war, als meine erste Vollformat-Kamera, ein überwältigender Schritt nach vorne. Sie ist eine großartige Kamera, die mich fotografisch sehr viel weiter gebracht hat. Die 5D Mark III scheint mir die konsequente Fortsetzung zu sein. Die Offenbarung, die die Mark II damals für mich darstellte, blieb aber aus.
Die Canon 5D Mark III ist eine großartige Kamera, die ich niemandem, für den es die passende Wahl ist, ausreden wollen würde. Allerdings lassen sich meine ersten Erfahrungen mit der D750 durchaus als Offenbarung bezeichnen. Sie hat mich so überzeugt, dass nun ein Systemwechsel ansteht.
Die Berichte, die ich über das Rauschverhalten und den Dynamikumfang gelesen habe, musste ich selbst nachprüfen. Man mag sich fragen, wozu man mit derart hohen ISO-Werten fotografieren möchte. Ich nutze fast ausschließlich vorhandenes Licht und arbeite nicht mit Blitzen oder Dauerlicht. Ich mag die Atmosphäre in natürlichem Licht- und Schattenspiel genauso wie die Farben. Um nach Dämmerung draußen noch fotografieren zu können, eröffnet mir der ISO-Bereich jenseits der 4000 also neue Möglichkeiten.
Unter Rauschen habe ich nie etwas Positives verstanden, daher habe ich etwas gestaunt, als ich las, wie ein Fotograf die Qualität des Rauschens ansprach. Der Blick lohnt sich, denn anstelle von Farbrauschen und verschluckten Details kommt mir die Wirkung eher vor wie die künstliche Körnung, die ich in Lightroom gern hinzufüge.
Es macht natürlich einen Unterschied, ob man zum Test das Maximum einstellt, ohne dass es die Lichtverhältnisse wirklich erfordern oder die Kamera wirklich an ihre Grenzen bringt. In vergleichsweise heller Umgebung lässt sich so auch bei erweiterter ISO 2 LW (51.200, nativ geht die Kamera bis 12.800) noch problemlos fotografieren, wie gesagt, mit Rauschen in Korn-Ästhetik. Der Spielraum, den die D750 in Sachen ISO bietet, ist so groß, dass ich draußen brauchbare Fotos erzielen kann, bis es zu dunkel ist, um mit bloßem Auge noch etwas zu erkennen.
Mit dem Nikkor 58mm f/1.4*, das ich hauptsächlich zum Test genutzt habe, versagt der Autofokus weit bevor der ISO-Wert die Toleranzgrenze erreicht. Alternativen sind dann das helle Autofokus-Hilfslicht oder das manuelle Fokussieren über Live View, beides funktioniert gut.
Der Dynamikumfang der Kamera hat mich sehr beeindruckt und ist für mich das stärkste Argument für diese Kamera. Unterbelichtete Bilder lassen sich in Lightroom problemlos um ganze fünf Blendenstufen aufhellen, ohne dass große Qualitätsverluste zu sehen sind. Interessant genutzt wird der Dynamikumfang von Fotografen, die ihre Bilder enorm unterbelichten, um die Informationen aus den Tiefen zu nutzen, ohne dabei die Höhen zu verlieren.
Zu erwähnen ist, dass einige Fotografen störende interne Reflexionen festgestellt haben, wenn eine Gegenlicht-Quelle knapp oberhalb des Bildausschnitts liegt. Aufgegriffen wird das Thema mit Beispielbildern hier. Ich konnte das Problem, jedoch nicht ganz so stark, reproduzieren. Der Fehler tritt allerdings nur in sehr wenigen, spezifischen Situationen auf, es geht hier um Millimeter in der Bildkomposition.
Performance
Das Autofokussystem ist sehr schnell und fokussiert zuverlässig auf den Punkt genau. Ich habe kein Motorradrennen damit fotografiert, aber ebenso wie mit Handling und Bedienung denke ich, man muss eine Kamera in der eigenen Arbeitsweise selbst ausprobieren. Die 51 Fokusmessfelder benötige ich nicht, da ich die Komposition ohnehin oft noch nach dem Fokussieren ändere. Mir genügt die Auswahl von 11 Kreuzsensoren also völlig. Um ehrlich zu sein, würde ich auch mit einem gut zurecht kommen. Die verschiedenen Autofokusoptionen sollten aber für jede Situation mehr als ausreichend sein.
Der Akku hält weniger lange, als ich es von meiner 5D gewohnt bin, was mich aber dank Ersatzakkus nicht weiter stört. Die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten der beiden Kartenslots sind gut durchdacht und klappen reibungslos. Das Menü ist, wie gesagt, recht umfangreich, aber die Gestaltung ermöglicht es, die jeweils relevanten Punkte schnell zu finden und zügig eine Routine zu entwickeln, ohne sich in einem Labyrinth aus Unterpunkten zu verlieren.
Die Videofunktion ist einfach zu bedienen und liefert alles, was man erwartet. Ein Nachteil, an dem Nikon nichts ändern kann, ergibt sich daraus, dass die beliebte Video-Firmware Magic Lantern nur für Canon-EOS-Modelle verfügbar ist. Auch das gut verarbeitete Klappdisplay liefert da kein schlagkräftiges Gegenargument, sondern lässt eher am Spritzwasserschutz zweifeln.
Fazit
Nikon macht es einem wirklich schwer, Argumente für die Kontra-Seite zu finden, sofern man nicht auf die hohe Auflösung einer D810 oder Sony A7R angewiesen ist. Die Leistung des Sensors und des Autofokussystems auf dem Niveau der größeren Modelle in einem kompakteren Body erleichtern es, den Blick auf die kreative Arbeit anstatt auf die Technik zu richten.
Was Geschwindigkeit und Dynamikumfang angeht, wird die D750 von der Nikon D4S übertroffen, die natürlich aufgrund von Anspruch und Preisklasse keinen Vergleich darstellt. Wer die D810 aufgrund der wenigen, jedoch signifikanten Unterschiede benötigt, muss bereit sein, den Aufpreis in Kauf zu nehmen. Nikon liefert mit der D750 insgesamt ein als Einsteiger-Modell verkleidetes Spitzengerät, das in einigen wesentlichen Punkten derart zu überzeugen weiß, dass man über technische Spielereien gern hinweg sieht.