Farben, Licht und Schatten
Meistens fotografiere ich im sogenannten Feld der Straßenfotografie, aber auch nicht exklusiv. Gerade bin ich in Brasilia in eine neue Wohnung mit vielen Fenstern gezogen und liebe es, durch diese die vorbeigehenden Leute zu beobachten. Wenn ich also nicht draußen unterwegs bin, fotografiere ich halt von meinem Schlafzimmer oder meiner Küche aus.
Ich mache zum Beispiel auch Bilder von meiner Freundin. In letzter Zeit versuche ich, eher dokumentarisch zu fotografieren, wie etwa in meiner Serie „Beyond the Arena“, die sich auf Itaquera, die Nachbarschaft, in der die Fußball-WM 2014 statt fand.
Licht spielt in meiner Fotografie eine wichtige Rolle. In Brasilien ist es meistens sonnig, also habe ich gelernt, wie ich das zu meinem Vorteil nutzen kann; meistens fotografiere ich allerdings früh morgens oder am späten Nachmittag, wenn man gutes gedämpftes Licht und entsprechende Schatten bekommen kann.
Ich bin fasziniert davon, wie Licht die Farbe einer Oberfläche, die es berührt, verändern kann. Als ich anfing zu fotografieren, war ich von Harry Gruyaert und dem Maler Edward Hopper stark beeinflusst, sie haben mich viel über Licht und Farben gelehrt.
Hopper ist vielleicht der Maler, der in der Geschichte der Kunst die Fotografie am meisten beeinflusste. Durch seinen Einsatz von Licht ebenso wie durch seine Themen – meistens Menschen in Innenräumen, gesehen durch Fenster oder isoliert in städtischen Umgebungen.
Ich fand es interessant, als ich die Dokumentation „Edward Hopper and the blank canvas“ sah, dass er dort sagte, dass er von Sonnenlicht auf Oberflächen fasziniert sei und wie unterschiedliche Arten von Licht die Natur der Farben ändern können. Da denke ich genau wie er. Es ist einfach: Ein Rot zur Mittagszeit ist nicht das gleiche Rot um 17 Uhr.
Gruyaert hat mit seinem Buch „Lumieres Blanches“ etwas in mir freigesetzt. Ich mag, dass es darin nicht um einen bestimmten Ort geht, sondern er Bilder aus Indien, Belgien, USA, Marokko usw. mischt. Diese Edition macht klar, dass es im Buch nicht um besondere Geschehnisse, Orte oder Menschen geht, sondern um den Autor und seine persönliche Vision, wie er die Welt in Farben, Licht und Schatten sieht.
Im Grunde fotografiere ich, weil es mir Spaß macht und vielleicht auch ein bisschen aus Eitelkeit, wie die meisten Fotografen, nehme ich mal an. Mit der Straßenfotografie verdiene ich so gut wie kein Geld, was mir von Anfang an klar war, also musste ich für mich selbst auch einen Weg finden, dass das Fotografieren mir gefällt, damit ich dran bleibe und weiter mache.
Außerdem genieße ich es sehr, herumzulaufen und an Orte zu gehen, die ich niemals aufsuchen würde, wenn ich nicht fotografierte. Es ist eine großartige Möglichkeit, Städte und neue Orte zu entdecken und zudem eine sehr entspannende Übung, eine Form der Meditation.
Oft vergesse ich alles um mich herum vollkommen, wenn ich durch die Gegend laufe und fotografiere. Allein das könnte schon eine großartige Ausrede sein, um weiterhin zu fotografieren. Aber ich bin natürlich auch einfach sehr froh, wenn ich es hinbekommen habe, ein gutes Foto zu machen.
Ernsthafter wurde es 2009, als ich einen Fotografie-Kurs bei Carlos Moreira, einem richtigen Meister, der Sao Paulo seit den 60er Jahren fotografiert, belegte. Durch ihn lernte ich Fotografen wie Kertesz, Atget, Robert Frank, Lee Friedlander, Gruyaert kennen. Ihre Arbeiten faszinierten mich und ich wollte etwas ähnliches machen. Damals war ich gerade wieder nach Sao Paulo gezogen und es war ein guter Weg, meine Stadt besser kennenzulernen.
Idealerweise bin ich jeden Tag draußen auf den Straßen, um zu fotografieren. Manchmal tut es auch gut, für ein oder zwei Tage eine Pause zu machen, aber wenn ich nur faulenze und das Licht draußen gut ist, muss ich zwangsläufig nach draußen gehen, um zu fotografieren.
Dieser Artikel wurde für Euch von Aileen Wessely aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.