Erst Modell, dann Fotografin – diese Reihenfolge findet sich in letzter Zeit immer öfter. Aber Natalia Evelyn Bencicova ist gerade einmal 21 Jahre alt und macht auch definitiv nicht irgendwelche Fotos. Ihre Arbeiten bewegen sich gleich in mehreren Schnittfeldern.
Die Künstlerin wuchs in Bratislava auf, lebte nun einige Monate in Berlin, weil sie das Gefühl hatte, dass es the place to be sei und nachdem sie dort die Kreativität, die förmlich in der Luft liegt, weil so viele junge, kreative Köpfe dorthin strömen, aufgesogen und in einige Projekte umgesetzt hat, zieht es sie nun nach Wien. An die Univerität für angewandte Kunst.
In Evelyns Arbeiten ist erst einmal nur klar, dass es sich um gestellte Werke handelt. Dann wird es schon schwieriger, weil sich die Bilder zwischen Kunst- und Werbe-Ästhetik, überhaupt zwischen ästhetisch und konzeptuell sowie persönlich und öffentlich bewegen. In mehreren Schichten schälen sich mögliche Bedeutungsebenen heraus.
Obwohl sie es vorzieht, jedem Betrachter die Interpretation ihrer Arbeiten zu überlassen, gibt es Ansätze beispielsweise für ihre Serie „ECCE HOMO“: Es geht um die Gesellschaft und wie Einzelne in ihr zurechtkommen. Im Grunde geht es um jeden. Jeden einzelnen. Daher sind die Körper nackt und anonym, ohne Eigenschaften. Gestapelt in kalten, unpersönlichen Räumen bilden sie einen seltsamen Kontrast. Die Räume wirken in ihrer unmenschlichen Gestaltung geradezu gefährlich auf die ungeschützten, hilflosen, verletzlichen Körper.
Es wäre spannend, einmal einer Session beizuwohnen. Evelyn sagt selbst, dass es einer der schwierigsten Teile ihrer Arbeit ist, ihre Ideen dem Team vor Ort zu erklären. Die Komposition und Posen der Akteure sind zwar im Vorfeld geplant, doch am Ort des Geschehens ergeben sich immer Änderungen, weil die ursprüngliche Idee nicht ganz so funktioniert und etwas geändert werden muss.
Dann erklärt Evelyn jedem einzelnen Modell seine Rolle im Foto, macht Posen vor, liegt seltsam auf dem Boden herum, läuft von hier nach da, ruft Dinge quer durch den Raum. Sie erwartet von den Modellen, sich ganz für das Projekt einzubringen und tut im Gegenzug für dieses Vertrauen in ihre Arbeit alles, um die Einzelteile zu einem bestmöglichen, ganz neuen Ganzen zusammenzuführen.
Mein Stil ist irgendwo zwischen visuell und konzeptuell. Ein schönes Bild ist für mich nicht mehr genug, aber ich glaube immer noch, dass ein starkes Konzept immer ein einer kraftvollen Ästhetik begleitet werden sollte. Ein starker visueller Reiz bekommt Aufmerksamkeit und erst damit bekommt man die Möglichkeit und Verantwortung, dem Betrachter eine Botschaft zu übermitteln.
Natürlich gibt es ein paar Regeln für diese Art der Ästhetik und es ist gut, sie zu kennen, aber nicht, ihnen einfach blind zu folgen. Em Ende des Tages geht es bei einem guten Foto nicht um die Technik – es ist das Foto selbst, das entscheidend dafür ist, ob Du es ansehen willst.
Ich habe mit etwas angefangen, was man Fashion-Fotografie nennen könnte. Aber heutzutage halte ich die Werbung für ein Produkt nicht mehr für wichtig genug, um meine Zeit und Anstrengungen in so etwas zu investieren. Ich möchte studieren, um mich dann um die Verbreitung von Ideen zu kümmern, die unter die Menschen gebracht und geteilt werden sollten.
Wenn ich jemandem, egal wem, einen Rat geben sollte, wäre es: Kreiere! Hör nicht auf, bis Du es genießt! Höre den Menschen zu, die versuchen, dich zu entmutigen, aber glaube ihnen nicht, denn Du wirst ihnen zeigen, dass sie falsch lagen. Wisse jeden Rat zu schätzen, merk Dir, wer Dich unterstützt hat und wenn es möglich ist, handle genauso und hilf jedem, denn sie werden es sich wiederum merken.
Warte nicht zu lange auf den richtigen Moment, denn er wird niemals kommen. Du selbst kannst bestimmen, wann die Zeit für etwas gekommen ist – normalerweise ist es genau JETZT.
Wenn Evenlyn beschreibt, wie es sich anfühlt, wenn sie eine Idee hat, die umgesetzt zu werden drängt, ist es fast, als hätte sie in meinen Kopf geschaut und gesehen, was dort bei mir in dieser Situation los ist:
Die Inspiration ist etwas, das mich geradezu voranschleift und das so intensiv, dass sie zum wichtigsten meiner Gundbedürfnisse wird. Während ich eine Idee habe, an die ich glaube, kann ich nicht richtig schlafen oder irgendetwas anderes machen bis zu dem Moment, in dem ich sie endlich umsetzen kann. Es ist das Gefühl von großer Faszination und Wichtigkeit, das mich beinahe übersteigt und mich fast ohne mein Zutun durch den gesamten Prozess zieht.
Diese zwanghafte Leidenschaft für die Umsetzung ihrer Ideen zeigt sich auch, wenn Evelyn dann loslegt, sie in die Tat umzusetzen. Sie sucht wochen- und monatelang Modelle und schaut sich auch mal 50 Orte an, um den richtigen für ein Konzept zu finden. Manchmal muss sich das ganze Team vor Ort unfassbar beeilen oder auch extrem leise arbeiten, weil der Besitzer des Gebäudes gar nicht weiß, was da hinter einer unverschlossenen Tür passiert. Aber gerade diese schrägen Situationen ergeben hinterher wiederum die besten Erinnerungen.
Evelyns Arbeiten könnt Ihr auf ihrer Webseite, Facebook, Instagram oder Behance verfolgen.