Der Zauber von Nassplatten
Ich bin eigentlich überhaupt kein „Preisrätsel-Mensch“. Umso größer war dann die Freude über die Benachrichtigung am 8. Dezember – dem 29. Geburtstag meiner Tochter – dass ich ein Adventskalendertürchen hier auf kwerfeldein gewonnen hatte. Und dann war es auch noch das Nassplattenportrait – ein Unikat. Spontan kam mir der Gedanke an ein Mutter-Tochter-Portrait als zusätzliches Geschenk und so freuten wir uns gemeinsam auf Berlin.
In der Woche nach Pfingsten war es dann soweit. Wir trafen Daniel Samanns in seinem Atelier in Kreuzberg, wo es wunderbar nach Dunkelkammer roch – vertraut und doch irgendwie anders. Wir sahen ihm zu, wie er Glasplatten für die spätere Belichtung vorbereitete. „Auf die kommt eine zuvor angesetzte Lösung aus Schießbaumwolle gelöst in Ether“, erzählte er uns.
All die ruhigen, konzentrierten Handlungen der Vorbereitung, Daniels Erzählungen, unser Kennenlernen – eine Art Ritual, das uns die Aufgeregtheit nahm und eine Art Sicherheit gab, vor der Kamera Haltung einzunehmen. Wir wussten inzwischen, dass die Belichtung zehn Sekunden dauern würde und dann standen wir endlich, Wange an Wange. Die Zeit des Stillhaltens fühlt sich würdig an, dann kommt die Entspannung – Spot aus.
Daniel verschwindet kurz hinter einem schwarzen Tuch, für die Entwicklung, die nur sehr kurz dauert. Was wir dann sehen, ähnelt einem flauen Negativ. Das eigentlich Spannende passiert anschließend im Fixierbad. Ganz langsam verändern sich die Tonwerte, Milchiges wird zu echten Kontrasten. Dennoch wirkt es anders im Vergleich zu dem, was sonst auf einem Papierabzug zu sehen ist.
Wir erfahren, dass es eigentlich auch kein echtes Positiv ist, sondern nur so wirkt. Die Glasplatte ist von hinten schwarz beschichtet. Ein Trick, durch den aus einem Negativ ein Scheinpositiv wird. Und man sieht sich seitenverkehrt, also wie man sein eigenes Spiegelbild gewöhnt ist – vertraut sozusagen.
Im Internet gibt es eine gute Beschreibungen des Verfahrens, aber es zu erleben, ist jedoch viel mehr, als nur die Technik zu verstehen. Ich selbst kenne die Arbeit in der Dunkelkammer und habe über viele Jahre in meiner „Küchendunkelkammer“ die Nacht zum Tag gemacht, am liebsten mit DDR-Restbeständen von ORWO- und Argenta-Barytkarton. Es ist immer ein besonderer Moment, wenn man zuschauen kann, wie ein Bild entsteht, dennoch ist diese Nassplattentechnik unvergleichlich anders.
Als nun – im wirklich heißen Berlin – die erste Aufnahme im Wasserbad lag, mussten wir sie immer wieder anschauen. Das Ergebnis faszinierte uns und zog uns magisch an. Wir hatten alle Lust auf mehr. Letztendlich machten wir noch zwei Mutter-Tochter-Aufnahmen und Daniel bot an, uns auch noch einzeln zu portraitieren. Dabei konnten wir ihn abwechselnd auch bei der Arbeit hinter der Kamera beobachten und das wunderschöne Bild auf der Mattscheibe sehen.
Im Nachhinein kann ich sagen: Es ist mir noch nie so leicht gefallen, zu posieren. Vielleicht liegt das an der totalen Entschleunigung bei dieser Art der Fotografie – jedes Portrait dauert etwa eine Stunde und zu beobachten wie das Bild entsteht, ist wirklich magisch.