Wenn ich mir die Schwarzweiß-Fotografien eines Gareth Bragdon ansehe, kann ich es eigentlich nicht glauben. Dass der Kollege tatsächlich solche Momente, mit derart ulkigen Menschen und einer messerscharfen Präzision komponiert und ausleuchtet, lässt mich ungläubig den Kopf schütteln. Diese Bilder sind zu gut, um wahr zu sein.
Aufmerksame Privatsphäre-Fanatiker werden nun „Der kopiert Gilden!“ rufen, doch das ist – wie immer – zu einfach. Zwar hat Bragdon eine ähnliche Technik, doch das war’s dann auch schon mit den Parallelen. Vergleiche ich Bragdons Fotos mit dem Gilden Stern Spezial, seinem Werk „Haiti“ und dem Gilden’schen Fashion Magazine, fallen die Unterschiede deutlich ins Auge.
Bragdon blitzt häufig von unten, Gilden nur sehr selten. Bragdon setzt alles auf die fotografierte Person, Gilden bezieht die Umgebung mit ein. Bragdon blitzt immer, Gilden nicht. Somit wäre der schwache Vergleich also aus der Welt geschafft, wenngleich es natürlich viele nicht von der Hand zu weisende Überschneidungen gibt, wie wir gleich noch sehen werden.
Gareth Bragdon, amerikanischer Staatsbürger aus dem Jahrgang 1989 lebt in Edinburgh (Schottland) und fotografiert seit dem Sommer 2011. Bragdon fing mit seinem Bruder an. Nachdem er sich an HDRs und satten Farben ausgetobt hatte, wurde er durch die Werke Cartier-Bressons, Meyerowitz‘ und Winogrands von der Straßenfotografie gepackt. So berichtet er:
Ich war absolut fasziniert davon. Diese Idee des entscheidenden Moments, die Idee, dass Welt und Straßen Quellen unendlicher Begeisterung waren, wenn man nur achtsam wäre. Großartig.
Und die Bilder transportieren diese Begeiserung sehr gut.
Nachdem Gareth Bragdon zu Beginn versucht hatte, ohne Blitz, aus der Hüfte oder mit Zoom aus größerer Distanz zu fotografieren, entschied er sich, aus seiner Komfortzone zu treten und näher ranzugehen.
Als jemand, der sehr ängstlich war, hatte ich wirklich zu kämpfen. Um gegen das schottische Scheißwetter anzukommen, fing ich an, wie Bruce Gilden einen Blitz einzusetzen. Ab da gab es kein Verstecken mehr.
Heute ist es für ihn nahezu unmöglich, ohne Blitz zu fotografieren, weil ihm die Bilder dann vergleichsweise zu flach sind. Bragdon führt aus:
Auf den Straßen schaue ich nach interessanten Leuten. Vielleicht ist es die Art, sich zu kleiden, wie sie physisch aussehen – vielleicht aber auch etwas viel Tieferes, Nicht-materielles. Ich vertraue da ganz auf meine Intuition.
Heute ist Gareth Bragdon auf Flickr zu finden und auch Teil eines neuen Kollektivs aus Edinburgh, das sich GreySkies nennt.