Der Traum von Fotografie
Ich war immer fasziniert von der Fotografie. Mein Leben, die Menschen und Orte, an denen ich war, in Bildern festzuhalten, das war ein innerer Drang. Aber jeder Gedanke in meiner Jugend, Schritte in Richtung guter Fotografie zu machen, wurden sofort von folgenden Gedanken unterdrückt.
Ich war lange Zeit der Meinung, dass man eine Ausbildung zum Fotografen gemacht haben müsse, um gute Bilder zu machen. Vielleicht nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, was bei Fotoshootings, die man im Fernsehen sehen kann, alles an Equipment und Personal aufgefahren wird.
Man kann ja schließlich auch niemanden operieren, nur weil man viel Emergency Room gesehen hat. Aus heutiger Sicht muss man darüber natürlich den Kopf schütteln und schmunzeln, aber damals war es für mich einfach so.
Ich hatte mich für eine akademische Laufbahn entschieden, habe mein Abitur gemacht, Chemie studiert und schreibe gerade meine Doktorarbeit. Tatsächlich Fotografie zu „lernen“ war für mich als Teenager nicht erreichbar und so wurde auch der Gedanke daran mit meinem Studium begraben.
Vor drei Jahren war ich dann auf der Hochzeit von Freunden und am Abend wurden die Bilder gezeigt, die die Hochzeitsfotografin tagsüber gemacht hatte. Was soll ich sagen: Mich hat es umgehauen. Man hätte jedes einzelne Bild problemlos in einer Zeitschrift abdrucken können, so perfekt und wunderschön waren sie.
Aber ich hatte die Fotografin gesehen. Sie hatte kein großes Equipment und kein Team, das jeden Gast perfekt ausgeleuchtet hätte. Sie hatte nur ihre Kamera. Und irgendwie hat diese Erkenntnis in meinem Kopf Wurzeln geschlagen und dieser alte Traum der Fotografie wurde wieder wach, fand immer neue Hoffnung, dass vielleicht auch ich gute Bilder machen könnte.
Warum es nicht einfach mal probieren, einfach nur für mich? Und das tat ich. Ich kaufte eine gebrauchte EOS 450D und machte mich mit ihr und den grundlegenden Prinzpien von Blende, Belichtungszeit und so weiter vertraut.
Dann, vor neun Monaten, nahm ich meine Freundin Katrin als Modell, ging mit ihr raus ins Reichenauer Schilf und versuchte mich an meinen ersten Portraitaufnahmen. Spielte mit Winkeln, Perspektiven, Sonnenlicht, ihrer Körperhaltung und ihrem Gesichtsausdruck.
Und dann traf es mich – der Moment, in dem einfach alles stimmt, man sich sein Bild erarbeitet hat, die perfekte Mischung aus Pose, Licht und Hintergrund. Ich muss immer noch lächeln, wenn ich daran denke. Es war ein großartiges Gefühl und ist es auch heute noch. In diesem Moment bin ich immer unendlich glücklich.
Es war für mich klar, dass ich unbedingt damit weiter machen musste. Ich fragte also Bekannte und Freunde, ob ich sie fotografieren dürfte und mit jedem Shooting wurde ich besser, probierte mehr aus und entwickelte mich.
Was mich an der Portraitfotografie besonders begeistert, ist, dass man nicht einfach nur etwas fotografiert, was ohnehin schon da ist. Man wird hinter der Kamera zum Regisseur und inszeniert sein Bild.
Ich lasse mich im Prinzip von meinen Modellen inspirieren. Überlege mir, welche Umgebung und welche Kleider und nicht zuletzt, welchen Bearbeitungsstil ich passend finde und wie ich diesen Menschen für mich interpretieren möchte.
Menschen einfach nur als schön oder hübsch zu zeigen, reicht mir nicht. Ich möchte Bilder erschaffen, die den Betrachter verharren lassen, die ihn innerlich irgendwo ansprechen. In meinen Bildern lasse ich die Schönheit meiner Modelle immer auch sanft und verletzlich wirken und schaffe so Nähe.
Über meinen eingangs erwähnten Gedanken, fotografieren kann man nur als Fotograf, lächle ich nun. Nicht, weil es nicht wahr wäre, dass man sehr vieles erlernen muss, um ein guter Fotograf zu sein, sondern weil ich damals das Wesentlichste nicht gesehen habe: Man braucht eine Kamera und ein gutes Auge, um gute Bilder machen zu können. Mehr nicht.