02. Oktober 2013 Lesezeit: ~5 Minuten

Eine Mischung aus Einsamkeit und Wohlbefinden

Die eigene Person und Fotografie zu erklären, ist eine Herausforderung. Überhaupt ist es anstrengend, sich erklären zu müssen – viel mehr möchte man doch verstanden werden. Ich verlasse mich immer darauf, dass ein paar Menschen meine Fotos auch ohne viele Worte verstehen oder etwas damit anfangen können.

Fotografie ist ja irgendwie auch nonverbale Kommunikation. Und der große Rest, der meine Sprache nicht spricht – mit dem kann ich leben, den möchte ich auch nicht mit Worten und Geschichten überzeugen.

Aber nun wurde ich nett aufgefordert, etwas zu sagen. Über mich. Und meine Fotografie. Das hier ist der Versuch:

SBK I © Zweifellos mondbetont

SBK II © Zweifellos mondbetont

Ich wurde 1988 geboren und wuchs in einer Kleinstadt im Herzen Sachsen-Anhalts auf. Graue Fassaden. Alte Menschen. Im Gegensatz zu anderen Städten gibt es hier nicht viele Angebote, sich „entertainen“ zu lassen. Es gibt lediglich die Elbe, viele flache Felder, Seen und Windräder.

Das Gefühl in dieser Stadt war eine Mischung aus Einsamkeit und Wohlbefinden. Ein kleiner, vertrauter Kosmos aus einer Handvoll Freunden, der Familie und dem Alltag.

Nichts Aufregendes. Außer den Bindungen zu den geliebten Menschen und den eigenen Emotionen. Das war das, was ich festhalten konnte und wollte.

C © Zweifellos mondbetont

RA © Zweifellos mondbetont

Mit 17 fiel mir die EXA 1c meiner Eltern in die Hand. Ich fand ziemlich schnell Gefallen an dieser Kamera. Ich liebte das schwarze Gehäuse, das Klacken des Spiegels, den Schachtsucher und den Blick hindurch: Alles sah aus wie im Film oder in der Erinnerung oder wie im Traum. Ich ging durch die Welt und betrachtete alles durch den Sucher.

Die nächsten beiden EXAs fand ich im Schrank meiner Großeltern. Bei diesen drei Kameras blieb es dann auch für die nächsten sieben Jahre. Keine Automatik. Kein Belichtungsmesser. Kein Blitz. Kein Selbstauslöser. Kein Schnickschnack. Belichtungszeiten im Rahmen von 1/30s bis 1/175s. Aber für die Technik hinter der Fotografie interessierte ich mich von Anfang an nicht besonders.

A © Zweifellos mondbetont

W © Zweifellos mondbetont

Im Jahr 2007 bin ich dann nach Dresden gezogen, habe dort fünf Jahre gelebt und studiert. Die Großstadt – schnell, bunt und voll – fand sich nie wirklich in meiner Fotografie wieder. Die Inhalte blieben dieselben: Leere, Sehnsucht, Einsamkeit, Intimität, Vertrauen.

Das Vorgehen auch: Intuition. Ich arbeite in einem Beruf, der einen vor allem kognitiv fordert. Man denkt, analysiert und verbalisiert – beim Fotografieren schaffe ich es, den Kopf auszuschalten. Oft vergesse ich sogar, auf Blende oder Belichtungszeit zu achten. Ich bin vollkommen in Moment und in der Beziehung zwischen mir und der Person vor der Kamera gefangen.

Oft wurde ich gefragt, warum auf meinen Fotos keine Gesichter zu sehen sind. Das war keine bewusste Entscheidung, sondern vermutlich das Ergebnis einer Vielzahl von unbewussten inneren Prozessen.

Gesichter ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich und lösen schnell einen Bewertungs- und Kategorisierungsprozess aus: Attraktives Gesicht, altes Gesicht, trauriges Gesicht, geschminktes Gesicht … – und darauf folgen vielleicht noch stereotype Annahmen, die letztendlich die Bildwahrnehmung beeinflussen können oder gar vom Wesentlichen ablenken.

MT © Zweifellos mondbetont

LJ © Zweifellos mondbetont

Ich bilde Menschen gern weitestgehend neutral ab. Es soll nicht darum gehen, ob der Betrachter den Menschen schön, alt, jung, dick, dünn, gut angezogen oder was auch immer findet, sondern welche Stimmung oder vielleicht auch Aura ihn umgibt. Außerdem bewahrt es mir ein Stück Privatsphäre und lässt den Menschen ein Geheimnis.

Manchmal faszinieren mich auch einfach die Details und Besonderheiten an den Menschen: Leberflecke, Schulterblätter, Hände, so etwas. Die Fotografie erlaubt mir, diese aus der Nähe zu betrachten. Es ist manchmal eine Art Rechtfertigung oder ein Anlass, Menschen auf eine besondere Art und Weise nahe zu kommen. Nicht nur körperlich, sondern auch mental. Ich fotografiere keine fremden Menschen oder so genannte Modelle, sondern mir lang bekannte und wertvolle Menschen.

M © Zweifellos mondbetont

MA © Zweifellos mondbetont

Mit jedem Mal des Fotografierens verändert sich auch das Vertrauen, der Blick aufeinander und Nähe zueinander. Manchmal ist dieser Prozess wichtiger als das Foto an sich. Es dauert eine ganze Zeit, manchmal Jahre, bis ich den Menschen so abbilden kann wie ich ihn wahrnehme. Diese Schritte könnte man sicher auch mit Modellen durchleben, aber ich gebe zu, das ist nicht mein Ding.

Das wäre dann auch wie Suchen. Wie: Single sein und suchen. Ich warte, bis der Zufall Menschen in meinen Kosmos schickt, die ich auf eine besondere Art wahrnehme und fotografieren möchte.

Viel hat sich nicht verändert über die Jahre des Fotografierens. Dieses Jahr kam eine Pentax LX dazu – mit Schachtsucher (!), aber ansonsten immer noch dieselben Menschen, immer noch dasselbe Gefühl, immer noch Blende f/2,8 und 1/30s – und – nicht immer noch, sondern jetzt wieder: Eine Kleinstadt in Sachsen-Anhalt. Eine Mischung aus Einsamkeit und Wohlbefinden eben.

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