27. September 2013 Lesezeit: ~3 Minuten

Das viktorianische Portrait

Die viktorianische Fotografie hat ihren Namen von Königin Viktoria. Das Königshaus war begeistert von der neuen Technik und förderte sie stark. Dadurch wurde die Fotografie jedoch auch sehr von den Werten und Prinzipien dieser Epoche Englands geprägt.

Die königliche Familie verkörperte Stabilität und Fortschritt, Sitte und Tugend. Der Mittelschicht im England des 19. Jahrhunderts ging es langsam besser und sie eiferten diesen Werten gern nach.

Die Menschen auf viktorianischen Portraits sehen ernst in die Kamera, sind diszipliniert und auf gute Etikette bedacht. Sie sitzen stets aufrecht, die Kleidung ist hochgeschlossen. Fast ein bisschen unheimlich, aber auf jeden Fall unnahbar wirken die Menschen auf den Fotos.

So einfach ist es natürlich nicht und zum Beweis seht Ihr diese wunderbare Bildreihe hier. Ich finde sie großartig, weil sie zeigt, wie stark die gängigen Fotografien aus der Zeit auch unser Bild der Menschen von damals geformt haben. Dass die Leute nicht viel anders waren als wir, ist natürlich klar, aber so richtig schön zeigt es erst dieses Pärchen, das sichtlich Spaß bei den Aufnahmen hatte.

Wahrscheinlich wurden im Familienalbum nur die oberen beiden Aufnahmen gezeigt, aber umso schöner ist es, dass auch die anderen beiden erhalten geblieben sind.

Die Gründe für die vielen ernsten Bilder sind unter anderem die noch recht langen Belichtungszeiten. Es ist unglaublich schwierig, länger still in die Kamera zu lächeln und der kleinste Wackler führte schnell zu Unschärfen im Bild. Zudem waren Fotografien damals noch sehr teuer. Da war es sehr ärgerlich, wenn das Portrait durch eine unbedachte Bewegung unscharf wurde.

Und gerade, weil Bilder so teuer waren, ließ man sich aus unserer heutigen Sicht sehr skurril wirkende Konzepte für sie einfallen. Die Bilder sollten etwas Besonderes werden. Und so gibt es neben den typisch ernsten Portraits auch diese seltsam humorvollen Fotos.

Familienportrait. Unbekannter Fotograf.

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Aber es gab neben den typisch strengen und selteneren humorvollen Fotos noch eine ganz andere Art von Bildern. Fotos, die auf uns heute sehr unheimlich wirken: Die Post-Mortem-Fotografien. Man fotografierte Verstorbene nach ihrem Tod, oft auch in einem gemeinsamen Familienportrait.

Da die Kindersterblichkeit damals noch sehr hoch war, zeigen diese Aufnahmen meist Babys und Kinder. Oft waren dies die einzigen Fotos für die Familien, die ihnen von ihren Liebsten blieben. Unter diesem Gesichtspunkt versteht man diese etwas gruseligen Bilder auch etwas besser.

Im viktorianischen Zeitalter war man begeistert von Fotografien. Oft hat man heute nur die strengen Portraits im Kopf, aber die Freude an der Fotografie ließ die Menschen damals experimentieren und sie erschufen verschiedenste Aufnahmen. Viktorianische Fotografie ist nicht nur steif und streng, sie ist vor allem eins: Vielfältig.

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Quellen:
• Baatz, Willfried: Geschichte der Fotografie. Ein Schnellkurs. Überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe. Köln 2008.
Lomography.de
the-gaiety-girl.blogspot.de

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