21. Mai 2013 Lesezeit: ~4 Minuten

Selbstportraits: Ein guter Start in die Portraitfotografie

Wie wahrscheinlich die meisten habe ich nach meinem ersten Kamerakontakt Blumen und Katzen fotografiert. Das sind eben auch relativ dankbare Anfängermotive. Und wahrscheinlich würde ich heute noch auf dem Bauch liegend Gänseblümchen im Garten ablichten, wenn ich mich nicht auf Flickr angemeldet hätte.

Dort gab es viele schöne Bilder von Blumen und Katzen, die zeigten, dass auch diese Motive weit mehr als Anfängermaterial sein können – aber das war es nicht, was meine Welt veränderte.

Es waren vor allem Fotografinnen wie Kalie Garrett und Rosie Hardy, die mich in die wunderbare Welt der Selbstportraits entführten. Ich war begeistert und bin versucht zu sagen, es war Liebe auf den ersten Blick. Ich wusste, ich wollte Menschen fotografieren.

Die Frage war nur: Woher die Menschen nehmen? Wer hat Zeit und Lust, miese Anfängerfotos von sich machen zu lassen? Denn nicht jeder hat eine hübsche kleine Schwester, gutmütige Freunde mit viel Zeit oder Lust, Geld für Modelle auszugeben. Und vor allem: Woher das Selbstbewusstsein nehmen, sich selbst als Portraitfotograf anzupreisen? Daher schienen Selbstportraits erst einmal die einfachste Möglichkeit zu sein.

© Laura Zalenga

Klar, der Anfang war auch hier nicht leicht. Ich habe ein Weile gebraucht, bis ich herausfand, wie ich das Bild wirklich scharf bekomme, wenn ich im Moment der Auslösung nicht hinter der Kamera stehe. Aber durch diese technischen Fragen habe ich meine Kamera kennen und verstehen gelernt.

Die ersten Ergebnisse waren trotzdem enttäuschend. Ich konnte zwar nicht genau definieren, woran es lag, aber verglichen mit meinen Vorbildern sahen sie einfach nicht gut aus. Nach und nach entwickelte ich dann einen Blick für das, was mir nicht gefiel und versuchte, es zu verändern. Bis ich dann schließlich Fotografien machte, mit denen ich zufrieden war, dauerte es allerdings trotzdem noch eine ganze Weile.

© Laura Zalenga

Erst seit kurzem arbeite ich regelmäßig mit anderen Menschen vor meiner Kamera und erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr ich dabei von meinem Selbstportraitstudium profitiere. Nicht nur, weil ich alles in Ruhe lernen konnte, ohne meine Unsicherheit vor einem Modell verstecken zu müssen. Nicht nur, weil ich jederzeit üben konnte, weil ich ja nur mich und die Kamera brauchte.

Nicht nur, weil mir nichts peinlich sein musste, weil nur ich die Ergebnisse zu Gesicht bekam. Nicht nur, weil ich völlig frei experimentieren konnte, weil ich allein der Auftraggeber war. Sondern auch, weil ich heute weiß, wie sich die Person hinter der Kamera fühlt, denn ich kenne ihren Blickwinkel.

© Laura Zalenga

Alles, was ich heute über Komposition, Motiv, Posen, Licht und Kameratechnik weiß, habe ich an mir selbst getestet und gelernt. Und zwar allein durch erkannte Fehler. Besser sich selbst den Kopf angeschnitten als einem Kunden und lieber an sich selbst erkennen, dass die Schärfe auf den Augen liegen sollte und nicht auf der Nase.

© Laura Zalenga

Worauf ich hinaus möchte? Jeder, der bei sich die Liebe zur Portraitfotografie entflammen spürt, aber nicht weiß, wie und mit wem anzufangen, sollte die Selbstportraitschule in Betracht ziehen. Die zeitliche Unabhängigkeit, völlige Sicherheit vor peinlichen Momenten und die Freiheit, jedes noch so unmögliche Experiment wagen zu können, sind doch ein gutes Angebot oder?

Eine eventuelle Nebenwirkung sollte aber nicht unerwähnt bleiben: Selbstportraits sind nicht nur Schule, sondern auch sehr viel Spaß, daher besteht in manchen Fällen Suchtgefahr. Diese ist nicht behandelbar, aber nach bisherigen Erkenntnissen ungefährlich.

19 Kommentare

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  1. Toller Beitrag!
    Bin da vollkommen deiner Meinung. Am besten erstmal sich selbst fotografieren und lernen worauf es ankommt. Selbst wenn die ersten Fotos noch nicht so gut sind, sollte man sich nicht entmutigen lassen, schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Und wenn die Bilder gut sind, kommen die freunde schon von ganz allein an und wollen ebenfalls fotografiert werden ;)

  2. “ […] Sondern auch, weil ich heute weiß, wie sich die Person hinter der Kamera fühlt, denn ich kenne ihren Blickwinkel […] “ … eigentlich ja „vor“ der Kamera ;)
    Aber eine unbezahlbare Erkenntnis, die so manche Sache „aus Fotografensicht“ deutlich vereinfachen kann ;)

  3. Das letzte Bild gefällt mir sehr gut, die anderen Fotos sind sehr klischeemäßig unterwegs.
    Schade auch das man nur schöne Menschen sieht, da kann man dann auch nicht wirklich viel falsch machen.

  4. Abgesehen von den unbestreitbaren, aber doch nebensächlichen, praktischen Aspekten gibt es beim Selbstportrait ja auch noch einiges an psychologischen Aspekten. Die Bereitschaft oder Lust, sich selbst zu dokumentieren, darzustellen, zu inszenieren und zu präsentieren wird ja irgendwie auch vorhanden sein. Warum wird das so ausgeblendet ?
    Veilleicht kann Laura dazu noch etwas erläutern ?

    Grüße
    Andreas

  5. Ja, mit dem Fokussieren, hatte ich so Probleme, zumal man ja wegen der Freistellung mit offener Blende arbeitet. Man muss sich schon merken, wo etwa der Augenabstand zur Kamera liegt, dann nehme ich einen Besenstiel oder ähnliches und positioniere ihn in etwa dort. Manueller Focus auf das Ding, Selbstauslöser gedrückt und schnell den Platz eingenommen (möglichst noch mit geeignetem Gesichtsausdruck)… Klappt meistens ganz ordentlich. Wenn von zehn Aufnahmen eine brauchbare dabei ist, ist das schon gut :-) Gruß Andreas

  6. Blogartikel dazu: via Twitter Selbstportraits: Ein guter Start in die Portraitfo… | conscriptio.de

  7. Schöner Artikel! Für meinen Avatar hier habe ich mir noch von einem Freund den Auslöser drücken lassen, aber in letzter Zeit schaffe ich das dank Fernauslöser immer besser selber.

    Bin kein Narzist (glaube ich zumindest, könnte es werden wenn’s so weitergeht haha…) aber das Selbst-Portraitieren ist für mich absolut notwendig um verschiedene Beleuchtungssetups auch Nachts und wannimmer ich eine zündende Idee habe auszuprobieren.

    Oh, und da ich selbst eher ungern vor der Kamera stehe hoffe ich, dass dieses unangenehme Gefühl auch langsam verschwinden wird, je öfter ich mich selbst ablichte ;)

  8. Blogartikel dazu: Wochenrückblick #43 & Giveaway » ÜberSee-Mädchen

  9. Blogartikel dazu: Selbstportraits: Ein guter Start in die Portraitfotografie | meckyrockt