tadaa: Bokeh und Masking für’s iPhone
Für mich ist mein iPhone eine gute Immerdabei-Kamera geworden. Ich fotografiere damit wieder mehr einfach so und zwischendurch ganz ohne Druck. Das ist für mich von großem Wert, da ich beruflich auch fotografiere (da natürlich nicht mit dem iPhone).
Das iPhone hat meine Fotografie ein gutes Stück wieder befreit. Wenn das gemachte Bild etwas kann – super! Wenn nicht – auch nicht tragisch, ich hatte ja kaum Aufwand. Ich probiere wieder mehr aus, einfach so, ohne den Anspruch, dass da jetzt unbedingt Großartiges entstehen muss.
Unverzichtbar ist für mich dabei die App tadaa geworden. Das deutsche Start-up sitzt in der Hamburger Speicherstadt und auch wenn die Funktionen auf den ersten Blick denen von Instagram sehr ähnlich sind, so gibt es doch einige Besonderheiten und ganz klare qualitative Unterschiede. (Ganz abgesehen davon, dass Instagram inzwischen Facebook gehört und damit immer ein komisches Bauchgefühl bleibt, wenn man Bilder teilt.)
Was jetzt kommt, ist eine absolute Premiere, denn normalerweise zeige ich keine Vorher-Nachher-Bilder. Ich bemerke aber bei mir selbst, dass ich immer wieder zwischen Original und Bearbeitung hin- und herwechsle. tadaa kann einfach Dinge aus einem iPhone zaubern, von denen ich nie dachte, dass mein Telefon das kann.
Ich will hier jetzt gar nicht alle Funktionen ausführlich schildern, sondern mich vor allem auf Masking und Bokeh-Tilt-Shift konzentrieren, da das unscheinbar daherkommende, aber unglaublich mächtige Tools sind.
Aber mal von Anfang an, eine kleine Anleitung:
Die Bearbeitungstools von tadaa: Filter
tadaa hat insgesamt 35 unterschiedliche Filter (auch im Liveview, falls man mag), immer wieder kommen neue Filter dazu, kostenlos für alle registrierten User. Die Registrierung kostet auch nichts und lohnt sich sowieso. Wer Filter verpasst hat: Soweit ich weiß, kann man eine Mail an tadaa schreiben und nett danach fragen. Überhaupt ist der Support freundlich, schnell und zuverlässig.
Alle Filter kann man in der Intensität anpassen, was ich sehr gern mag, da sie mir bei 100% oft zu stark sind.
Der unscheinbare Apply-Button unten rechts speichert alle bisherigen Einstellungen zwischen und danach könnt Ihr weiterbearbeiten. Ich benutze bei fast all meinen Bildern nicht nur einen Filter, sondern lege mit Apply mehrere Filter mit geringer Intensität darüber.
Für die Grundierung nehme ich zum Beispiel sehr gern Souvenir oder Laika bei etwa 50-60%, insbesondere Souvenir ist nett zu Hauttönen. Danach swipe/wische ich weiter durch meine Lieblingsfilter, bis ich die perfekte Mischung habe.
Für die grauen Tage bietet sich Campfire an, Doku macht schöne Kontraste und schönes Schwarzweiß, Kino ist auch gut für Haut und macht schöne leicht blaue Schatten bei einer feinen Körnung. In letzter Zeit mag ich es, über die Bilder noch ein kleines bisschen Persico zu legen. Aber all das ist natürlich Geschmacksache. Bei der großen Auswahl findet sicher jeder seine Lieblingskombination.
Bokeh und Tilt-Shift
Jeder kennt diese runden, leuchtenden Kreise auf Bildern, die mit Offenblende fotografiert wurden – wir reden von Bokeh. Durch die Unschärfe wird die Aufmerksamkeit auf das eigentliche Motiv gelenkt.
Nun gibt es viele Apps, die mit dem Tilt-Shift-Effekt spielen und so störenden, unruhigen und ablenkenden Hintergrund entfernen sollen. Doch die Unschärfe ist oft platt und langweilig. Auch der Gaußsche Weichzeichner in Photoshop wirkt wenig überzeugend.
Nun – tadaa hat einen Weg gefunden, Bokeh unglaublich realistisch und schön zu berechnen. Es simuliert die echte Physik eines Tessars, jeder einzelne Pixel fällt wie ein Lichtstrahl durch den Algorithmus, in Fast-Echtzeit.
Man kann über die verschiedenen Regler einstellen, wie groß und wie intensiv das Bokeh und die Unschärfe sein sollen.
Es gibt verschiedene Tilt-Shift-Modi bei tadaa: Linear, rund, oval oder auf das ganze Bild bezogen (das wird nachher für das Masking noch relevant). So handhabt man das Tilt-Shift von tadaa:
Mit zwei Fingern bewegt, vergrößert und verkleinert man den Ausschnitt – die zwei inneren Linien sind ganz scharf, der Zwischenraum zwischen inneren und äußeren Linien reguliert den Übergang, dieser kann über „Radius“ geregelt werden. Je nachdem, wie hart der Übergang sein soll.
Über den Blur-Regler kann man die Intensität der Unschärfe einstellen. Wenn Highlights im Bild vorhanden sind, die zu Bokeh werden sollen, macht mehr Unschärfe (mehr Blur) die Kreise größer, wenig Unschärfe macht die Kreise kleiner.
„Highlights“ regelt die Intensität der Bokehkreise, also wie stark sie leuchten sollen. Natürlich müssen für Bokeh irgendwo im Bild Highlights vorhanden sein – einfach Leuchtkreise auf das Bild zu klatschen, hat noch nie überzeugt.
Ich muss gestehen, ich hatte bis auf wenige Ausnahmen immer Schwierigkeiten, mich mit dem Tilt-Shift-Effekt anzufreunden – ganz gleich von welchem Anbieter. Denn man hat nicht richtig in der Hand, was jetzt scharf ist und was nicht, die Dinge sind nun mal nicht immer nur oval, rund oder in einer Linie.
Um glaubhafte Tiefe zu erschaffen, reicht das selten und genau hier kommt bei tadaa das Masking ins Spiel.
Masking
Mit Masking kann man genau bestimmen, wo die Schärfe liegt, ohne Kompromisse. Man markiert einfach mit dem Finger alles grün, was scharf sein soll. Mit zwei Fingern kann man zoomen und das Bild hin- und herschieben, um noch detaillierter zu arbeiten.
Hier alle Schritte der Bildbearbeitung: Original, Maskieren, Bokeh-Tilt-Shift anpassen, Filter (hier „Kino“) auswählen, fertig.
Wie genau und penibel man dabei ist, ist letztlich jedem selbst überlassen. Nur so viel: Wer Perfektionist ist, wird hier auch voll auf seine Kosten kommen. Mit der Bestätigung der Maskierung landet man direkt im Bokeh-Tilt-Shift Modus. Hier kann man wieder anpassen, wie intensiv die Unschärfe sein soll.
Ein nächtliches Bild mit vielen Lichtern. Im Original … naja. Ein rundes Tilt-Shift in den Vordergrund für einen schöneren Verlauf. Maskiert habe ich dann nur die Person.
Wie man hier sieht, bietet es sich oft an, ein lineares oder rundes Tilt-Shift-Feld in den Vordergrund zu legen, damit das maskierte Objekt nicht so ganz frei in der Unschärfe schwebt.
Grundsätzlich versuche ich auch, es so realistisch wie möglich zu halten. Also Dinge auf gleicher Ebene gleich scharf bzw. unscharf zu machen.
Maskiert habe ich hier die Hand, die Blume (ich gebe zu, die war ein bisschen Gefrickel) und das Mädchen. Filter: Helligkeit, etwas Souvenir und ein bisschen Charleston. Hat man eine gleichmäßige Fläche – wie hier den Himmel – muss an dieser Stelle nicht so sorgfältig maskiert werden.
Maskiert habe ich die beiden Fußgänger mit Regenschirmen, im Vordergrund liegt ein lineares Tilt-Shift, das bis zum Bordstein reicht und da ausläuft.
Ein lustiger Anblick, wie sich die beiden durch Wind und Regen kämpfen. Durch das Masking wird der störende Hintergrund ausgeblendet und der Fokus auf die beiden gelenkt. Der Filter Doku hat echtes analoges Korn. Er bietet sich für Masking oft auch an, da er die Übergänge etwas weicher macht.
Maskiert habe ich das Paar, ein rundes Tilt-Shift liegt im Vordergrund. Filter: Campfire, etwas Helligkeit, etwas Persico. Ganz realistisch ist das hier mit der Schärfe natürlich bei dem Pfosten nicht, aber ich habe ihn zugunsten des Fokus auf den Menschen nicht auch maskiert.
Dieses Bild ist ein Beispiel dafür, dass mein Gefühl von einer Situation und einem Bild nicht unbedingt dem entspricht, was die Kamera im „Original“ ausspuckt. So habe ich die Situation nicht gesehen.
Übrigens finde ich nicht, dass „no filter“ oder „out of cam“ ein Prädikat für ein Bild ist, denn die Kamera und die Voreinstellungen interpretieren ja auch schon immer die Wirklichkeit. Und was ist schon Wirklichkeit? Wie wir eine Situation empfinden, beeinflusst doch auch, wie wir sehen. Aber das nur eine kleine Bemerkung am Rande.
Maskiert habe ich hier lediglich die tolle Frau, kein zusätzliches Tilt-Shift. Filter: Helligkeit, Souvenir und ein kleines bisschen Woodstock.
Hier ein Tipp für Haare: Fusselhaare zu maskieren, kann sehr … haarig sein. Hier hilft oft auch ein kleiner Tilt-Shift-Kreis um den Kopf.
Maskiert hier: Mein kleiner Neffe und die Schaukelketten, ein rundes Tilt-Shift liegt auf dem Boden für den Verlauf. Filter: Helligkeit und Souvenir. Für mich ist das Maskieren zu einer Art Meditation geworden; ich muss zwar dabei immer die Luft anhalten, aber es lohnt sich.
Maskiert habe ich die Seifenblasen, die Stäbe und Seile und das Mädchen, wieder liegt ein rundes Tilt-Shift auf dem Boden. Filter: Laika, Kontrast und ein bisschen Persico.
Seifenblasen haben ja per se Potential, aber ohne das Maskieren wären die Seifenblase hier in dem Gewirr untergegangen.
Durch das Masking wurden einige Bilder, die sonst achtlos im Müll gelandet wären zu Lieblingsbildern. Die neueste tadaa-Version (4.6) verfügt außerdem über eine patentierte automatische Kantenerkennung – dadurch wird das Maskieren noch mal deutlich vereinfacht.
Und ja, ich weiß, Instagram ist vielleicht einfacher, aber ich benutze am Computer ja auch lieber Photoshop als Paint.
Die Bilder wurden übrigens alle mit einem iPhone 4 gemacht und ausnahmslos mit tadaa bearbeitet.