17. Dezember 2012 Lesezeit: ~4 Minuten

Dritter Monatsbericht vom iPhone-Projekt

Ich habe mich dagegen entschieden, die Rauschen-Serie fortzuführen. Sie war reizvoll und eine gute kreative Abwechslung, aber mein Leben lang so zu fotografieren, konnte ich dann doch nicht übers Herz bringen. Willkommen zu meinem dritten Monatsbericht.

Es war ein Gefühl der Freude, als ich mich vor ein paar Wochen dazu entschloss, wieder „scharfe Bilder“ zu machen. Ich empfand eine derartige Vorfreude, dass ich es fast nicht im Büro aushielt und so oft wie möglich nach draußen wollte.

Denn nachdem ich lange Zeit verwischte Bilder gemacht hatte, war es wie eine Befreiung, wieder „richtig“ zu fotografieren. Wobei ich dieses Wort ganz bewusst in Anführungszeichen setzen möchte.

Der Enthusiasmus wurde obendrein noch dadurch verstärkt, dass ich mich ganz bewusst danach umgesehen habe, was denn andere Straßen-Fotografen auf der ganzen Welt so machen. Die Vielfalt und Intensität ihrer dokumentarischen Portraits hat mich angesteckt und mir einen ordentlichen Schub Motivation verliehen.

So war der Kauf des Buches Streetphotography Now* eine großartige Inspiration. Schockierend, elektrisierend, motivierend. Die Wucht der Bilder in diesem Buch hatte so eine immense Wirkung auf mich, dass ich streckenweise nicht einschlafen konnte, weil ich dringend auf die Straße wollte. So twitterte ich:

Zwischendurch war ich neun Tage auf Gran Canaria, Urlaub mit der Familie machen. Jedoch – naja, also – ich ließ es mir nicht nehmen, doch ab und zu die Kamera (das iPhone) rauszuholen. Dort zu fotografieren war sehr angenehm, da es ja für gewöhnlich leichter fällt, in einer neuen Umgebung besondere Dinge zu finden. Der Städter fotografiert die Kuh, der Bauer nicht, wie Dr. Mettner zu sagen pflegt.

Nach dem Urlaub schenkte mir meine Frau zum Geburtstag ein iPhone 5. Und ich bin bis heute sehr erstaunt über den qualitativen Unterschied, den ich erst recht beim Fotografieren spüre. Zum einen ist der Zwei-Generationen-Sprung deshalb lohnenswert, weil alles mindestens doppelt so schnell ist. Die Kamera-App öffnet sich und ich habe fast keine Wartezeit, bis ich direkt loslegen kann.

Zum anderen ist die Auslöseverzögerung um einiges geschrumpft und somit kann ich dann, wenn ich abdrücke, auch mit einem Foto rechnen. Gerade auf der Straße ein nicht zu verachtender Vorteil. Zum anderen ist die Aufnahmequalität des Sensors in dunklen Lichtverhältnissen ordentlich aufgestockt worden und an den düsteren Tagen dieser Jahreszeit merke ich das beinahe täglich.

Ein weiterer Pluspunkt, den ich sehr schätze, ist, dass der Auslösebutton jetzt größer ist. Durch die Displayverlängerung des iPhone 5 im Vergleich zum iPhone 4S wurde dem mehr Raum beigemessen. So passiert es bedeutend seltener als noch vor einer Woche, dass ich beim Abdrücken danebentippe. Das hebt die Trefferquote und somit auch den Spaß an den Bildern.

Batman schaut auf die Straße

Über die Dauer dieses Projektes wird mir gerade wieder bewusst, welch entscheidender Vorteil es ist, die Kamera immer dabei und somit griffbereit zu haben. Denn das beeinflusst auch meinen Blick, der zunehmend dauerhaft ein „Foto-Blick“ ist. So wird das ganze Leben zum Fotoprojekt. Und das ist mit meiner Liebe zur Alltagsfotografie wunderbar zu vereinen.

Jedoch bemerke ich auch, dass mir bestimmte Momente des Lebens zu wichtig sind, als dass ich ständig zwischen mir und Menschen, Dingen oder Orten einen Screen haben will. Da ist mir das Erleben wichtiger als eine digitale Erinnerung zu schaffen.

~

Ich wollte schon immer ein iPhone haben und so werde ich auch die kommenden Jahre immer mit dem Apfeltelefon unterwegs sein. Ob es sich zu meinem Fotoapparat auf Dauer entwickeln wird, das ist bisher noch offen. Wenn auch die Chancen dafür steigen.

* Das ist ein Affiliate-Link zu Amazon. Wenn Ihr darüber etwas kauft, bekommen wir eine kleine Provision, Ihr zahlt aber keinen Cent mehr.

28 Kommentare

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  1. Jetzt ganz unabhängig von I-Phone, aber wenn das die Bilder die Essenz großartiger Inspiration sind, dann ist das etwas mau. Qualität hin oder her, aber die Zusammenstellung ist völlig beliebig und austauschbar. Explizit davon ausgenommen sei mal das erste Foto.

  2. Wie sich die Wege gleichen.

    Ich habe mich von meiner ‚Lichtpfützen und Schattenseen‘-Serie noch nicht verabschiedet, habe aber parallel angefangen, neue Serien zu planen und zu realisieren. Der Kopf ist voll, die Notizbücher auch, nur zur Umsetzung fehlt mir (beruflich) gerade Zeit. Das macht aber nichts, die Dinge reifen und werden kommen.

    Zwischenzeitlich habe auch ich auf meiner Website erst mal wieder allerlei scharfe Bilder veröffentlicht, aus iPhone und aus der DSLR: Bilder aus der Italien. Sommerträume für den Winter, ‚Kühe für den Städter’…

    Ein gutes Buch von Frau Dr. Mettner ist übrigens das neue ‚Fotografie mit Leidenschaft‘. ich binn inzwischen fast durch und es wird nach hinten immer besser. Und was das Thema ‚besser‘ angeht:

    Besser als Dein 3. Bild (Sonne, Liegewiese, Palmen, Kind) kann man eine spätherbstliche Auszeit im Süden gar nicht in ein Bild fassen!

    ;-)

  3. Hallo Martin,

    vielen Dank für den neuen Einblick und Beitrag. Ich persönlich finde dein iPhone sehr spannend obwohl ich manchmal, für mich persönlich, am Handling zweifle. Ein iPhone oder anderes Smartphone ist eben kein „klassischer“ Fotoapparat. Es geht hierbei nicht um technischen Detail Bla Bla – ist ja bei Street eh nicht so relevant, sondern einfach um die Form der Knipse. Mein Kopf kann sich irgendwie noch nicht damit anfreunden, auf eine flache Fläche zu drücken und dabei ein „richtiges“ Foto zu machen. Ist sicherlich auch eine philosophische Geschichte. Vielleicht ändert sich das irgendwann mal. Der Beitrag motiviert zumindest es mal auszuprobieren.

    Gute Fotos kann man auf jedenfalls auch mit dem iPhone oder jeder anderen Kamera machen, wie du und zahlreiche andere Fotografen beweisen. Mein Fav. von oben ist und bleibt „Am Karlruher Marktplatz“.

    P.S. Jetzt hast du bei mir noch mehr Vorfreude auf „Streetphotography Now“ geweckt. Ich hoffe, es liegt bei mir unterm Bäumchen:)

    • Hallo Mike, vielen Dank für Deinen Kommentar. Das befremdliche Gefühl ist bei mir längst verflogen, kommt sicher daher, dass ich jeden Tag damit Fotos mache. Und ja, probier es aus. Muss ja kein iPhone sein, andere Hersteller bauen auch ganz gute Smartphones. Und das Foto am Marktplatz, ja das war eine einmalige Gelegenheit, nicht wiederholbar sozusagen. ;)

  4. Wir don’t need another stupid xyz Phone Hype, we need real humans who are still able to create with their own hands, think and imagine with and inside their brains and cry loud with their own voices everyday in front of all this supermarkets and branding manipulation systems

  5. Einige der Bilder gefallen mir zwar rein optisch (die Bilder 1-3 finde ich als Fotos super, mit den anderen kann ich nicht viel anfangen), aber dennoch offenbart sich (für mich ganz persönlich) wieder mein Haupt-Problem mit der Street-Fotografie:
    Ich werde die Bilder leider in wenigen Minuten wieder vergessen haben :(

    Es gibt seltene Ausnahmen von dieser Regel (ich erinnere mich z.B. an ein ganz besonderes „Fußstapfen-im-Schnee“-Bild, dass ich (meine ich) hier auf kwerfeldein einmal sah, aber bei „Street“ bleibt ansonsten nur unglaublich wenig im Gedächtnis (vermutlich nicht einmal 1% der Bilder, die man zu sehen bekommt), da die schiere Masse einen erdrückt und unglaublich wenig herausragendes Material dabei ist…

    Wie gesagt, ist nur eine ganz persönliche Meinung und kein Plädoyer gegen Street-Fotografie. Mir fehlt dabei eben oftmals das wirklich „Besondere“, das „Eigene“, das „Andere“ – das, was im Gedächtnis haften bleibt…

    Die Wahl der „Waffe“ bleibt für mich nach wie vor zweitrangig.
    Dennoch weiterhin viel Erfolg und viel Spaß mit Deinem Projekt, denn der Spaß ist und bleibt das Wichtigste! :)

    • Hey Udo, ich will dir da gar nicht widersprechen oder eine Grundsatzdebatte über Street oder nicht Street anfangen. Das gabs schon irgendwie zu oft und ist einfach nur Geschmackssache. Richtig. Aber das Streetfotos nicht im Kopf hägen bleiben, seh ich persönlich ein bisschen anders. Schau dir beispielsweise mal die Bilder von Matt Stuart genauer an. Da steckt sooo viel Witz, Doppeldeutigkeit und Ironie drin. Bei mir bleibt das wesentlich länger hängen als manche Landschafts- oder inszenierte Portraitaufnahme.

      Aber wie du schon sagtes, ist es wichtig was dem Fotografen fetzt bzw. das er Spaß an der Sache hat. Es gibt bei Street auch sicherlich vielen banalen Müll aber es gibt auch sehr viele Bilder die wahnsinnige Geschichten erzählen!

    • Hallo Udo. An der Eigenständigkeit meiner Fotos arbeite ich noch, kann es daher gut verstehen. Und bei der Flut an Fotos verstehe ich auch, dass Dir die Straßenfotografie nicht sooo zusagt. Kein Ding. Jedoch danke für die Wünsche, Udo. Und den Tipp von Mike möchte ich unterstreichen, Matt macht großartige Fotos, nicht umsonst ist das Titelbild von Streetphotography Now ihm zu verdanken. ;)

  6. Hallo Martin,

    vielen Dank für den tollen Bericht!

    Der Kauf des Buches „Street Photography Now“ vor einigen Wochen war auch für mich ein Zugewinn. Ich konnte verwundert und amüsiert staunen über das, was mir dieses Buch optisch darbot. Auch half es, über mich selbst und vor allem meine Fotografie nachzudenken.

    Selbstreflexion – immer wieder wichtig, um einen Schritt weiter gehen zu können.
    Gerade das stellen Deine Blogposts ja letztendlich dar.

    Grüße
    Sven

  7. „Die Wucht der Bilder in diesem Buch hatte so eine immense Wirkung auf mich, dass ich streckenweise nicht einschlafen konnte, weil ich dringend auf die Straße wollte.“

    ja aber hallo?! das klingt ja wie ein junkie der dringend stoff braucht.
    und auch wenn die ergebnisse für dich sprechen, wäre ein überdenken des verhaltens gesundheitbedingt angezeigt.

    :-)

  8. Ich find’s auf jeden Fall interessant, wie viele Fotos du so raushaust…da sind auch immer mal wieder einige richtig geile dabei. Leider glaube ich aber, dass die durch die Flut an Bildern oftmals untergehen. Aber vielleicht gibt’s ja irgendwann mal eine Zusammenstellung mit „den Besten“. Ich würd’s kaufen ;-)

  9. Die Bilder gefallen mir sehr gut.
    Ein besonderes Dankeschön aber für den Text im vorletzten Absatz…

    „… Da ist mir das Erleben wichtiger als eine digitale Erinnerung zu schaffen.“

  10. Blogartikel dazu: Woanders – diesmal mit Kindern, Handwerk, Altpapier und Weihnachtsliedern | Herzdamengeschichten