Dritter Monatsbericht vom iPhone-Projekt
Ich habe mich dagegen entschieden, die Rauschen-Serie fortzuführen. Sie war reizvoll und eine gute kreative Abwechslung, aber mein Leben lang so zu fotografieren, konnte ich dann doch nicht übers Herz bringen. Willkommen zu meinem dritten Monatsbericht.
Es war ein Gefühl der Freude, als ich mich vor ein paar Wochen dazu entschloss, wieder „scharfe Bilder“ zu machen. Ich empfand eine derartige Vorfreude, dass ich es fast nicht im Büro aushielt und so oft wie möglich nach draußen wollte.
Denn nachdem ich lange Zeit verwischte Bilder gemacht hatte, war es wie eine Befreiung, wieder „richtig“ zu fotografieren. Wobei ich dieses Wort ganz bewusst in Anführungszeichen setzen möchte.
Der Enthusiasmus wurde obendrein noch dadurch verstärkt, dass ich mich ganz bewusst danach umgesehen habe, was denn andere Straßen-Fotografen auf der ganzen Welt so machen. Die Vielfalt und Intensität ihrer dokumentarischen Portraits hat mich angesteckt und mir einen ordentlichen Schub Motivation verliehen.
So war der Kauf des Buches Streetphotography Now* eine großartige Inspiration. Schockierend, elektrisierend, motivierend. Die Wucht der Bilder in diesem Buch hatte so eine immense Wirkung auf mich, dass ich streckenweise nicht einschlafen konnte, weil ich dringend auf die Straße wollte. So twitterte ich:
Fuck. Ich könnte heulen, lachen, schreien, durchdrehen. Dieses Buch macht mich komplett fertig. Ich bin begeistert. http://t.co/gejlYcw2
— Martin Gommel (@martingommel) November 20, 2012
Zwischendurch war ich neun Tage auf Gran Canaria, Urlaub mit der Familie machen. Jedoch – naja, also – ich ließ es mir nicht nehmen, doch ab und zu die Kamera (das iPhone) rauszuholen. Dort zu fotografieren war sehr angenehm, da es ja für gewöhnlich leichter fällt, in einer neuen Umgebung besondere Dinge zu finden. Der Städter fotografiert die Kuh, der Bauer nicht, wie Dr. Mettner zu sagen pflegt.
Nach dem Urlaub schenkte mir meine Frau zum Geburtstag ein iPhone 5. Und ich bin bis heute sehr erstaunt über den qualitativen Unterschied, den ich erst recht beim Fotografieren spüre. Zum einen ist der Zwei-Generationen-Sprung deshalb lohnenswert, weil alles mindestens doppelt so schnell ist. Die Kamera-App öffnet sich und ich habe fast keine Wartezeit, bis ich direkt loslegen kann.
Zum anderen ist die Auslöseverzögerung um einiges geschrumpft und somit kann ich dann, wenn ich abdrücke, auch mit einem Foto rechnen. Gerade auf der Straße ein nicht zu verachtender Vorteil. Zum anderen ist die Aufnahmequalität des Sensors in dunklen Lichtverhältnissen ordentlich aufgestockt worden und an den düsteren Tagen dieser Jahreszeit merke ich das beinahe täglich.
Ein weiterer Pluspunkt, den ich sehr schätze, ist, dass der Auslösebutton jetzt größer ist. Durch die Displayverlängerung des iPhone 5 im Vergleich zum iPhone 4S wurde dem mehr Raum beigemessen. So passiert es bedeutend seltener als noch vor einer Woche, dass ich beim Abdrücken danebentippe. Das hebt die Trefferquote und somit auch den Spaß an den Bildern.
Über die Dauer dieses Projektes wird mir gerade wieder bewusst, welch entscheidender Vorteil es ist, die Kamera immer dabei und somit griffbereit zu haben. Denn das beeinflusst auch meinen Blick, der zunehmend dauerhaft ein „Foto-Blick“ ist. So wird das ganze Leben zum Fotoprojekt. Und das ist mit meiner Liebe zur Alltagsfotografie wunderbar zu vereinen.
Jedoch bemerke ich auch, dass mir bestimmte Momente des Lebens zu wichtig sind, als dass ich ständig zwischen mir und Menschen, Dingen oder Orten einen Screen haben will. Da ist mir das Erleben wichtiger als eine digitale Erinnerung zu schaffen.
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Ich wollte schon immer ein iPhone haben und so werde ich auch die kommenden Jahre immer mit dem Apfeltelefon unterwegs sein. Ob es sich zu meinem Fotoapparat auf Dauer entwickeln wird, das ist bisher noch offen. Wenn auch die Chancen dafür steigen.
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