13. Oktober 2012 Lesezeit: ~7 Minuten

Im Gespräch mit Malte Pietschmann

Der 26-jährige Fotograf Malte Pietschmann (Facebook) lebt und arbeitet in Berlin und hat sich der Modefotografie verschrieben. Doch das ist noch lange nicht alles, wie ich im Folgenden herausgefunden habe.

Hallo Malte. Einige unserer Leser werden Dich noch aus kwerfeldein-Tagen kennen, schließlich warst Du bei uns als Redakteur aktiv. Für diejenigen, die Dich nicht kennen: Welche Person steckt hinter dem Namen Malte Pietschmann?

Jemand, der vor ungefähr vier Jahren angefangen hat, zu fotografieren und einfach Spaß daran hat. Ich habe Medienmanagement studiert, aber schon im Studium gemerkt, dass ich noch einen gestalterischen Ausgleich für mich brauche. So bin ich dann zu Portrait und Reportage gekommen. Bis vor einem Jahr habe ich noch in der Türkei und davor in den Niederlanden gelebt. Im letzten Jahr habe ich dann damit begonnen, mehr in Richtung Mode zu arbeiten.

Mode. Kein leichtes Sujet. Warum suchst Du Dir ausgerechnet dieses aus?

Weil die Modefotografie visuell freier arbeitet als viele andere Bereiche der Fotografie und dementsprechend vieles möglich ist, was in anderen Genres undenkbar wäre. Die Mode arbeitet am Puls der Zeit und zeigt damit was gestalterisch möglich ist, das ist natürlich immer spannend.

Auf der anderen Seite ist die Mode natürlich auch sehr aufwändig, was für mich aus produktionstechnischer Sicht einfach interessant ist. Im Team arbeiten hat mir schon immer Spaß gemacht und wenn es dann noch fordernde Projekte sind: wunderbar!

Was meinst Du genau mit „freier arbeiten“?

Reportage hat ja beispielsweise einen Wahrheits- und Neutralitätsanspruch, im Portraitbereich steht der Mensch und seine Persönlichkeit im Vordergrund. Das bestimmt die Bildgestaltung natürlich maßgeblich und schränkt sie zu einem Stück weit auch ein. In der Modefotografie geht es ja viel darum, die Mode und ihre Features in einem möglichen Kontext darzustellen.

Wie genau dieser Kontext nun aussieht bzw. inszeniert wird, ist dann Interpretationssache. Mit Mode lässt sich einfach sehr schön spielen und man kann ein Thema ja auf ganz unterschiedliche Weisen umsetzen.

Malte, wer Dir ein wenig in den sozialen Netzen folgt, kann nicht übersehen, dass Du regelmäßig in aller Welt unterwegs bist. Bist Du einfach gern unterwegs oder was treibt Dich in die Ferne?

Ich glaube, ich bin einfach neugierig, wie das Leben anderswo so ist, wie Menschen in anderen Kulturen denken, wonach sie streben, was sie motiviert. Wie verhalten sich die Werte, mit denen ich aufgewachsen bin, im direkten Vergleich zu dem eines Inders? Eines Thais? Eines Venezianers? Was eint uns und was trennt uns? Was bedeutet „leben“ für dich, was für mich?

Und das Wichtigste: Wie kann man voneinander lernen? Für mich sind das sehr spannende Fragen und wir können ja nicht erwarten, einander zu verstehen, wenn wir nicht miteinander reden. Ich mag es einfach, neue Perspektiven kennen zu lernen und brauche regelmäßig neue Denkanstöße. Die Fotografie ist da natürlich einer der schönsten Gründe, rauszukommen und mal etwas genauer hinzusehen.

Was bedeutet „leben“ für Dich – und was bedeutet das für Dich als Fotografen?

Haha, eine etwas große Frage für einen 26-Jährigen. Ich glaube, das kann man in meinem Alter noch gar nicht so genau sagen. Ich glaube jedoch daran, dass das Leben, also dieser winzigkleine Augenblick, der uns gegeben wird, ein riesengroßes Geschenk ist und dass man es auch so behandeln sollte.

Je mehr ich reise, desto mehr verstehe ich, was für ein großes Privileg wir in unserer Gesellschaft haben, die Freiheit zu haben, genau das zu tun. Erzähl das mal einem Seilträger aus Chittagong. Was das für die Fotografie und mich derzeit bedeutet? In den Zug einsteigen und sehen, wohin die Reise geht. Breathe and evolve.

Was ist Dir beim Fotografieren von Menschen in anderen Ländern besonders wichtig? Gibt es da etwas, wonach Du suchst oder schaust Du einfach, was passiert?

Ich glaube nicht, dass es darauf ankommt, was man sucht, sondern was man sieht und was einem selbst interessant erscheint. Das kann man nicht so pauschal sagen. Ich arbeite sehr intuitiv und versuche einfach, mit dem Fluss zu gehen, das heißt, nicht zu konkrete Vorstellungen haben und offen bleiben.

Die Sachen, die viel Seele haben, kommen eigentlich immer aus dem Bauch und der Situation heraus. Was mir also wichtig ist? Authentische Momente einfangen.

Was ist ein authentischer Moment? Woran machst Du das fest, außer am Bauchgefühl?

Wenn Menschen sich einfach natürlich verhalten, als würden sie sich unbeobachtet fühlen.

Wie sehen Deine Pläne für die nächste Monate aus? Was hast Du vor?

Es geht wieder zurück nach Asien. Dieses Mal reise ich mit einem kleinen Produktionsteam bestehend aus Philipp Lunch (Foto) und Jonas Harmsen (Video), beide sehr enge Freunde, von Indien über Bangladesh nach Hong Kong und China. Wir haben eine sehr breite und abwechslungsreiche Palette an Projekten geplant.

Allzu viel kann ich da natürlich noch nicht verraten, aber wer uns während der nächsten sechs Monate folgen möchte, kann ja demnächst mal bei BASMATI HAZE vorbeischauen. Wir haben alle eine sehr unterschiedliche Herangehensweise, das könnte also recht spannend werden.

Das hört sich gut an, Malte. Wo siehst Du Dich in zehn Jahren in fotografischer Hinsicht?

Wie schon gesagt, man steigt in einen Zug ein und lässt sich überraschen, wohin die Reise geht. Das ist ja gerade das Schöne an der Fotografie: Man kann sie immer wieder neu für sich entdecken. Von daher: Alles kann, nichts muss.

Erinnerst Du Dich noch an den ersten Fotografen, der Dich inspiriert hat?

Da gibt es sicher viele. Wirklich bewusst war das allerdings Nick Knight. In einer Ausstellung in Groningen hatte ich einige seiner Arbeiten gesehen, das hat meine Sicht auf die Fotografie grundlegend verändert. Davor wusste ich einfach nicht, dass so etwas überhaupt möglich ist.

Welche Länder, die Du bisher noch nicht besucht hast, würdest Du in Zukunft gerne bereisen?

Eigentlich so ziemlich alle. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie reizt mich der Nahe und der Mittlere Osten mittlerweile mehr und mehr. Die Berichterstattung ist immer noch sehr einseitig und beschränkt sich leider oft auf Kriegsszenen und Fundamentalismus.

Projekte wie die von Salome und Lukas Augustin finde ich sehr spannend und wichtig. Denn wenn in den Medien fast ausschließlich ein Bild von Gewalt und Terror vermittelt wird, dann kann das doch gar nichts werden.

Siehst Du für Dich auch die Aufgabe, eine eigene Sicht auf den Mittleren Osten zu zeigen? Was spornt Dich diesbezüglich an?

Der Nahe und Mittlere Osten ist kein konkretes Projekt, erst einmal nur ein kleiner Traum. Ich glaube einfach, dass diese Kulturen unglaublich viel Schönes und Interessantes zu erzählen haben. Durch eine eher einseitige Berichterstattung werden die bestehenden Vorurteile gegenüber diesen Ländern weiter gestärkt. Und zumindest aus meiner Sicht können Vorurteile keine Basis für einen nachhaltigen Dialog sein.

Malte, ich bedanke mich für das Interview und wünsche Dir viel Erfolg bei Deinen Projekten und Reisen!

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