06. September 2012 Lesezeit: ~5 Minuten

Familienportraits

Der bewusste Einstieg in die Familien- und Kinderfotografie begann bei mir erst mit der Gründung der eigenen Familie. Ich hatte vorher jahrelang Portrait und Akt fotografiert. Dabei standen meist Freunde oder Bekannte und später auch Menschen, die ich lediglich für den knappen Zeitraum des Fotografierens kennenlernte, vor meiner Kamera. Es ist im Vergleich zur Familie ein ganz anderes Gefühl, Fotos zu machen.

Meine Familie ist ein Teil von mir selbst, ein Bereich, den keiner so gut kennt wie ich. Für mich ist die Fotografie eine Art visuelles Tagebuch geworden. Mit der Geburt meiner Töchter fing die Zeit auf einmal an zu rasen.

Es wurde mir bewusst, dass jeder Moment in unserem Leben so einzigartig ist, dass so viele wie möglich davon festgehalten werden müssen. Gerade der Alltag ist so voller Ereignisse und Leben, dass zwar vieles davon in Erinnerung bleibt, nach einiger Zeit allerdings wieder verblasst.

Ich fotografiere aufgrund unterschiedlichen Formates mit mehreren Kameras, so dass ich oftmals einen Film nicht gleich bis zum Ende belichte. Einige Kameras liegen so mehrere Monate herum und fallen mir für eine Motividee irgendwann wieder in die Hände.

So erging es mir mit meiner Lomo, die ich nach fast zwei Jahren Pause wieder zur Hand nahm. Nach der Entwicklung des Films war die Überraschung groß, da ich auf diesem Fotos meiner älteren Tochter fand, die ich zwei Jahre zuvor gemacht hatte. Es war wie eine Reise in eine weit zurückliegende Zeit und eine Freude um die wiedergewonnenen Erinnerungen.

Die Kamera ist ein ständiger Begleiter geworden und liegt auch Zuhause immer griffbereit. Ich versuche, bei jedem Foto den Niedlichkeitsfaktor so gering wie möglich zu halten.

Die objektive Wahrnehmung ist bei den eigenen Kindern zugegebenermaßen nicht immer einfach. Für mich ist es aber wichtig, die Kinder so zu fotografieren, wie es ihrem Naturell entspricht. Sie sollen sich nicht für ein Foto in Szene setzen, kein automatisiertes „cheese“ in die Kamera grinsen.

Diese kleinen alltäglichen Gegebenheiten, die den kleinen Menschen manchmal mehr, manchmal weniger liebenswert machen, sollen nicht nur für mich in Erinnerung bleiben.

Mittlerweile ist auch im Verwandten- und Bekanntenkreis eine neue Generation herangewachsen. Dadurch ergeben sich viele Motive mit Kindern, die ich im Gegensatz zu den eigenen nicht so intensiv kenne.

Sie verhalten sich mir und meiner Kamera gegenüber meist ganz anders als meine Kinder. Zum einen liegt das an meinen komisch aussehenden alten analogen Kameras, zum anderen daran, dass „fremde“ Kinder immer eine gewisse Mischung aus Scheu und Neugier mitbringen.

Im Gegensatz zum Erwachsenen lässt sich ein Kind schnell für eine Sache begeistern, wenn man dessen Neugierde weckt. Es ergeben sich Motive, wenn man mit den Kindern spielt und herumtobt. Das lockert die Situation auf und es kann Dynamik entstehen.

Seit einigen Jahren fahren wir regelmäßig mit Freunden und deren Kindern in den Urlaub an die Ostsee. Dort ergeben sich Motive, die normalerweise nicht in meinem Alltag vorkommen. Der Strand und das Meer geben mir Inspiration und viele neue Möglichkeiten.

Da ich die Kinder unserer Freunde aufgrund der örtlichen Distanz nur zwei bis dreimal im Jahr sehe, ergab sich im Laufe der Zeit die Idee, eine Dokumentation des gleich gestalteten Motivs über mehrere Jahre hinweg zu versuchen. Ganz bewusst wählte ich dafür meine Linhof Technika zur Umsetzung aus. Es ist die „langsamste“ Kamera, die ich dafür verwenden kann.

Es ist zum einen bereits zeitaufwändig, das Instrumentarium in Positur zu bringen. Andererseits dauert der Moment bis zum Belichten des Films bei jedem Motiv unglaublich lange, da Mattscheibe und Magazin gewechselt, Licht gemessen, Werte eingestellt werden müssen. Ich sehe diesen Umstand jedoch als großen Vorteil, dem zu fotografierenden Kind das Bewusstsein des gleich folgenden Fotos zu nehmen.

Es zwingt mich dazu, mich mit dem Kind in der Weise zu befassen, dass es zum einen erst einmal vor der Kamera am vorher festgelegten Punkt stehen bleibt, zum anderen versuche ich einen Zeitpunkt der Entspannung zu erwischen, in dem sich das Kind fallen lässt und dadurch eine Emotionalität zeigen kann.

All diese fotografischen Erfahrungen, die ich im Laufe der Zeit mit meinen Kindern sammeln konnte, haben meine frühere Abneigung gegenüber der üblichen Kinderfotografie weichen lassen. Ich sehe heute ein großes Feld neuer Herausforderungen.

Im weiteren Verlauf der Jahre wird sich das Verhalten der Kinder gegenüber mir und meiner Fotografie ändern. Es wird ein ewiger Entwicklungsprozess bleiben, dem ich mit Spannung entgegensehe.

Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie in meiner Kindheit viele Fotos von mir und meinem Umfeld gemacht haben. Heute blättere ich gerne in meiner visuellen Kindheit und würde mich freuen, wenn es meine Kinder auch später so empfinden könnten, wenn sie meine Fotos betrachten.

21 Kommentare

Die Kommentare dieses Artikels sind geschlossen. ~ Die Redaktion

  1. „Im Gegensatz zum Erwachsenen lässt sich ein Kind schnell für eine Sache begeistern, wenn man dessen Neugierde weckt.“….. „Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie…..“

    so lange die Kinder klein sind, geht das problemlos. Aber so mit 10-11J., spätestens mit der Pubertät geht da kaum noch was. Das ist „uncool“ und „voll peinlich“. Da ist häufig Fremdschämen angesagt…
    Das ist der Zeitpunkt, wo die kids dann SELBER fotografieren sollen. Egal womit. Egal wie. DAS aber klappt dann (bei uns zumindest) sehr gut.
    Und irgendwann einmal bekommen sogar die Eltern diese „geheimen“ Fotos gezeigt :-)

    • Kenne ich :-)
      Unsere Großen sind 12, 13, 15. Und da ist es schon recht schwer die Lieben vor die Kamera zu bekommen. Meist ist es dann nur eine „Auftragsarbeit“ um ein Porträt für Facebook zu erstellen. Aber ich bin genauso erstaunt welche witzigen und ausgefallenen Bildideen unsere Pubertierenden selber zustande bringen. Wäre hier vielleicht auch mal ein Thema wert.

  2. Netter Artikel, auch wenn der Titel nicht ganz passend ist. Denn wie der Autor selbst schreibt, geht es hier um „Kinderfotografie“ und nicht um Familienportraits.

  3. Diese Genre favorisiere ich seit meiner Kindheit. Erst fotografierte ich meine Eltern und Freunde, später begleitete ich meine kleine Familie in Form eines fotografischen Notizheftes im Alltag. Obwohl ich im Laufe der Jahre einige Tausend SW-Negative (KB & MF) archivierte, bin ich bei den Aufnahmen mit einfachen Kameras – ohne Elektronik – immer noch sehr aufgeregt.

    Zwischenbilanz: Meine besten Fotos (auf Barytpapier) entstanden mit Standardbrennweiten …

  4. wow, was für wunderschöne Aufnahmen. Ich bin wirklich begeistert!
    Für mich ein eindeutiger Beweis dafür, wie wertvoll und gut nach wie vor die Analogfotografie ist.
    Ich finde es toll, wie reflektiert du mit deinen Arbeiten umgehst. Sensibel, geplant und doch auch spontan! Besonders toll – vor allem später für die Kinder – ist es, dass du gezwungen bist die Fotos entwickeln zu lassen. Du hast sie in der Hand, kannst Alben anlegen etc. Für jedes Kind ein Jackpot, später solche phantastischen Fotos von seiner Kindheit zu haben.
    Es ist traurig aber wahr: Kein einziges meiner Fotos im Portfolio habe ich jemals entwickelt gesehen! Alle schlummern auf meiner Festplatte unter dem Deckmantel „irgendwann bald werde ich einige entwickeln lassen“. Aber wann wird dieses irgendwann sein? Ich denke vielen wird es ähnlich gehen.
    Vielen Dank fürs Teilen deiner Erfahrungen und diesen umwerfenden Fotos!
    Lg, Jonas

  5. Danke Jörn! Was soll man noch dazu sagen! Ich bin ja nun schon Großonkel (eigentlich Uronkel), und muss heute feststellen, dass ich leider zu wenig zur Kamera gegriffen habe. Aus meiner Kinderzeit existieren gerademal weniger als zehn Fotos. Okay, man tröstet sich damit, dass es andere Zeiten waren, aber solche Erinnerungen sind eine kostbare Sache…
    Das sieht man schon an Deinen Bildern: Sie lassen einen Schmunzeln, ja lachen! Und warum nicht auch nach 20 oder mehr Jahren. Macht Bilder von euren Lieben, Leute!!
    LG aus Berlin Jörg

  6. Hi Jörn,

    ich habe auch sehr viel Spaß meine Familie, speziell meine 15 Monate junge Tochter zu fotografieren. Da ich noch recht jung in der Fotografie bin, ist es neben tollen Fotos für mich und alle anderen in der Familie, auch sehr interessant wie ich mich persönlich in der Fotografie entwickle. Die Bilder werden analog zum steigenden Alter meiner Tochter immer besser :)

    Der Ansatz bei mir aktuell noch anders. Ich möchte schnell sein um genau den Moment einzufangen den ich einfangen möchte. „Analoges Handling “ für mich absolut undenkbar. Daneben fange ich gerne ab und an mal auch niedliche Momente ein – weil meine Tochter eben oft auch niedlich ist :) Viel Wert lege ich auch auf natürliche Fotos. Bei meiner Tochter ist das noch kein Problem, die Herausforderung liegt in den Erwachsenen drum herum.

    Was mich zu deinem Bericht noch interessiert. Wieso versuchst du bei jedem Foto den Niedlichkeitsfaktor so gering wie möglich zu halten? Im Prinzip ist der Niedlichkeitsfaktor auch realistisch. Es wird wohl mit den Stil deiner Bilder zusammenhängen…

    Viele Grüße und danke für den Bericht

    Dave

  7. Sehr schöner Artikel und absolut sehenswerte Bilder!!! Gefällt mir sehr gut! Mein absoluter Favorit ist das „Badewannenbild“! Sehr genial!
    Weiterhin viel Spaß mit den Kids und beim fotografieren!!!
    Lg Alex

  8. Sehr lustig, mein Vater hat unzählige Dias und s/w-Fotos von der Familie mit seiner Voigtländer Bessamatic gemacht. Von allen Lebenslagen gibt es Bilder (nicht immer erfreulich, in welchen Situationen ich abgelichtet wurde).
    So habe auch Ich von meinen Kindern von Beginn an unzählige Fotos gemacht. Kinder anderer Leute zu fotografieren ist für mich allerdings anders, da der Bezug ein anderer ist.

    Mir gefallen Deine letzten Fotos vom Meer sehr schön.

  9. Das wirkt, als würden die Kinder nicht mit der Kamera umgehen, vielleicht ist das was Gutes, dass man das als Kind nicht simmulieren muss, wie ein Model es muss, sondern es einfach so ist, weil man noch nicht weiß, was hinter einem Fotoapparat kommt, also dass man aufgehoben werden wird solange es das Foto gibt, dass man rumgezeigt werden wird und: dass man sich auf all das ja einstellen muss, wenn man fotografiert wird; wer das nicht weiß, wie die Kids, der läd all das auch nicht in sein tun und: ist. Das ist schön.

  10. Sehr guter Beitrag, danke dafür. Wir fotografieren auch am liebsten Kinder, meistens sind es eigene. Wegen „Niedlichkeitsfaktor“ finde ich gut. Ich muss zugeben, dass ich habe nie darüber nachgedacht habe. Vielmehr war im Vordergrund sehr schönes Foto zu schießen.

    Danke für diesen Beitrag. Da kann man erkennen, dass unsere Liblingsthema auch Kinderfotografie ist.