07. Mai 2012 Lesezeit: ~6 Minuten

Das war Venedig

„Das war Venedig, die schmeichlerische und verdächtige Schöne, – diese Stadt, halb Märchen, halb Fremdenfalle, in deren fauliger Luft die Kunst einst schwelgerisch aufwucherte und welche den Musikern Klänge eingab, die wiegen und buhlerisch einlullen.

Dem Abenteuernden war es, als tränke sein Auge dergleichen Üppigkeit, als würde sein Ohr von solchen Melodien umworben; er erinnerte sich auch, daß die Stadt krank sei und es aus Gewinnsucht verheimliche, und er spähte ungezügelter aus nach der voranschwebenden Gondel.

So wußte und wollte denn der Verwirrte nichts anderes mehr, als den Gegenstand, der ihn entzündete, ohne Unterlaß zu verfolgen, von ihm zu träumen, wenn er abwesend war, und, nach der Weise der Liebenden, seinem bloßen Schattenbild zärtliche Worte zu geben.“ – „Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann

Genau so verhielt es sich mit mir und der Jagd und Verfolgung von Motiven, Licht, Schatten und den besonderen Momenten, die jeden Fotografen mit Glück erfüllen. Venedig, die beliebte und einzigartige Lagunenstadt, stand bei mir schon lange ganz oben auf der Liste der nächsten Reiseziele und somit entschied ich mich kurzfristig für einem Trip in die Stadt der Gondeln.

Fotografisch stellte diese Stadt für mich wieder eine Herausforderung dar, da ich auf Fotowetter gehofft hatte, das vielleicht nicht jedem Venedigtouristen gefallen dürfte: Nebel, Regen, dicke Wolken und vor allem wenig Sonnenschein (der den Schattenwurf sonst doch maßgeblich verstärkt und in diversen Motiven regelrechte Störfaktoren schafft) kommen mir immer zu Gute. Gerade Venedig mit seinen detailreichen Gebäuden wollte ich so gut es ging ohne störende Schatten darstellen.

Mir wurde allerdings schnell klar, dass sich meine Zeiten zum Fotografieren auf morgens, abends und nachts beschränken würden, da erstens für die komplette Woche strahlender Sonnenschein angesagt wurde und zweitens die Stadt schon Ende Februar, kurz nach dem Karneval, von zahlreichen Touristen bevölkert sein würde, die die Plätze und Gassen schnell einnehmen dürften.

Auch der Stand der Sonne war meist recht ungünstig, so dass ich schnell herausfand, zu welchem Zeitpunkt ich mich an welchem Ort befinden sollte, um nicht direkt in die Sonne fotografieren oder störende Reflexionen auf dem Wasser aufnehmen zu müssen.

Am ersten Morgen führte mich mein Weg geradewegs auf den Markusplatz und zum Gondelanleger gegenüber der Insel San Giorgio Maggiore, wo ich bereits vor Sonnenaufgang ankam. Die Insel präsentierte sich in leichten Dunst gehüllt direkt vor mir in einem kräftig violetten Himmel. Meine Standplätze hatte ich mir bereits am Abend zuvor ausgeguckt, so dass ich wusste, welche Blickwinkel und Plätze ich am besten nutzen kann.

Nach und nach war das Ufer voll anderer Fotografen, die sich allerdings eher für den Sonnenaufgang an sich interessierten. Das Licht veränderte sich von Sekunde zu Sekunde und färbte sich von violett in rosa bis hin zu einem zarten Orange, das die nahegelegene Kirche Santa Maria della Salute anstrahlte.

Perfektes Fotowetter, aber auch eine perfekte und befriedigende Atmosphäre, die durch das Glockenläuten des Markusturms pünktlich zum Auftauchen der Sonne und durch das Geräusch des Wassers, das an die Gondeln schwappte und diese hin- und her bewegte, noch verstärkt wurde.

Der Anleger und der Markusplatz waren auch in den nächsten Morgen- und Abendstunden ein bevorzugtes Ziel für mich, da mir nie genug Zeit blieb, alle Motive in dem engen Zeitraum festhalten zu können. Zu schnell tauchte die Sonne die Gebäude in ein grelles Licht und die Stimmung des besonderen Augenblicks ein paar Minuten zuvor war Vergangenheit.

Danach zog es mich weiter zur Ponte di Rialto, die den ersten steinernden Fußweg über den Canal Grande darstellte. Blickte ich morgens auf der Brücke Richtung Norden, war das Licht wieder absolut perfekt, das die Gebäude und das Wasser in einem hellen Orange erstrahlen ließ.

Nur wenige Schiffe bewegten sich auf dem Kanal, so dass man auch hier einen guten Standpunkt für ein besonderes Venedigmotiv finden konnte. Ich musste nicht lange warten, bis sich mir die Situation bot, die ich mir erhofft hatte und so drückte ich ab und genoss währenddessen, wie die zauberhafte Lagunenstadt den Morgen begrüßte.

Alternativ zur Ponte di Rialto bot sich mir auch auf und sogar unter der Ponte dell’Accademia ein wundervoller Blick auf Santa Maria della Salute. Diesen Standort hob ich mir allerdings für die Abend- und Nachtstunden auf und so konnte ich gerade abends im besonderen Licht Venedigs ohne Probleme Langzeitaufnahmen von 400 Sekunden und mehr machen.

Im Laufe des Tages zwischen 10 und 16 Uhr bot sich mir die beste Zeit, die Stadt und ihr enges Labyrinth zu erkunden, um die Umgebung nicht nur durch die Linse der Kamera kennenzulernen und vor allem, um die Orientierung auch ohne Stadtplan zu behalten. So fand ich schnell heraus, welcher Ort sich am besten für welchen Zeitraum zum Fotografieren anbot, um das beste Licht zu erwischen.

Auch des Nachts ist es unglaublich spannend, die Stadt zu portraitieren. Venedig zeigt sich erst dann von seiner ruhigen Seite. Fast kam es mir so vor, als wäre sie in einen Dornröschenschlaf verfallen. Nur die Feuchtigkeit, die in der Stadt herrscht, zieht einem schnell in die Knochen, so dass es auf die richtige Kleidung ankam, die einem trotzdem für eine gewisse Zeit warm halten sollte.

So berief ich mich während des Aufenthalts in Venedig auf Manns „Tod in Venedig“ und wollte nichts anderes mehr als den Gegenstand, der mich entzündete, ohne Unterlass zu verfolgen, um von ihm zu träumen, wenn er abwesend war.

29 Kommentare

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  1. Danke für die Bilder. Ich habe erst unlängst darüber nachgedacht ob ich nicht die eine oder andere Stadt durch einen kurzen Trip besuchen sollte. Venedig steht dabei auch am Plan. Wann weiß ich noch nicht, aber solche Bilder motivieren :)

    • Hallo Alex, vielen Dank. Venedig ist tatsächlich zu empfehlen, aber wenn Du fährst, dann versuche kurz nach dem Karneval zu fahren oder Ende des Jahres im November oder Dezember. Die Stadt ist dann recht ruhig und man hat viel Platz zum Fotos schießen. :) Außerdem wird ganz sicher den einen oder anderen Morgen erwischen, an dem der Nebel über Stadt liegt. Gerade dann entfaltet Venedig seine Schönheit.

      • Das hab ich mir gedacht als ich deinen Betrag gelesen habe. Ich werde schauen wann es sich machen lässt nach Venedig zu kommen. Ist ja nicht ganz so einfach, mit dem Zug ist das eine lange Reise. Ich überlege mir im Zug zu schlafen, runter zu fahren, dort die Nacht durch zu machen und bis Mittag zu fotografieren und dann wieder zurück zu fahren. Das geht von hier aus, wenn ich mich nicht irre sogar schon um 19Euro :) Das wäre super. Das einzige was ich noch nicht weiß ist wie Gefährlich Venedig bei Nacht ist :)

      • Alex, Venedig ist erstaunlicher Weise ungefährlich. Nachts sind die Straßen leer und die Dunkelheit lässt einen die Stadt noch enger erscheinen aber Kriminalität soll es dort kaum geben. Ich habe mich recht sicher gefühlt und viele Venezianer behaupten ebenfalls, dass die Stadt nicht wirklich kriminell ist! :)

  2. .. das farbige Hochformat gefällt, der Rest ist Geschmacksache.

    Die Schnittstelle zwischen dem Wasser und der Architektur wirkt auf mich bei den restlichen Bildern eher disharmonisch. Wogegen bei dem Hoch alles „stimmt“. Aber hey, ist halt Geschmacksache. Auf alle Fälle keine 0815 Bilder. Danke für deinen Beitrag.

  3. klasse.
    ich finde gerade die besondere stimmung und wirkung durch die langzeitbelichtung super. und was mir wirklich gefällt: das bewusste fotografieren und die vorbereitung (ohne fotos) und dann zum richtigen zeitpunkt an den ort zurückkehren.
    aber ehrlich gesagt: luna hat es viel schöner ausgedrückt.

    • Danke Peter! Manchmal ist es ein hin und her. :) In Island war es ähnlich, nur dass man dort gleich 200 km zurück fahren musste um den gleichen Ort bei veränderten Wetterverhältnissen zu fotografieren. :) An anderer Stelle passt es dafür dann wieder umso mehr. :)

  4. Deine Aufnahmen sind ein Traum. Ich hätte letztes Jahr Venedig nicht im Sommer besuchen sollen, das war ein regelrechter Albtraum (Menschen, überall). Auch die Fotos, die ich damals machte, stellten mich nicht zufrieden.
    Diese Fotos jedoch sind eine Inspiration, die Seele einer Stadt auf so eine bezaubernde Art und Weise festzuhalten :)

  5. Hollo,
    wirklich tolle Bilder und mal eine ganz andere herangehensweise als sonst gewohnt. Ich mõchte mich gerne bei dem Autor fûr die Anregung bedanken da ich nächsten Monat in Pilsen bin und schon die ganze Zeit überlege wie ich am besten vorgehe; DANKE!

    Gruß
    Oli

  6. ich bin italiener und wohne nicht weit von venedig.du hast schoene bilder gemacht,aber das ist nicht venedig wie ich es kenne.
    venedig ist laut und leise, bunt und grau,schoen und haesslich.
    es ist voellig ueberlaufen und ungemuetlich geworden,selbst in den nicht so bekannten ecken.
    es ist schmutzig geworden und wirkliche venezianer gibts fast nicht mehr.
    viele haben noch ihre laeden dort mit plunder der an den mann–frau gebracht werden muss,wohnen aber, da vor den touris geflohen, jetzt in mestre.
    ich wuerde dich sehr loben, wenn du dies mal in deiner weise auf die bilder bringen koenntest.
    nicht nur das stille morgentliche venedig, sondern das wirkliche venedig.
    das wuerde vielleicht helfen ein paar touris abzuhalten nach dort zu fahren um ihren muell loszuwerden.