Im Gespräch mit der analoggang
Als ich das erste Mal über die analoggang stolperte, war mir klar, das ich mehr über sie erfahren wollte. Jetzt weiß ich, dahinter verbergen sich drei Fotografinnen, Katharina Reckendorfer, Marisa Vranjes und Kristina Satori aus Österreich, die sich aus Liebe zur analogen Fotografie zusammengeschlossen haben.
Das Interview mit ihnen zu führen, war sehr aufschlussreich und ging doch ein wenig an unsere Grenzen. Denn ein so großes Thema mit insgesamt acht Augen via E-Mail abzudecken, das war überhaupt nicht so leicht und deswegen bin ich um die Mühe und die Zeit, die sie investiert haben, sehr dankbar.
Geboren zwischen 1979 und 1986 an verschiedenen Orten in Österreich trafen wir drei im Rahmen unserer Ausbildung an der Graphischen in Wien 2007 erstmals aufeinander. Schnell bemerkten wir drei eine Sache, die uns trotz all unserer Verschiedenheiten einen gemeinsamen Nenner gab: Die Liebe zur analogen Fotografie. Während einer Straßenbahnfahrt gründeten wir im Liebestaumel die analoggang.
Als eine Gang, die mehr ist und mehr aussagt als ein Kollektiv, ein Verein, eine Firma oder ein Freundschaftsring, wollten wir von nun an versuchen, die analoge Fotografie am Leben zu erhalten. Viel mehr noch: Wir wollen zeigen wie reichhaltig, bunt, schön und emotional die analoge Fotografie ist und dass sie immer noch einiges kann, was die digitale Photographie nicht zu vollbringen mag. Mit Hilfe der analoggang repräsentieren wir gemeinsam wie auch allein mehr als die Summe ihrer einzelnen Teile. Der analoge Workflow wird von uns dreien gelebt.
Ihr macht also viele gemeinsame Projekte?
Jede von uns ist auch von den anderen getrennt als Fotografin tätig – rund um Projekte, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Wir treffen uns tatsächlich – wie wir unter uns immer wieder feststellen – auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Wir unterscheiden uns menschlich wie auch von unserer fotografischen Herangehensweise sehr stark voneinander. Vielleicht ist dies auch der Grund, weshalb wir einander noch nicht überdrüssig geworden sind. Erstaunlicherweise passen unsere Arbeiten – sei es für ein gemeinsames Projekt, eine Ausstellung oder ähnliches – sehr gut zusammen und ergeben immer ein rundes Ganzes.
In unserem nun doch schon vierjährigen Miteinander haben wir tatsächlich erst eine Arbeit alle gemeinsam fotografiert. Die selbe Auftraggeberin, das selbe Model, das selbe Setting, der selbe Tag und so weiter. Das Lookbook für „rührt euch_at ease_repos!“ von Elisabeth Maier, einer sehr jungen, vielversprechenden Designerin, mit der wir im Vorfeld schon mehrmals gearbeitet hatten.
Ihr habt mir erzählt, dass Eure Arbeiten außerhalb der Gang nicht unterschiedlicher sein können. Könnt Ihr das noch ein bisschen ausführen? Wie kann man sich das vorstellen, wie oder in welchem Bereich arbeitet Ihr und dann auch digital oder auch außerhalb der Gang lieber mit Film?
Jede von uns hat ihren eigenen Zugang, ihre ganz individuelle Vorgehensweise und Intensität beim Fotografieren. Dies alles ist nicht abhängig davon, ob wir etwas explizit für die analoggang machen oder nicht. Prinzipiell unterscheiden wir nicht, ob wir etwas als Projekt für die analoggang machen oder „nur“ für uns alleine.
Denn es ist nicht so, dass die analoggang unser Hobby ist und wir beruflich ganz anders fotografieren. Die Unterscheidung liegt viel mehr darin, wo Platz dafür ist, unser Herzblut ‚reinstecken zu können (das sind dann klarerweise die analogen Bilder) und welche Aufträge man digital machen muss, weil es eben anders nicht geht.
Wir arbeiten natürlich, sofern möglich, immer analog. „Wenn möglich“ bedeutet, wenn die Arbeit bzw. der Auftrag das budgetär und zeitlich zulässt. Es gibt immer Aufträge, bei denen man superschnell Ergebnisse haben muss oder einen finanziellen Rahmen hat der Filme und deren Entwicklung nicht decken würde.
Da weichen wir ungern, aber doch auf den digitalen Workflow aus. Das kann manchmal auch ganz schön werden, siehe z.B. unsere Serie für Make-Up-Artists Caro Erlach und Sabine Fürst, ist aber ästhetisch für uns einfach nicht mit analoger Fotografie vergleichbar und daher nur ein Kompromiss.
In Eurer Diplomarbeit „play“ schreibt Ihr über das Networking und darüber, wie schwer es heute Fotografen in der freien Wirtschaft haben. Nun seid Ihr schon einige Jahre in diesem Bereich tätig. Wie sind Eure Erfahrungen und was würdet Ihr anderen mit auf den Weg geben, die sich entschließen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen wie Ihr?
Unser Diplomprojekt hat uns sehr dabei geholfen, Kontakte zu knüpfen und uns im Weiteren auch darin bestätigt, wie essentiell diese sind. Wir haben gelernt, welche Kanäle wir nutzen müssen, um die „richtigen“ Leute anzusprechen. Also all jene, die wie wir in ihrer Arbeit oft von anderen abhängig sind, aber auch ein gemeinsames Ziel haben: Schöne Fotos!
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir mit unserer Diplomarbeit ein Netzwerk für uns flechten konnten, von dem wir glücklicherweise bis heute profitieren. Wir arbeiten immer wieder mit AusstatterInnen, VisagistInnen und ModedesignerInnen, die wir auf diesem Weg kennengelernt haben. Alle Beteiligten profitieren voneinander. Das macht die Arbeit dann zusätzlich schöner.
Das „Kontakteknüpfen“ bedarf allerdings einer großen Portion Eigeninitiative. Man wird immer wieder ein Stück zurückgeworfen – wovon man sich aber auf keinen Fall unterkriegen lassen darf! Es war ein sehr langwieriger Prozess. Man sollte aber auf jeden Fall immer sein Ziel vor Augen behalten und seinen Weg gehen.
Allen, die wie wir unglaublich gerne analog arbeiten wollen, können wir nur raten, nicht vorschnell zu digital zu wechseln. Wir wurden und werden sehr oft dafür belächelt, dass wir analog arbeiten, es gibt aber eine ganze Menge Menschen, die die Qualität analoger Fotografie schätzen.
Und dann gibt es natürlich auch die unvergesslichen Momente – wie z.B. vor zwei Jahren, als wir auf der Photokina analoge Portraits mit einer Fachkamera auf Direktpositivpapier gemacht haben. Das Feedback dort war wunderschön – genauso wie die Portraits – und hat für viele blöde Kommentare der vergangenen Jahre entschädigt. Es zahlt sich auf jeden Fall aus, idealistisch zu sein und hohe ästhetische Ansprüche zu haben.
Nun zu Euren analogen Schätzen. Welche habt Ihr, welche sind Euch ganz besonders ans Herz gewachsen und warum?
Katharina Reckendorfer:
Ich halte es bei Kameras wie in meinem Kleiderschrank und Schuhschrank: Mehr ist mehr!
Ich kann mich einfach nicht für eine Kamera entscheiden und am Flohmarkt auch selten an einer außergewöhnlichen, schönen oder einfach witzigen Kamera vorbeigehen!
Bei Shootings verwende ich eigentlich immer zwei bis sechs verschiedene Kameras. Da ist es manchmal schwer, den Überblick zu behalten. Ohne Marisas und Kristinas kühle Köpfe und flinke Hände beim Filmwechseln wäre ich verloren!
Die Pentax 67 ist im Moment meine absolute Lieblingskamera! Wer einmal dieses monumentale Klicken gehört hat, ist ihr verfallen! Sie verbindet für mich die „Handlichkeit“ einer Spiegelreflex-Kleinbildkamera mit dem Mittelformat. Ich bin einfach nicht der Typ für Stative und die Pentax bietet mir – im Gegensatz zu meiner Mamiya – die Freiheit, aus der Hand zu schießen. Wobei ich mich nicht auf eine oder zwei Kameras festlegen kann, denn ich stimme die Kamerawahl meist auf das Projekt ab.
Was mich unter anderem auch an der analogen Fotografie begeistert: Die Kameras samt sehr guter Objektive sind einfach total leistbar und man bekommt eine top Ausrüstung zu einem super Preis!
Marisa Vranjes:
Mein größter Schatz ist meine Kiev 88 – vielen zu trashig, manchen zu unzuverlässig, mir aber die liebste. Ich habe sie etwa seit sechs Jahren und sie hat mir bis auf wenige Male immer gut gedient. Dass sie ihre Eigenheiten hat, kommt mir auch manchmal zu Gute. Außerdem habe ich durch sie das Quadrat lieben gelernt. Immer mit Normalobjektiv.
Sehr treu und verbunden ist mir auch meine „älteste“, weil am längsten im meinem Besitz, die gute Canon AE-1. Mit ihr habe ich alles gelernt, was eine Spiegelreflexkamera zu bieten hat. Außerdem ist sie beinahe nicht kaputt zu bekommen. Für das „schnelle Foto zwischendurch“ verwende ich am liebsten meine kleine Olympus XA 2. Die bemerkt man gar nicht!
Im Dunstkreis dieser beiden hübschen gibt es noch viele andere, deren Besonderheiten ich gern bewusst einsetze – die die meiste Zeit ehrlicherweise aber leider in einer Lade liegen und auf ihren Einsatz warten. Manchmal auch jahrelang.
Kristina Satori:
Ich liebe alle meine analogen Kameras! Allerdings habe immer wieder „fotografische Fieberzustände“, in denen ich ganz verliebt in die eine oder andere bestimmte Kamera bin und ständig nur mit dieser fotografiere. Im letzten Jahr gehörten die Canon AE-1 und die Canon 1V zu meiner Grundausstattung. Zusätzlich dazu benutze ich abwechselnd ein paar alte Mittelformat-, Kleinbild- und Sofortbildkameras. Eine Kamera, die ich ebenso schätze, ist die Mamiya RZ, die ich mir manchmal von Freunden ausborgen darf. Ich hatte im vergangenen Jahr auch die Ehre, die Voigtländer Bessa III auszuprobieren. Ein Heidenspaß – und so handlich!
Mein größter analoger Schatz, mein Baby, ist aber eine Holga. Diese Kamera ist einfach unglaublich! Mit etwas Übung lassen sich wirklich wundervolle Ergebnisse erzielen. Und das nicht nur im Portraitbereich. Durch ihre Einfachheit kann man verstärkt Einfluss auf das Ergebnis nehmen, etwas das technisch „bessere“ Kameras nicht (mehr) zulassen.
Für mein fotografisches Arbeiten gilt es allerdings zu sagen, dass eine gute Kamera nur die halbe Miete ist. Der wesentlich wichtigere Teil auf dem Weg zu einem guten Foto ist für mich ein guter Film. Deswegen bin ich bei der Beantwortung dieser Frage zu dem Schluss gekommen, dass meine eigentlichen analogen Schätze meine Filme sind. Ich besitze einige Filme, die nicht mehr hergestellt werden und die hüte ich wie meinen sprichwörtlichen Augapfel!
Vor jedem Shooting überlege ich mir genau, wie die Bilder technisch aussehen sollen, wie die Entwicklung sein soll und ob (und wenn ja wie) ich den Film manipulieren möchte. Nach diesen Kriterien entscheide ich, welchen Film ich verwende. Die Fotos, die ich auf diese Weise erhalte, sind mit einer digitalen Kamera in der digitalen Dunkelkammer selbst mit Filtern nicht erzielbar. Der Gedanke, dass jedes Foto, das ich mit so einem Film herstelle, das letzte seiner Art sein könnte, ist erschreckend und anspornend zugleich.
Versuchen wir nun noch ein bisschen mehr über Euch im Einzelnen herauszubekommen. Wie würdet Ihr jeweils die Arbeit der anderen beschreiben?
Katharina Reckendorfer:
Formal verbinde ich mit Marisas Fotografien sofort das Quadrat und das Thema Schwarzweiß-Fotografie. In ihrer vorsichtigen Art im Umgang mit dem zu fotografierenden Sujet schafft sie es jedoch jedes Mal, die Sache auf den Punkt zu bringen. Ihre fotografischen Samthandschuhe packen das Thema hart an und bringen den Bildinhalt dem Betrachter in einer intimen Nähe dar.
Kristinas Fotografien haben neben ihrer farbenfrohen und experimentierfreudigen Ebene immer auch eine nachdenkliche Seite. Sie ist in unserer Gruppe definitiv die „Magierin der Filme“ (und Entwicklungsmöglichkeiten) und hat unglaublich viele Erfahrungswerte auf diesen Gebieten gesammelt. Das Zusammenspiel dieser visuellen Überladenheit und Experimentierfreude und ihre gleichzeitige Feinfühligkeit für das Objekt machen ihre Arbeiten so spannend.
Bild: Marisa Vranjes
Marisa Vranjes:
Kristinas Arbeiten sind strukturiert und geplant, aber es besteht eine große Bereitschaft – beinahe schon Erwartung – für Unerwartetes darin. Experimentell – jedoch nicht im Sinne von „ich mach mal“, sondern gezielter Einsatz von Wissen und Können. Bunt, aber nicht schreiend. Inhalte zeigen große Introvertiertheit, die aber sehr spannend auf den Betrachter wirkt. Inhalte zeigen auch viel Gelassenheit.
Katharinas Arbeiten sind stilsicher und fühlen sich für den Betrachter immer „richtig“ an. Ungewolltes nie ungewollt, sondern hintergründig perfektionierte Vorarbeit, die später für das Auge Entspanntheit und Natürlichkeit vermittelt. Zart und gleichzeitig unglaublich kraftvoll – ästhetisch sowie auch inhaltlich. Neugierig auf mehr machend.
Kristina Satori:
Katharinas fotografischen Projekten geht immer eine sehr lange Planungsphase voraus, da sie ihre geistige Projektion des späteren Fotos zu 100% umsetzen möchte. Die unglaublich detailreiche Beschäftigung mit dem später zu fotografierenden Sujet macht es auch aus, dass sie beim Shooting selbst sehr konzentriert ist und vor allem auch sehr schnell arbeiten kann. Trotzdem umgibt Kathis Fotos eine Leichtigkeit, die nicht anmerken lässt, wie aufwändig deren Erstellung war. Ihre Bilder sind „märchenhaft-traumhaft“, organisch komplex und clean, eben einfach schön und warten nur darauf in der Vogue veröffentlicht zu werden.
Marisas bewundernswert idealistischer Zugang zur Fotographie schafft eine ungeheure Authenzität in ihren Bildern. Ihre Fotos haben die Kraft, die ganz großen Gefühle bis zum Betrachter zu transportieren. Selbst ein Bild, das auf den ersten Blick wie ein Schnappschuss wirkt, erzählt eine ganz lange wunderschöne Geschichte. Ihre Fotos sind sehr echt und überaus intim. Dennoch haben ihre Bilder nichts Voyeuristisches – die Porträtierten erscheinen niemals bloßgestellt.
Die analoggang verlost nämlich insgesamt fünf Print-Exemplare ihrer Diplomarbeit „play“. Wenn Du also Besitzer eines Exemplars sein möchtest, dann schreib an office (at) analoggang.at, Stichtwort: KWERFELDEIN, vielleicht mit einer kleinen Begründung, warum Du „play“ gern besitzen würdest.