Drei Wochen Jagd nach dem Licht
Im letzten Jahr war ich in Schottland, um die Landschaft zu fotografieren. Auf der Tour mit dem Auto durch den Norden Großbritanniens habe ich die dortige Natur kennengelernt. Und vor allem das Wetter. Dies ist ein Reisebericht davon.
Schottland. Ich wollte schon immer mal nach Schottland. Auch schon, als ich noch nicht fotografiert habe. Meine Vorstellung war eine dunkle, wenig bevölkerte Landschaft. Mitunter war es auch so. Als mich dann eine befreundete Fotografin fragte, ob ich für drei Wochen mitkommen wollte, musste ich nicht lange überlegen.
Nach einer Nacht auf der Fähre vom Amsterdam nach Newcastle begrüßte uns Großbritannien wie erwartet – grau und mit Regen. Es war von vornherein klar, dass wir die Kosten niedrig halten und mit Selbstverpflegung in Hostels übernachten wollten.
Sonnenaufgang in Talmine Beach – 08:22 Uhr
Ein paar Nächte hatten wir gebucht, aber unser Plan war, zu sagen: Wenn das Wetter nicht mitspielt, dann bleiben wir eben noch eine weitere Nacht. Nach einer Nacht in England und einem tollen Sonnenaufgang am Hadrians Wall fuhren wir Richtung Norden und damit nach Schottland. Es gibt wirklich viele sehenswerte Orte. Am Anfang gab es noch etwas Wald, aber je nördlicher wir kamen, umso weniger Bäume waren zu finden.
Wir standen zu fast jedem Sonnenaufgang auf, fotografierten oder scouteten den ganzen Tag und waren auch zum Sonnenuntergang noch draußen. An der Nordküste angekommen, hatten wir ein paar wirklich raue Tage, in denen auch die Stative an ihre Grenzen kamen. Allgemein wechselt das Wetter in Schottland sehr schnell. Regnete es mal, so konnte man einfach zehn Minuten warten und es war wieder vorbei.
Sonnenaufgang am Rua Reidh Leuchtturm – 08:10 Uhr
Die erste Woche war nun vorbei. Ich fühlte mich jetzt wirklich in Schottland angekommen, hatte mich langsam an das Wetter gewöhnt und war froh, noch zwei Wochen vor mir zu haben. Entlang der Westküste fuhren wir langsam Richtung Süden. So viele Motive, Strände, Berge, Seen und Felsen waren zu sehen.
In besonderer Erinnerung wird mir ein einsamer Leuchtturm bleiben, in dessen Wärterhaus wir übernachteten. Abgeschnitten vom Straßennetz wurde dieser früher nur vom Seeweg aus beliefert. Wir verbrachten hier zwei Nächte und waren froh, das Auto mal nicht benutzen zu müssen. Man fährt jeden Tag drei bis vier Stunden, sieht dabei zwar viel, sitzt aber trotzdem eben nur im Auto. Rundherum um den Leuchtturm gab es nichts als Felsen und Wiesen.
Ich hatte genug Zei,t um viele Studien in Form von Langzeitbelichtungen zu machen, Robben zu beobachten oder einfach nur mit dem Buch auf dem Bett zu verbringen. Weiter Richtung Süden. Die Isle of Skye lag vor uns. Auch hier ist die Landschaft beeindruckend, allerdings sind die Motive der bekannten Plätze „overphotographed“.
Sonnenuntergang in Elgol Beach – 17:10 Uhr
Schottland gehört sicher zu einer der meistfotografierten Gegenden Europas. Jedes Jahr kommen hier viele Landschaftsfotografen her, eben weil die Landschaft so beeindruckend ist. Man trifft auch an den bekannten Spots zu fast jedem Sonnenauf- oder untergang andere Fotografen an. Ich habe im Vorfeld versucht, mir nicht allzu viele Fotos anzuschauen, um nicht vorgefertigte Bilder im Kopf zu haben. Genau das ist aber sehr schwierig.
Man hat trotzdem bestimmte Plätze abgespeichert und fährt dann dorthin, um das Bild, das es schon unzählige Male gibt, noch einmal zu fotografieren. Ich höre Euch jetzt sagen: Ja, das stimmt, aber man macht es doch immer noch ein wenig anders; das Wetter ist anders oder man findet eine neue Komposition. Das stimmt zum Teil, aber dass die Bilder sich im Kopf bereits eingeprägt haben, hat auch den Grund, dass es bereits interessante Bildkompositionen, Stimmungen und Wetterverhältnisse sind.
In Schottland habe ich gelernt, dass mich diese „Collector Shots“ überhaupt nicht reizen. Landschaften zu bereisen, um dort Bilder „einzusammeln“, die schon gut gemacht wurden, finde ich einfach unkreativ.
Sonnenaufgang am Quirang – 09:15 Uhr
Die zweite Woche war vorbei, trotzdem lag für mich das Herz dessen, was ich mir an Stimmung in Schottland vorstellte, noch vor uns: Glen Coe. Es folgten zwei der seltenen Tage, an denen es in Glen Coe fast ganztägig regnete. Mit dem Buch in der Hand wartete ich den Regen im Auto ab. Denn die staatlichen schottischen Hostels haben den Nachteil, dass sie tagsüber geschlossen sind.
Das ist zum einen gut, denn man wird quasi gezwungen, raus zu gehen und etwas zu unternehmen, bei Mistwetter verbringt man dann aber leider die Zeit im Auto oder in einem Pub. Man kann in Schottland generell auch nicht schnell reisen, denn es gibt im Norden keine Autobahnen. Die meisten Straßen sind nur einspurig mit Ausweichen, so dass man für 100km gern mal 2,5 Stunden braucht.
Noch etwas anderes war für mich neu: Viele Wanderwege sind keine befestigten Pfade wie wir es aus Deutschland kennen, sondern eventuell gibt es einfach keinen Pfad und man läuft einfach über die Wiesen. Im Herbst sollte man immer wasserdichte Schuhe oder gleich Gummistiefel dabei haben, denn es ist überall nass.
Nachdem ich in Glen Coe die dunkle Atmosphäre aufnehmen konnte, genau so wie ich sie mir vorgestellt hatte, war ich auch froh, dass wir wieder zur Ostküste weiterfuhren.
Stürmischer Tag in Glen Coe – 13:37 Uhr
Es war nie schwer, ein Hostel zu bekommen, denn fast alle Hostels hatten Internet oder man konnte die nächste Übernachtung direkt an der Rezeption buchen. Im Gemeinschaftsraum lernt man jeden Abend neue Leute kennen, viele davon Reisende, die sich eine Auszeit von ihrem Leben nehmen.
Gerade gekündigt, Job verloren, Sabbatical, Weltreise, hier findet man alles. Auf die Frage, wie es in der Zukunft nach der Reise weitergehen wird, merkt man keine Furcht in den Antworten. „Ich werde schon irgendwo etwas Neues finden“, war meist die Antwort. Um Karriere, Lebenslauf oder ähnliches sorgt sich keiner.
In der Nähe des Bamburgh Castle verbrachten wir noch zwei Tage, um das Auto dann in Newcastle wieder auf die Fähre zu laden und den Heimweg anzutreten.