Neuseeland: Kurzbericht aus der Sicht eines Landschaftsfotografen
Würde man als Mitteleuropäer versuchen, Neuseelands Landschaft mit nur einem Wort zu beschreiben, käme dabei wohl folgender Zungenbrecher heraus: Irlanorwegschottalpen. Und in der Tat erinnert mich die Landschaft doch sehr an Irland, Norwegen, Schottland und die Alpen. Ein solch einfacher Vergleich mit Europa wird Neuseeland jedoch nicht gerecht, da die Landschaft dafür zu einzigartig ist.
Neuseeland besteht aus einer Nord- und einer Südinsel und ist von der Kultur her sehr europäisch geprägt. Man merkt, dass das Land Teil des englischen Commonwealth ist und obwohl es einer der am weitesten entfernten Orte auf diesem Planeten ist, den ein Mitteleuropäer bereisen kann, fühlte ich mich irgendwie gar nicht so weit weg.
Die Nordinsel
Coromandel
Vor knapp vier Jahren machte ich eine vierwöchige Reise von Mitte Oktober bis Mitte November nach Neuseeland. Mein erstes Ziel auf dieser Reise war, nach einem Kurzaufenthalt in Auckland, die Halbinsel Coromandel. So schön der Name klingt, so schön ist auch die Landschaft. Von Auckland kommend windet sich die Straße über sanfte Hügel und führte mich schließlich über eine spektakuläre Küstenstraße zu meinem ersten Campingplatz in Papaaroha.
Coromandel entzückt das Fotografenherz mit Buchten und Stränden wie aus dem Bilderbuch und lädt zum Verweilen ein. Die Halbinsel verließ ich bereits wieder nach einem Tag, was ich rückwirkend betrachtet als viel zu kurz empfinde. Wer die Möglichkeit hat, einmal auf die Halbinsel zu fahren, sollte mehr Zeit mitbringen als ich es getan habe – dafür ist es einfach zu schön dort.
Rotorua & Tongariro National Park
Es führte mich weiter über Rotorua, wo Geysire und blubbernde Schlammlöcher eine farbenfrohe Umgebung zaubern, zum Tongariro National Park. Dessen Landschaft ist nicht zuletzt aus der Filmtrilogie „Der Herr der Ringe“ bekannt.
Das spärlich besiedelte Land ist hier sehr weit und wird dominiert von der Vulkanlandschaft mit den beiden Vulkanen Mount Ngauruhoe und Mount Tongariro. Ich ersparte mir die 17km-Wanderung des berühmten Tongariro Crossing. Auf der Suche nach geeigneten Foto-Spots für die kommenden Sonnenauf- und -untergänge erkundete ich die Gegend stattdessen auf eigene Faust.
Egmont Nationalpark
Etwa 120 Kilometer westlich des Tongariro National Parks befindet sich der Egmont Nationalpark mit dem Vulkan Mount Taranaki. Aus der Luft gesehen formt er einen fast perfekten Kreis in die Landschaft – gut zu sehen zum Beispiel bei Google Maps.
Für mich persönlich ist Mount Taranaki der schönste Vulkan Neuseelands und auch die Gegend hier ist weitaus weniger touristisch geprägt als noch zuvor im Tongariro National Park. Blauer Himmel und Sonnenschein erwarteten mich am Mount Taranaki. Eine einheimische Frau sagte mir, dass ich wohl ein Glückspilz sei, denn so oft kommt es nicht vor, dass der Vulkan komplett frei von Wolken ist.
Glückspilz hin oder her, mir wäre es ehrlich gesagt lieber gewesen, wenn sich doch noch ein paar Wolken gezeigt hätten. Tragen diese doch in der Landschaftsfotografie sehr viel zur Stimmung bei.
Die Südinsel
Marlborough Sounds
Fotografisch war damit für mich die Nordinsel erkundet und ich nahm die Fähre zur Südinsel. Sogar einen Tag früher als geplant, da mich die Vielfalt der Südinsel noch mehr ansprach als die der Nordinsel.
So ging es gegen Abend mit der Fähre von Wellington nach Picton, wo ich nach Einbruch der Dunkelheit ankam. Am nächsten Morgen war es dann soweit: Der erste Blick im Licht der aufgehenden Sonne auf die wunderschönen Marlborough Sounds.
Die Marlborough Sounds bestehen aus einer Vielzahl von kleinen, grün bewachsenen (Halb-)Inseln, die durch fjordähnliche Wasserarme voneinander getrennt sind. Der Queen Charlotte Drive ist eine der wenigen Straßen, die an der Küste entlang führen und sehr empfehlenswert, da er sehr schöne Aussichten auf die Sounds bietet.
Von Picton kommend gibt es kurz vor Havelock eine Zufahrt zu einem kleinen Parkplatz, von dem aus sich die Schönheit der Marlborough Sounds sehr einfach fotografieren lässt.
Abel Tasman Nationalpark
Weiter ging es für mich Richtung Westen über die kurvenreiche Straße zum Abel Tasman Nationalpark. Auch hier finden sich, ähnlich wie auf der Halbinsel Coromandel, sehr schöne Buchten und einsame Sandstrände, die ebenfalls zum Verweilen und zum Fotografieren einladen.
Als Foto-Spot kommt unter anderem der etwas versteckte Split Apple Rock in Betracht. Es handelt sich um einen kleinen Felsen im Meer, der die Form eines in der Mitte geteilten Apfels hat.
Zum Fotografieren dieses skurrilen Felsens bietet sich der kleine Strand in der Towers Bay bei Marahau an. Den kann man über den Moonraker Way gut zu Fuß erreichen.
Ich war pünktlich zum Sonnenuntergang dort, was sich jedoch als keine so gute Idee herausstellte. Die untergehende Sonne wurde von einer Landzunge verdeckt, so dass das schöne Licht ausblieb. Aus diesem Grund ist es besser, diesen Spot am frühen Morgen zu besuchen.
West Coast
In Neuseeland gibt es im Vergleich zu Deutschland relativ wenige Straßen, so dass ich bei der weiteren Fahrt Richtung Süden eine Entscheidung zu treffen hatte: Geht es weiter Richtung Westen oder Osten?
Für mich eine leichte Entscheidung, da der westliche Teil der Südinsel einer der bekanntesten und schönsten Abschnitte Neuseelands ist. Jedoch wird in diesem Teil der Südinsel das Wetter auch stärker von den Bergen (Neuseeländische Alpen) und Gletschern beeinflusst, so dass es in diesem Gebieten oftmals mehr Niederschlag gibt.
Vom Norden her kommend nahm ich den State Highway 6. Entlang dieser Route erwartete mich eine atemberaubende Küstenstraße, die mit bizarren Felsformationen, wie den Pancake Rocks – einer Kalksteinformation, die wie aufgeschichtete Pfannkuchen aussieht – hervorsticht.
Westland Nationalpark
Weiter südlich treffen dann Gletscher auf Regenwald: „Franz Josef“ und „Fox Glacier“ im Westland Nationalpark sind von Regenwald umgeben und liegen nur einige Kilometer vom Strand entfernt. Sie sind leicht mit dem Wagen zu erreichen und es gibt Wanderwege, die bis zur Gletscherzunge führen.
Durch den Einfluss der Gletscher ändert sich das Wetter hier sehr schnell und die Berge sind oft wolkenverhangen. Wie gut, dass die Wege in Neuseeland oft sehr kurz sind. So war für mich die Fahrt zum nahe gelegenen Lake Mapourika für ein Sonnenuntergangsfoto schnell gemacht.
Eine Alternative wäre auch die nahe gelegene Küste gewesen, die ich aber wegen starker Sturmböen nicht aufgesucht habe.
Queenstown
Mein nächster Stopp nach der Durchfahrt des alpenähnlichen Mount Aspiring Nationalparks war die kleine Stadt Queenstown. Die Gegend um Queenstown herum ist so bunt wie die Stadt selbst, in der das Bungee-Jumping erfunden wurde. Eine schöne Übersicht über die kleine Stadt mit dem Lake Wakatipu im Hintergrund bekommt man von der Skyline-Aussichtsplattform. Diese erreicht man direkt mit der Gondelbahn von Queenstown aus.
Ein kleiner Geheimtipp ist die Crown Range Road, die durch das Cardrona Valley nördlich von Queenstown führt. Als eine der höchstgelegenen Passstraßen des Landes führt sie durch ein karges Hügelland und bietet hervorragende Aussichten auf die umgebende Bergwelt Neuseelands.
Diese Straße sollte man sich nicht entgehen lassen – ich kannte sie im Vorfeld auch nicht und nahm stattdessen den Highway. Erst durch den Tipp einer Touristin, die ich bei einem Ausflug kennen gelernt hatte, wurde ich darauf aufmerksam und fuhr die Strecke dann noch einmal.
Fjordland Nationalpark
Das nächste Ziel auf einer typischen Reise durch Neuseeland ist der Fjordland Nationalpark. Es handelt sich dabei um den größten Nationalpark Neuseelands. Er wird im Osten durch gewaltige Seen und im Westen durch namhafte Fjorde wie den Milford Sound und den Doubtful Sound geprägt.
Allerdings ist es für den normalen Touristen – also auch für mich – sehr schwierig, auf eigene Faust das Fjordland zu erkunden. Es gibt nur eine einzige öffentliche Straße, die zum Milford Sound führt. Diese ist aber absolut zu empfehlen, da der Milford Sound zu einem der Höhepunkte in Neuseeland gehört und die Aussichten entlang der Straße ebenfalls sehr fotogen sind.
In den Fjordlands war ich dann ein richtiger Glückspilz, da es hier normalerweise 300 Tage im Jahr regnet. Als ich dort war, begrüßten mich ein wolkenloser Himmel, Sonnenschein und kein einziger Tropfen Regen. Glück hatte ich auch mit den sonst in der Gegend sehr zahlreich vorhandenen Black Flies, die Anfang November offenbar noch nicht geschlüpft waren und mich deshalb beim Fotografieren nicht „auffraßen“.
Zum weiteren Kennenlernen der Fjorde kann man geführte Touren oder Hubschrauber-Rundflüge über das Fjordland buchen. Ein guter Ausgangspunkt für Erkundungen ist der Ort Te Anau, von dem aus auch die Straße in das Fjordland hinein führt. Etwas weiter südwestlich von Te Anau liegt der Lake Manapouri, an dem ich ebenfalls – in absoluter Stille – sehr schöne Aufnahmen machen konnte.
Catlins Conservation Park
Nach meinem Aufenthalt in den Fjordlands zog es mich schließlich Richtung Süden. Hier wird die Landschaft im direkten Vergleich zu vorher etwas langweiliger und aus diesem Grund stoppte ich erst wieder im Catlins Conservation Park. Ein neuer Park, eine neue Landschaft: Dichter Regenwald und unzählige Wasserfälle, wie die Matai Falls oder die Purakaunui Falls, sind hier zu finden.
Ich erwanderte das Gebiet auf eigene Faust und tauchte in den Regenwald ein. Regen ist hier für Fotografen übrigens kein Problem, sondern eher ein guter Helfer für schöne Fotos. Durch den Regen fließt viel Wasser in den Bächen und das wiederum lässt die Wasserfälle imposanter erscheinen. Zusätzlich bringt ein bedeckter Himmel auch einen geringeren Kontrast mit sich und durch die Verwendung eines Polfilters lässt sich das kräftige Grün des nassen Blattwerks besonders gut eingefangen.
Mount Cook Nationalpark
Fast am Ende meiner Reise angekommen, fuhr ich zum letzten von mir besuchten Nationalpark: Mount Cook. Der gleichnamige Berg Mount Cook ist die höchste Erhebung Neuseelands und die umgebende Landschaft wird massiv von der alpinen Region geprägt. Das Wetter wechselt sehr schnell und während meines Aufenthalts dort hatte ich das volle Programm, bestehend aus Sonnenschein, monsun-artigen Regenfällen und Schnee. Zum Fotografieren sind solche Bedingungen ideal, da sich immer wieder spektakuläre Lichtstimmungen ergeben.
Die lange Stichstraße, die in den Nationalpark hineinführt, beginnt am Lake Pukaki mit seiner unnatürlich wirkenden hellblauen Farbe. Am Ende der Straße angelangt, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Region zu erwandern. Ein schönes Ziel zu Fuß ist der Tasman Lake am Fuße des Tasman Glaciers, auf dem sehr fotogen vom Gletscher gelöste Eisschollen schwimmen.
Vom Mount Cook Nationalpark aus fuhr ich schlussendlich nach Christchurch, um wieder zurück nach Deutschland zu fliegen.
Neuseeland ist ein Land für Fotografen und Naturliebhaber. Es gibt kaum einen Punkt, an dem man kein schönes Fotomotiv findet. Die landschaftlichen Gegensätze sind gewaltig, vor allem gemessen an den relativ kleinen Abständen zueinander. Küsten, Strände, Regenwälder, Berge und Gletscher: Wo man in Europa viele tausend Kilometer und mehrere Länder bereisen müsste, liegt hier alles oftmals nur ein paar Kilometer voneinander entfernt.
Da bleibt vielleicht noch die lange Anreise von rund 35 Stunden inklusive Pausen und Transfers, die einen von dieser Reise abhalten – für die Rückreise benötigte ich sogar 66 Stunden, da der Flughafen in Dubai wegen Nebel gesperrt war. Wer jedoch einmal Neuseeland erlebt hat und dort war, wird wohl (wie ich) auf die Frage des Passkontrolleurs bei der Ausreise, ob ich denn wiederkommen werde, mit „Definitely!“ antworten.