11. Januar 2012 Lesezeit: ~4 Minuten

Francesca Woodman

Francesca Woodman, Ohne Titel, New York, 1979–80; Silbergelatineabzug; 11,4 x 11,4 cm; mit freundlicher Genehmigung von George und Betty Woodman; © George and Betty Woodman

Ich weiß nicht  mehr, wie ich auf die Fotografien von Francesca Woodman aufmerksam wurde, aber das Betrachten ihrer Bilder ließ in mir etwas zurück. Ihre surrealen Schwarzweiß-Welten hatten mich gepackt. Gedanklich folgte ich ihren Spuren und noch bevor ich etwas über ihr Leben und Werk las, glaubte ich, einen Teil von ihr schon zu kennen. Denn die Sprache, die sie mit ihren Fotos spricht, ist mir nicht unbekannt.

Francesca Woodman wuchs in Denver, Colorada in einer Künstlerfamilie auf und fand in der Fotografie schon frühzeitig eine Ausdrucksmöglichkeit. Als sie 13 war, entstanden ihre ersten Selbstportraits. Mit 17 Jahren besuchte sie die Rhode Island School of Design und konnte mit einem Stipendium für ein Jahr einen Auflandsaufenthalt in Rom finanzieren. Nach dem Abschluss ihres Studiums ließ sie sich in New York nieder und arbeite an einer Vielzahl von Fotografien und Experimentalfilmen.

Francesca Woodman, Self-portrait talking to Vince, Providence, Rhode Island, 1975–78; Silbergelatineabzug; 13 x 12,9 cm; mit freundlicher Genehmigung von George und Betty Woodman; © George und Betty Woodman

Ihr gesamtes Werk umfasst um die 500 bis 800 Fotografien sowie Experimentalfilme, man ist sich bei der Anzahl anscheinend nicht so sicher, aber das ist auch nicht relevant. Das Jahr 1981 ist jedoch wichtig, denn es ist das Jahr der Veröffentlichung ihres ersten Werkes „Some Disordered Interior Geometries“ und das Jahr, in dem sie sich im Alter von 22 Jahren das Leben nahm.

Ihre Arbeiten wirken auf mich manchmal verstörend, aber auch immer wieder sanft und fragend. Hauptthema der Fotos ist sie selbst oder ihre Freunde. Sie setzt sich und die Menschen in Verbindung mit den Dingen um sie herum. Der Mensch kann eins werden mit den Objekten oder verschwindet gar hinter ihnen. Mit Hilfe von Langzeitbelichtungen lässt sie den Menschen unwirklich und geisterhaft erscheinen. Licht und Schatten schaffen dabei oft eine surreale Grundstimmung.

Francesca Woodman, Ohne Titel, New York, 1979–80; Silbergelatineabzug; 9,8 x 9,8 cm; mit freundlicher Genehmigung von George und Betty Woodman; © George und Betty Woodman

Andere Bilder kommen dagegen ganz ohne surrealen Aspekt aus und wirken still und zurückhaltend. Ihren Bildern sieht man an, dass sie ohne den technischen Schnickschnack auskommt. Sie spielt mit den vorgefunden Lichtverhältnissen und kreiert dadurch eine Art Zwischenwelt, in der die Zeit nur langsam verfliegt. Sorgsam sind auch die kleinen Details arrangiert.

Wie gern hätte ich einen Menschen wie Francesca kennengelernt und Fragen über ihre Gedankenwelt gestellt, aber leider ist das nicht mehr möglich. Ihr Erbe sind nun die unzähligen Fotografien und Filme, über die viel geschrieben wurde.


Trailer des Films über die Künstlerfamilie Woodman von C. Scott Willis

Glücklicherweise ist Ende des letzten Jahres, im Rahmen einer Ausstellung in San Francisco und New York, ein Katalog über ihr Werk erschienen, den ich gern empfehle und jedem ans Herz lege, der sich durch ihre Fotografien angesprochen fühlt.

In ihm finden sich ihre Fotografien, unterteilt in Woodmans lokale Schaffenskraft: Rhode Island (1975-1978), Italien (1977-78), Mac Dowell Colony, Petersborough, New Hampshire (1980) und New York (1979-81). Viele bisher unpublizierte Arbeiten sowie Essays über ihr Leben und ihre kurze Schaffensperiode findet man im Katalog.

Francesca Woodman, Ohne Titel, Providence, Rhode Island, 1977–78; Silbergelatineabzug; 12,1 x 11,4 cm; The Black Dog Collection; © George und Betty Woodman

Und wer zufällig in den USA ist, dem sei die Ausstellung im San Francisco Museom of Modern Art bis zum 20. Februar 2012 und anschließend im Guggenheim Museum New York, vom 16. März bis 13. Juni 2012 ans Herz gelegt. Wer in Spanien ist, hat die Möglichkeit noch bis zum 21. Januar, auch in Madrid im La Fábrica Galería Bilder von ihr zu bewundern.

9 Kommentare

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  1. Hi Marit,

    das scheint wirklich eine interessante Fotografin gewesen zu sein. Schade eigentlich, dass es heute anscheinend nur noch wenige gute Künstler gibt, die surrealistisch in der Fotografie arbeiten (wobei es ja schon immer noch einige Genies wie Roger Ballen oder Jacques Schuhmacher gibt).
    Wenn Du Dich für die „alte“ Schule interessierst, dann gefallen Dir vielleicht die Sachen von Henriette Grindat, eine Schweizer Fotografin (1923 -1986), die schon fast vergessen war und kürzlich wiederentdeckt wurde. Sie hat zwar nicht nur surreal gearbiete, aber viel und insgesamt auch eine sehr eigene Bildsprache entwickelt. Hier ist ein art-Artikel über sie
    http://www.art-magazin.de/kunst/34515/henriette_grindat_berlin

    Wenn Du mehr Infos über sie haben möchtest, melde Dich gerne.

    • Hallo Martin,

      danke für den Hinweis mit Frau Grindat. Der Name war mir bisher unbekannt. Ich stolpere immer eher zufällig über diverse Fotografen deren Arbeiten mich anziehen. Suche nicht explizit danach :-) Werde mich aber mal genauer mit der von dir vorgestellten Dame auseinander setzen. Was ich bisher gesehen habe, sieht interessant aus.

  2. Was hat sie da in ihrem Mund?
    Wassertropfen?
    Wie hat sie das gemacht?

    Hab eben mal nach ihr gesucht. Wirklich faszinierende Bilder. Leider hat sie wohl die Grenze von Genie zum Wahnsinn überschritten …

    • Ich glaube, sie hat da ein Stück durchsichtiges Plastik im Mund. Oder ein ähnliches Material, das jemand bei der Herstellung halt in Kringeln gelegt hat. Vielleicht ein Reststück von irgendetwas.

      Zuerst dachte ich, es wäre vielleicht ein nachträglicher Effekt (auf dem Abzug), aber wenn man genau hinsieht, sieht man, dass es ihre Mundwinkel formt und auf ihrer rechten Wange ein Lichtreflex von dem Ding zu sehen ist.

  3. Blogartikel dazu: Was ist Inspiration und wo beginnt das Plagiat? › kwerfeldein - Fotografie Magazin | Fotocommunity