Buchrezension: global soul
Sich mit einer Serie von Fotografien auf die Suche nach so etwas wie einer Weltseele zu begeben, klingt nach einer großen Herausforderung. Der Fotograf Henrik Spohler ging dieses Wagnis ein und erarbeitete über einen Zeitraum von sechs Jahren eine Serie von 41 Bildern, die er in seinem Buch „global soul“ zusammenfasst.
Mit sezierendem Blick schaut er in die Produktionsstätten des Landes, die Orte, an denen die Güter unseres täglichen Bedarfs hergestellt werden. Es sind Orte, die eine kühle Aura, die etwas Befremdliches an sich haben.
Was wie die Vergegenständlichung einer Zukunftsvision aussieht, sind die Maschinenräume unserer Gegenwart. Ob es sich um das Fließband des Automobilproduzenten BMW, die Werkhalle von Airbus oder die Montagehalle des Mobiltelefonherstellers Siemens handelt; immer sind es Räume, in denen der Mensch nur eine Nebenrolle spielt, meist gar fehlt.
Könnte man die Bilder als Kritik an einer automatisierungsfanatischen Konsumgesellschaft lesen, so sind sie doch mehr als das. Mit diesen Bildern lenkt der Fotograf zum einen unseren Blick auf den Detailreichtum dieser hochkomplexen Anlagen.
Es sind zum anderen Bilder aus einem kryptischen Universum, die das Streben nach Effektivität und Perfektionierung thematisieren und uns darüber hinaus eine Ästhetik des Menschengeschaffenen offenbaren.
Genauso wie die Apparaturen, die er aufnimmt, bestechen Henrik Spohlers Bilder selbst durch Präzision. Es sind Werke mit dokumentarischem Charakter, analog, auf Planfilm belichtet, hochauflösend und beschreibend.
Bewusst scheint er die Normalbrennweite zu verwenden, um dem menschlichen Auge gleich – perspektivisch unverzerrt – abzubilden. Er nutzt das vorhandene gleichmäßige Kunstlicht ohne zusätzlich auszuleuchten.
Was zudem auffällt, ist, wie minimalistisch Farben in den Bildern zum Einsatz kommen. Meist sind es nur ein bis zwei Töne, die sich nüchtern pastellig auf einem Grund nahezu idealen Weißlichtes zerstreuen.
Den höchsten Grad an Abstraktion haben die Detailaufnahmen. Der Ausschnitt eines Solargenerators zur Erzeugung von Strom aus Sonnenenergie wirkt wie eine Grafik und entbehrt für den Betrachter jeder Möglichkeit einen konkreten Maßstab auszumachen.
Klarer stellt sich da schon die Hundertmeterspule Heftpflaster dar und Schläuche aus der Parfümproduktion wecken unweigerlich Assoziationen an kybernetische Wesen aus der Welt der Science-Fiction.
Ein grafisch besonders ästhetisches Bild ist das eines Rolls-Royce-Flugzeugmotors. Gelb akzentuierte Revisionsöffnungen in einer mattschwarzen Oberfläche werden hier überzogen von einem Geflecht aus Rohrleitungen, die den Laien nicht mal im Entferntesten erahnen lassen, nach welchem Ordnungsprinzip sie gelegt wurden.
Lässt man die Fotos in diesem Buch eine Weile auf sich wirken, kehrt man anschließend hypnotisiert aus einer Welt der Maschinen zurück. Vielleicht mit dem Gefühl, durch einen Blick hinter die Kulissen der Warenauslagen ein klitzekleines Bisschen vom Nervenzentrum unserer Gegenwart gesehen zu haben. Vielleicht auch mit dem Drang, einmal mehr über die Beziehung von Mensch und Maschine nachzudenken.
„global soul“* ist im Verlag Peperoni Books erschienen, umfasst 96 Seiten und kostet neu 36 Euro.
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