Insomnia
Es ist kurz nach sechs am Karlsruher Hauptbahnhof. Keine Spur von Müdigkeit in den Augen der Menschen, im Gegenteil. Hellwach laufen sie durch die Hallen; in der einen Hand den Kaffee, in der anderen das mobile Gerät.
Noch ist der Tag in Ordnung. Mittwoch – das Wochenende ist ein Stückchen weg, ordentlich Gas geben ist angesagt. Falls man mit den Kollegen unterwegs ist, wirft man dem Gegenüber kurze Brocken Nachrichten zu – Themen der Woche werden kurz angerissen. Japan, Libyen, Atompolitik. Doch es bleibt keine Zeit für eine tiefergehende Diskussion, die S-Bahn wartet nicht.
Um diese Uhrzeit ist noch Ü25, Kinder sind hier nicht auf den Beinen – Ausnahmen bestätigen die Regel. Krawatten, Lackschuhe, Winterjacken.
Züge spucken in kurzen Zyklen hektische Schwärme aus, die dann sofort in Richtung Ausgang schwirren. Packen von gefühlten hundert bis dreihundert Leuten durchdringen die Hallen, niemand bleibt stehen. Muss. Laufen. Schnell.
Ist so ein Menschenwirrwar vorbeigerauscht, verblüfft den Beobachter die Stille, die der tosende Schwarm zurückgelassen hat. Doch nur kurz – so scheint es, bis der nächste Zug pfeifend ruckartig alle Türen öffnet. Im Bahnhof herrscht Rauchverbot, dafür wird gleich nach dem sehnsüchtigen Erreichen der Ausgangstür schnell eine angesteckt – und zur S-Bahn gespurtet.
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Heute morgen konnte ich um fünf Uhr nicht mehr schlafen und habe mich spontan zum Bahnhof aufgemacht. Ich hatte schon unterwegs die Idee, die Hektik der Menschen aufzunehmen und vor Ort wurde mir auch klar, dass ich heute keine kurzen Belichtungszeiten einsetzen würde.
Vielmehr habe ich versucht, durch Panning und Mitziehen der Kamera bei geschlossener Blende (ƒ/10+ bei ISO 50) die Schnelligkeit mit der Festbrennweite (50mm) einzufangen. In Lightroom habe ich die Fotos dann zu einem einheitlichen Format beschnitten und lokale Kontrastkorrekturen angewandt.