21. April 2022

Scherenschnitt-Theater mit Selbstportraits

Die drohende Klimakatastrophe, die Pandemie, die gesellschaftlichen Umwälzungen und jetzt auch noch ein Krieg in Europa – die Welt, in der ich lebe, scheint sich radikal zu verändern. Echte Lösungen aus den diversen Dilemmata der Menschheit zeigen sich mir nicht und das macht mich ratlos und bedrückt mich.

Immer häufiger habe ich das Bedürfnis, von dieser Realität einen Schritt zurück zu machen und mich fotografisch mit dem Erlebten auseinanderzusetzen, mich ein Stück abzulenken und in meinem kreativen Tun zu verlieren. Es ist eine Art kreativer Eskapismus. Mein aktuelles Projekt ist mein kleines absurdes Theater, eine selbst angefertigte Miniatur-Bühne, auf der ich als Mini-Darsteller kleine Stücke aufführe.

Die dargestellten Stücke sind meine Auseinandersetzung mit der Welt um mich herum. Häufig enthalten die Szenen auch Bestandteile der Träume meiner Kindheit. Inspiriert zu dieser Fotoserie haben mich die surrealen Fotografien von Gilbert Garcin und die surreale Traumsequenz im Hitchcock-Thriller „Ich kämpfe um dich“, die von Salvador Dali entworfen worden war.

Die Mini-Bühne besteht aus verschiedenen Elementen, die ich mit Leichtschaumplatten aus dem Architekturbedarf konstruiert habe und die ich für jede Szene zusammenbaue: mal mit Fenster, mal mit Tür, einem Loch in der Decke oder im Boden. Auf diese Bühne stelle ich Puppenhausmöbel, angefertigte oder gekaufte, kleine Requisiten sowie die Mini-Scherenschnitte von mir. Für diese Scherenschnitte habe ich mich in verschiedenen Posen fotografiert, die Bilder in der passenden Größe auf Fotopapier gedruckt und ausgeschnitten.

Surreale Szene

Die Bühne beleuchte ich mit mehreren fein einstellbaren Studioleuchten. Wenn ich für bestimmte Szenen Qualm benötige, verwende ich den nikotinfreien Rauch einer E-Zigarette. Der Aufwand für die Vorbereitung meiner Bühnenstücke ist hoch, aber der Bau der Kulissen und Requisiten ist für mich ein ebenso großes Vergnügen wie das Fotografieren der Szenen.

Ich fotografiere meine Theaterstücke in Schwarzweiß, weil ich schon immer in Schwarzweiß geträumt habe. Die leichte Sepia-Tönung soll den Fotos eine nostalgische Wärme geben, als eine Art Reminiszenz an meine kindlichen Träume. Ich finde es sehr praktisch, dass ich als Theaterleitung, Regisseur, Bühnenbildner, Schauspieler bzw. Modell meines Mini-Theaters nahezu zeitlich, räumlich und von anderen unabhängig arbeiten kann.

Das Schöne ist auch, dass ich meiner Fantasie freien Lauf lassen kann. Mit den Scherenschnitten von mir kann ich mich in eine beliebige Position auf die Bühne bringen. Ich kann fliegen, auf hohen Leitern balancieren, in einer Wolke verschwinden und vieles andere mehr. Auf diese Weise kann ich surreale Szenen fotografieren, ohne zu den Mitteln des digitalen Composings greifen zu müssen.

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