Ich war noch nie in Indonesien. Wenn ich mir Fotos des Landes in der Bildersuche anzeigen lasse, sehe ich das leuchtende Blau des Meeres und grüne Palmen. Eine Farbexplosion, von der ich kaum glauben kann, dass sie real ist. Die Fotografin Tirta Winata lebt in Jakarta, der Hauptstadt von Indonesien. Ihre Naturaufnahmen ignorieren all diese Farben. Sie fotografiert in schwarzweiß und bleibt auch in ihren Motiven ganz minimalistisch.
Obwohl Tirta beruflich als Werbe- und Hochzeitsfotografin arbeitet, betrachtet sie sich selbst als Naturfotografin. Sie berichtet mir:
Ich liebe die Natur. Seit meiner Kindheit verbrachte ich meine Tage damit, die Fotografie zu erlernen, indem ich das Meer, die Berge und den Wald mit meiner Kamera festhielt. Wenn wir in einer Stadt mit all dem Trubel leben und arbeiten, merken wir manchmal nicht, dass wir unsere Kraft schnell verbrauchen und ausbrennen. Ich nutze die Fotografie als Therapieform, um mein inneres Wohlbefinden zu erhalten.
Inspiration findet sie nicht nur in der Natur selbst, sondern auch bei anderen Kreativen. Michael Kenna und Hiroshi Sugimoto nennt mir Tirta als Inspiration für die Einfachheit und den Minimalismus in ihren Bildern. Von ihnen habe sie gelernt, wie man sich auf das Wesentliche konzentriert und wie man die Komposition sauber hält. Technisch sieht sie sich von Ansel Adams beeinflusst. Sein Zonensystem hat sie in ihre digitale Arbeitsweise integriert. Aber auch neuere Fotografen wie Reuben Wu oder Benjamin Everett haben sie inspiriert, neue Möglichkeiten wie Drohnen oder die digitale Bildbearbeitung voll auszunutzen.
Auf meine Frage, warum sie ihre Bilder vorwiegend schwarzweiß hält, antwortet mir Tirta:
Ich fotografiere auch in Farbe, aber nicht so oft wie schwarzweiß. Das Problem mit Farbe ist, dass wir uns damit zu sehr an die Realität anhängen. Mit Farbe kann ich den Himmel nicht beliebig dunkler machen oder die Tonalität einiger Objekte so weit verändern, ohne sie unwirklich erscheinen zu lassen. Mit schwarzweiß kann ich die Ansicht entsprechend meiner Vision flexibler gestalten. Ich kann den Rotfilter leicht emulieren, um den Himmel dunkler zu machen, damit das Hauptmotiv auf dem Boden besser hervorsticht. Oder ich kann einen Wasserfall isolieren und zum Leuchten bringen, indem ich die umliegenden Blätter abdunkle. Wenn ich dies in der Farbfotografie mache, würde derselbe Tonwert die grünen Blätter falsch aussehen lassen.
Ein zweiter Grund ist vielleicht, dass ich teilweise farbenblind bin. Das ist nichts, auf das ich sehr stolz bin. Ich habe gesehen, wie andere ihre Fotos mit RGB-Kurve, Split-Ton-Schieberegler oder Farbrädern in Lightroom getönt haben. Ich schaffe das nicht, ohne ständig Angst zu haben, dass mein Foto „falsch“ wird. Vielleicht fotografiere ich eines Tages einfach nur auf Film.
Mehr von Tirtas Arbeiten findet Ihr auf ihrer Webseite und auf Instagram. Wenn Euch die Bilder genauso gut gefallen wie uns, dann könnt Ihr sie Euch auch an die Wand hängen, denn Tirta verkauft ihre Drucke und verschickt sie auch bis nach Deutschland.