Ein Jahr Food-Fotografie
Ich fotografiere seit über 15 Jahren Menschen – am liebsten Schwarzweißportraits. Dann begann die Corona-Pandemie und es war kaum noch möglich, mit Modellen zu arbeiten. Doch ich wollte die Kamera nicht einfach in den Schrank legen. Also was tun? Vor ein paar Jahren hatte ich an der Lette-Akademie in Berlin an einem Tagesworkshop zum Thema Food-Fotografie teilgenommen, das Thema dann aber nicht weiterverfolgt.
Beim Durchblättern von Kochbüchern – man(n) musste ja plötzlich wirklich alles selbst kochen – kam mir der Workshop wieder in den Sinn. Hinzu kam, dass ich beruflich ebenfalls mit Lebensmitteln zu tun habe. Und auch dabei musste im Lockdown digitalisiert werden. Food war also plötzlich das Modell der Stunde.
Aber was ist das eigentlich, Food-Fotografie? Es ist die „Inszenierung eines Nahrungsmittels bis hin zum Kunstwerk“, so erklärt es Wikipedia. Trotzdem würde ich mich bis heute immer noch nicht als Künstler bezeichnen.
Was inspiriert mich?
Hunger, Essen, Genießen, Kochbücher, Märkte, Zeitschriften, Instagram, Pinterest oder auch das Einkaufen im Supermarkt. Und meine bessere Hälfte mit ihren Wünschen!
Beleuchtung ist alles
Angefangen habe ich mit Tageslicht, aber durch die zeitliche Limitierung, vor allem in der dunklen Jahreszeit, bin ich schnell davon abgekommen. LED-Licht war für mich problematisch, weil der Boden im Homestudio nicht verklebt, sondern schwimmend verlegt ist, also immer leicht schwingt. Das bedeutet bei längeren Verschlusszeiten dann Verwacklungen.
Also habe ich, wie zuvor in der Portraitfotografie, mit Blitzlicht gearbeitet. Wobei etwa 90 % aller Bilder mit nur einer Lichtquelle entstanden sind. Ich orientierte mich aber auch mit Blitzlicht immer am Tageslicht, das ich mit Hilfe von Diffusoren und Softboxen simuliere.
Hardware
Ich fotografiere mit einer sieben Jahre alten Canon-Vollformatkamera. In der Food-Fotografie ist es völlig egal, wie viele Fokusfelder die Kamera hat und wie schnell der Autofokus ist. Ich fokussiere manuell mit Hilfe des Liveview. Auch der Dynamikumfang kann vernachlässigt werden, da ich die Kontraste im Vorfeld über Aufheller und Abschatter genau festlegen kann.
Hauptsächlich arbeite ich mit zwei Objektiven, einem 50 mm und einem 100 mm Makro, aber so langsam entwickelt sich ein altes Canon 90 mm TSE-Objektiv zu meinem Liebling, da ich damit die Schärfenebene exakt steuern kann.
Stativ
Egal – Hauptsache, es ist stabil. Ein Ausleger für die Draufsichten macht Sinn, aber dann sollte man auch an Gegengewichte denken, sonst kippt das Stativ um. Und das wäre ärgerlich und teuer.
Platzbedarf
Mir persönlich reichen fünf bis sechs Quadratmeter aus. Ich habe mir ein kleines Regal aus dem schwedischen Möbelhaus mit Rollen bestückt, in dem ich meine Lichttechnik und Hilfsmittel wie Klammern, Requisiten, kleine Spiegel oder Sprühflaschen lagern kann. Ein Set ist mit dieser Einheit sehr schnell auf- und platzsparend auch wieder abgebaut.
Hintergründe und Requisiten
Angefangen habe ich mit einer alten Tischplatte, aber in diesem Bereich ist im Laufe des vergangenen Jahres einiges dazu gekommen: Bedruckte Vinylhintergründe, eine alte Marmorplatte und selbst gestrichene Holzplatten – doch mein Liebling ist ein 20 Jahre altes Backblech.
Die Suche nach Requisiten und Geschirr kann schnell zur Sucht werden, auch lässt sich dabei viel Geld versenken. Dann kommen noch Servietten, Stoff, Handtücher und andere Accessoires dazu – je nach dem eigenen Geschmack!
Farbenlehre
Ich hatte bis dato – bei meinen Portraits – fast ausschließlich schwarzweiß fotografiert, habe mich also mit Farben nie auseinandergesetzt. Essen, Lebensmittel, Köstlichkeiten in Schwarzweiß sind aber relativ langweilig. Um die Farben gut zur Geltung bringen zu können, habe ich angefangen, mich mit Farbkreisen zu beschäftigen.
Foodstyling
Das Foodstyling versuche ich immer so schlicht wie möglich zu halten. Ich bin kein Freund von überladenen Bildern, weniger ist mehr. Auch der Teller sollte nicht überfrachtet werden. Zum Foodstyling gehört auch das Geschirr. Ich verwende nur einfarbiges, mattes Geschirr, um den Bildeindruck so ruhig wie möglich zu gestalten.
Oft lockere ich das Ganze noch mit einer Serviette oder einem Geschirrtuch auf – gerne Ton in Ton. Und zum Schluss verfeinere ich noch mit Kräutern oder Gewürzen. Es heißt üben, üben, üben – ein Traum von mir wäre es, einmal mit professionellen Foodstylist*innen zusammenzuarbeiten.
Bildaufbau
Es gibt viele Werkzeuge, um den Blick der Betrachtenden zu lenken, zum Beispiel die Drittelregel, die Fibonacci-Spirale, die S-Kurve oder das „goldene Dreieck“. Ich fertige zuerst eine Skizze an, in der ich auf dem Papier den Bildaufbau festlege. Nachdem ich alles auf dem Hintergrund platziert habe, mache ich ein Foto und kontrolliere es dann in Capture One, um eventuell noch ein paar Dinge zu korrigieren.
Diese Vorbereitungen laufen als „Trockenübung“, also ohne Speisen – die werden durch Dummys ersetzt. Erst wenn alles bei Belichtung und Komposition passt, markiere ich den Teller, arrangiere die Speisen auf dem Teller und dann mache ich nur ein Bild – danach wird erst einmal gegessen.
Komposition
Hoch- oder Querformat und dann die Frage der Perspektive. Man unterscheidet zwischen der Frontalperspektive, der 45°-Perspektive und der Draufsicht (Topview). Je nachdem, welches Bild ich im Kopf habe, lege ich mich zu Beginn auf eine Perspektive fest, in der die Kamera auf dem Stativ steht. Nachdem ich mein Bild gemacht habe, nehme ich die Kamera vom Stativ und mache noch ein paar weitere Bilder aus verschiedenen Perspektiven.
Bildbearbeitung
Ich fotografiere ausschließlich im RAW-Format. 90 % der Bildbearbeitung erledige ich mit Capture One, der Software, die ich auch für Tethered Shooting, also „kabelgebundenes Fotografieren“ nutzte, um die Bilder direkt am Rechner zu beurteilen. Den letzten Schliff bekommen die Bilder dann in Affinty Photo, wo ich nur noch ein paar Retuschearbeiten erledige.
Am Anfang habe ich auch ein paar Presets von bekannten Fotograf*innen gekauft, aber heute benutze ich diese nicht mehr, da ich jedes Bild nach meinen persönlichen Vorstellungen bearbeite. Ich möchte keine Kopie anderer erstellen.
Der eigene Stil
Dabei bin ich immer noch nicht an meinem Ziel angekommen, bin sozusagen noch auf der Reise. Das ist für mich die spannendste Herausforderung, aber so langsam kristallisiert sich für mich der minimalistische Moodylook heraus. Ich arbeite daran, denn der lässt sich noch viel stärker verfeinern, klären, puristischer gestalten.
Also, liebe Suchende, schnappt Euch die Möhre, das Steak, den Muffin und probiert es aus!
Hallo Wolfgang,
vielen Dank für den anregenden Artikel und die super Bilder!
Das schwarz in schwarz gefällt mir sehr, der schwarze Hintergrund und das Geschirr passt hervorragend zu Food. Was mir auch gut gefällt, du schneidest sehr oft Teile der umgebenden Gefäße und Dekoration ab, das werde ich auch mal versuchen. Meine Tochter hat nur schwarzes Geschirr, daran habe ich also keinen Mangel :)
Auch das Licht gefällt mir sehr, ich denke schon sehr lange über einen großen Diffusor nach, wäre sicher eine gute Alternative zu Softboxen.
Einzig das Hochformat ist nicht so meins, ich verwende meistens lieber Querformat oder schneide auch dass normale 2:3 Format dem Motiv entsprechend. Mein Objektiv bisher war auch ein 85mm tilt/shift, das 85mm PC von Nikon. Seit ein paar Wochen habe ich aber mit der Hasselblad 907X die Möglichkeit des automatischen focus stacking und die Ergebnisse sind überzeugend. Damit habe ich später alle Möglichkeiten, mir das Bild oder die Bilder auszuwählen, die mir genau den gewünschten Schärfeteil geben – oder auch nur ein einzelnes Bild zu benutzen.
Noch einmal herzliche Dank für die Anregungen!
VG Dierk
meine Food Bilder sind unter meinem Namen zu finden
Dierk, ich finde bei deinen Bildern die Rahmen sehr nervig.
Hallo,
Vielen Dank für deinen Kommentar.
Grüße Wolfgang
Blogartikel dazu: Kleinigkeiten
Sehr interessant, und ganz tolle Fotos.
„RAW-Format … Capture One … Tethered Shooting … Affinty Photo“? Ich denke, das spielt keine Rolle. Ich wette, das Ganze kann man auch mit Photoshop Elements oder sonstigen Billigprogrammen in JPEG machen.
Deine Bilder sind sehr sorgsam komponiert und wirken wunderbar ruhig.
Natürlich würde das auch mit anderen Programmen funktionieren, aber ich wollte hier meinen Workflow aufzeigen.
Und Affinity Photo ist günstiger als Photoshop Elements.
Vielen Dank für dein Feedback
Oh, Affinity Photo kostet weniger als Elements … dann lag ich ja total falsch!
Hab das mit irgendwas verwechselt, sorry.
Wollte nur sagen, dass das Wichtigste an deinen Fotos sicher die Komposition ist.
Bei den leckeren Bildern könnte es bei uns in der Tat passieren dass wir schon vorher alles aufessen bevor es die Kamera zu Gesicht bekommt. :-)
Wie immer sehr schön beschrieben, gut nachvollziehbar und leicht umsetzbare Tips. Ein Mehrwert für jeden der sich an die ersten leckeren Bilder in der Food-Fotografie machen möchte.
LG Peggy & Chris
Oh jeeee… Die Bilder sind einfach Phantastisch! Es ist ein kulinarisches und Fotografisches Highlight für mich… <3