Feldsalat mit Tomaten
01. April 2021 Lesezeit: ~6 Minuten

Ein Jahr Food-Fotografie

Ich fotografiere seit über 15 Jahren Menschen – am liebsten Schwarzweißportraits. Dann begann die Corona-Pandemie und es war kaum noch möglich, mit Modellen zu arbeiten. Doch ich wollte die Kamera nicht einfach in den Schrank legen. Also was tun? Vor ein paar Jahren hatte ich an der Lette-Akademie in Berlin an einem Tagesworkshop zum Thema Food-Fotografie teilgenommen, das Thema dann aber nicht weiterverfolgt.

Beim Durchblättern von Kochbüchern – man(n) musste ja plötzlich wirklich alles selbst kochen – kam mir der Workshop wieder in den Sinn. Hinzu kam, dass ich beruflich ebenfalls mit Lebensmitteln zu tun habe. Und auch dabei musste im Lockdown digitalisiert werden. Food war also plötzlich das Modell der Stunde.

Aber was ist das eigentlich, Food-Fotografie? Es ist die „Inszenierung eines Nahrungsmittels bis hin zum Kunstwerk“, so erklärt es Wikipedia. Trotzdem würde ich mich bis heute immer noch nicht als Künstler bezeichnen.

PfannkuchenKuchen

Was inspiriert mich?

Hunger, Essen, Genießen, Kochbücher, Märkte, Zeitschriften, Instagram, Pinterest oder auch das Einkaufen im Supermarkt. Und meine bessere Hälfte mit ihren Wünschen!

Beleuchtung ist alles

Angefangen habe ich mit Tageslicht, aber durch die zeitliche Limitierung, vor allem in der dunklen Jahreszeit, bin ich schnell davon abgekommen. LED-Licht war für mich problematisch, weil der Boden im Homestudio nicht verklebt, sondern schwimmend verlegt ist, also immer leicht schwingt. Das bedeutet bei längeren Verschlusszeiten dann Verwacklungen.

Also habe ich, wie zuvor in der Portraitfotografie, mit Blitzlicht gearbeitet. Wobei etwa 90 % aller Bilder mit nur einer Lichtquelle entstanden sind. Ich orientierte mich aber auch mit Blitzlicht immer am Tageslicht, das ich mit Hilfe von Diffusoren und Softboxen simuliere.

SalatPasta mit Gemüse

Hardware

Ich fotografiere mit einer sieben Jahre alten Canon-Vollformatkamera. In der Food-Fotografie ist es völlig egal, wie viele Fokusfelder die Kamera hat und wie schnell der Autofokus ist. Ich fokussiere manuell mit Hilfe des Liveview. Auch der Dynamikumfang kann vernachlässigt werden, da ich die Kontraste im Vorfeld über Aufheller und Abschatter genau festlegen kann.

Hauptsächlich arbeite ich mit zwei Objektiven, einem 50 mm und einem 100 mm Makro, aber so langsam entwickelt sich ein altes Canon 90 mm TSE-Objektiv zu meinem Liebling, da ich damit die Schärfenebene exakt steuern kann.

Stativ

Egal – Hauptsache, es ist stabil. Ein Ausleger für die Draufsichten macht Sinn, aber dann sollte man auch an Gegengewichte denken, sonst kippt das Stativ um. Und das wäre ärgerlich und teuer.

HeidelbeerenOrangen mit Fenchel und Dill

Platzbedarf

Mir persönlich reichen fünf bis sechs Quadratmeter aus. Ich habe mir ein kleines Regal aus dem schwedischen Möbelhaus mit Rollen bestückt, in dem ich meine Lichttechnik und Hilfsmittel wie Klammern, Requisiten, kleine Spiegel oder Sprühflaschen lagern kann. Ein Set ist mit dieser Einheit sehr schnell auf- und platzsparend auch wieder abgebaut.

Hintergründe und Requisiten

Angefangen habe ich mit einer alten Tischplatte, aber in diesem Bereich ist im Laufe des vergangenen Jahres einiges dazu gekommen: Bedruckte Vinylhintergründe, eine alte Marmorplatte und selbst gestrichene Holzplatten – doch mein Liebling ist ein 20 Jahre altes Backblech.

Die Suche nach Requisiten und Geschirr kann schnell zur Sucht werden, auch lässt sich dabei viel Geld versenken. Dann kommen noch Servietten, Stoff, Handtücher und andere Accessoires dazu – je nach dem eigenen Geschmack!

Klemmbrett mit SkizzeStudioaufbau

Farbenlehre

Ich hatte bis dato – bei meinen Portraits – fast ausschließlich schwarzweiß fotografiert, habe mich also mit Farben nie auseinandergesetzt. Essen, Lebensmittel, Köstlichkeiten in Schwarzweiß sind aber relativ langweilig. Um die Farben gut zur Geltung bringen zu können, habe ich angefangen, mich mit Farbkreisen zu beschäftigen.

Foodstyling

Das Foodstyling versuche ich immer so schlicht wie möglich zu halten. Ich bin kein Freund von überladenen Bildern, weniger ist mehr. Auch der Teller sollte nicht überfrachtet werden. Zum Foodstyling gehört auch das Geschirr. Ich verwende nur einfarbiges, mattes Geschirr, um den Bildeindruck so ruhig wie möglich zu gestalten.

Oft lockere ich das Ganze noch mit einer Serviette oder einem Geschirrtuch auf – gerne Ton in Ton. Und zum Schluss verfeinere ich noch mit Kräutern oder Gewürzen. Es heißt üben, üben, üben – ein Traum von mir wäre es, einmal mit professionellen Foodstylist*innen zusammenzuarbeiten.

WindbeutelSchokolade

Bildaufbau

Es gibt viele Werkzeuge, um den Blick der Betrachtenden zu lenken, zum Beispiel die Drittelregel, die Fibonacci-Spirale, die S-Kurve oder das „goldene Dreieck“. Ich fertige zuerst eine Skizze an, in der ich auf dem Papier den Bildaufbau festlege. Nachdem ich alles auf dem Hintergrund platziert habe, mache ich ein Foto und kontrolliere es dann in Capture One, um eventuell noch ein paar Dinge zu korrigieren.

Diese Vorbereitungen laufen als „Trockenübung“, also ohne Speisen – die werden durch Dummys ersetzt. Erst wenn alles bei Belichtung und Komposition passt, markiere ich den Teller, arrangiere die Speisen auf dem Teller und dann mache ich nur ein Bild – danach wird erst einmal gegessen.

MelonenstückeMinze

Komposition

Hoch- oder Querformat und dann die Frage der Perspektive. Man unterscheidet zwischen der Frontalperspektive, der 45°-Perspektive und der Draufsicht (Topview). Je nachdem, welches Bild ich im Kopf habe, lege ich mich zu Beginn auf eine Perspektive fest, in der die Kamera auf dem Stativ steht. Nachdem ich mein Bild gemacht habe, nehme ich die Kamera vom Stativ und mache noch ein paar weitere Bilder aus verschiedenen Perspektiven.

Bildbearbeitung

Ich fotografiere ausschließlich im RAW-Format. 90 % der Bildbearbeitung erledige ich mit Capture One, der Software, die ich auch für Tethered Shooting, also „kabelgebundenes Fotografieren“ nutzte, um die Bilder direkt am Rechner zu beurteilen. Den letzten Schliff bekommen die Bilder dann in Affinty Photo, wo ich nur noch ein paar Retuschearbeiten erledige.

Am Anfang habe ich auch ein paar Presets von bekannten Fotograf*innen gekauft, aber heute benutze ich diese nicht mehr, da ich jedes Bild nach meinen persönlichen Vorstellungen bearbeite. Ich möchte keine Kopie anderer erstellen.

SchokoladeSektgläser

Der eigene Stil

Dabei bin ich immer noch nicht an meinem Ziel angekommen, bin sozusagen noch auf der Reise. Das ist für mich die spannendste Herausforderung, aber so langsam kristallisiert sich für mich der minimalistische Moodylook heraus. Ich arbeite daran, denn der lässt sich noch viel stärker verfeinern, klären, puristischer gestalten.

Also, liebe Suchende, schnappt Euch die Möhre, das Steak, den Muffin und probiert es aus!