20. November 2020 Lesezeit: ~7 Minuten

Landschaftsfotos bei klarem Himmel

Wer im letzten Jahr verfolgt hat, welche Neuheiten im Bereich der Bildbearbeitungssoftware veröffentlicht wurden, wird vermutlich festgestellt haben, dass die Tendenz bei den Features klar in Richtung Künstliche Intelligenz geht. AI ist mittlerweile ein Schlagwort, das für fast alles verwendet wird, was irgendwie automatisch passiert.

Einige dieser AI-Features sind sehr hilfreich und unterstützen uns tatsächlich dabei, qualitativ hochwertigere Fotos zu erstellen – zum Beispiel intelligente Rauschreduzierung und bessere Algorithmen zum Schärfen und Vergrößern von Fotos. Andere Features zielen darauf ab, per Klick aus einem vermeintlich langweiligen Foto ein spektakuläres zu machen. Besonders bei Funktionen wie dem Ersetzen des Himmels scheiden sich die Geister.

Natürlich war das an sich schon immer möglich, erforderte jedoch ein gewisses Können und war deshalb nicht ganz so verbreitet. Auch war es in vielen Fällen nicht schwer, die Manipulation zu entlarven. Das wird sich aber in Zukunft ändern und ich denke, wir werden immer weniger Fotos mit klarem Himmel sehen.

Ein Grund mehr, genau solche Fotos im Portfolio zu haben. Die Natur ist eben nicht nur voll mit dramatischen Sonnenauf- und -untergängen. Und obwohl ich selbst genau solche Fotos liebe, nehme ich gern eine ruhige, entspannte Stimmung wahr und bewahre diese dann auch in meinen Fotos.

Warum soll ich den Himmel in einem meiner Fotos ersetzen und damit meine Erinnerung an einen Moment verfälschen? Lieber suche ich nach Motiven, die mit einem wolkenlosen Himmel harmonieren. Einige davon möchte ich nun zur Inspiration mit Euch teilen.

Formen in der Landschaft

Es liegt nahe, bei einem wolkenlosen Himmel den Fokus auf die Landschaft zu legen. Das funktioniert sehr gut mit einem Teleobjektiv. Der Himmel kann dann noch einen kleinen Bereich im Foto einnehmen oder man komponiert das Foto ganz ohne Himmel.

Wüste

Sahara Glow

Bei diesem Foto der Erg Chigaga in Marokko habe ich mich auf die Formen der Dünen konzentriert, die vom Licht der tiefstehenden Sonne wunderschön hervorgehoben wurden. Jedoch wollte ich auch die Weite der Wüste zeigen und den Blick in die Ferne zulassen. Der schmale Streifen goldenen Himmels bietet genau den richtigen Abschluss: Die Landschaft geht durch den in der Ferne zunehmenden Dunst fast fließend in ihn über.

Von einem dramatischen Himmel hätte dieses Foto nicht profitiert. Trotz fehlender Wolken ist es eines meiner Lieblingsfotos aus der Wüste. Solche Fotos funktionieren jedoch nicht überall. Ideal lassen sich diese Teleansichten von einem leicht erhöhten Standpunkt aus fotografieren, hügelige und bergige Landschaften bieten sich an. Dort lohnt es sich, immer ein Teleobjektiv dabei zu haben.

Ruhe und Harmonie

Ebenfalls in der Erg Chigaga habe ich das nächste Foto aufgenommen. Wie fast immer war der Himmel wolkenlos. Es war ein sehr entspannter Morgen: kaum Wind, Stille, schier unendliche Weite. Ich finde, so etwas darf auch in einem Foto gezeigt werden. Wolken benötigt dieses Foto für mich nicht.

Damit solche Fotos funktionieren, ist eine gewisse Balance nötig: Ein klarer Himmel enthält kaum Kontraste – einzig mit Farbkontrasten und Verläufen kann ich in so einem Fall Tiefe erzeugen. Würde ich einem so einfachen Himmel nun einen chaotischen Vordergrund mit vielen Details gegenüberstellen, entstünde keine Harmonie im Foto.

Mit einem ebenso klaren Vordergrund kann ich jedoch ein ausgeglichenes Bild komponieren, das Ruhe ausstrahlt. Und manchmal ist es genau diese Ruhe, die ich in meinen Fotos einfangen möchte.

Wüste

Desert Reverie

Ein weiteres Beispiel ist das nächste Foto, aufgenommen auf Sardinien. Zunächst war ich enttäuscht, an diesem Morgen keinen spektakulären Sonnenaufgang fotografieren zu können, denn ein paar leuchtende Wolken hätten sicher gut zu den markanten Felsen im Vordergrund gepasst.

Für die nötige Harmonie sorge ich allerdings mit einer Langzeitbelichtung, die das Wasser optisch komplett glättet. So ziehen sich die klaren Bereiche vom Himmel über den Mittelgrund bis in den Vordergrund und die Felsen leiten beim Betrachten zusammen mit der Insel im Hintergrund den Blick.

Landschaftsaufnahme einesSteinstrand mit Sonnenuntergang

Tavolara

Ähnlich ist es bei dem folgenden Foto aus dem Stubaital: Der klare Himmel mit seinem kitschigen Farbverlauf spiegelt sich in den Laken im Vordergrund wider. Drumherum findet sich eine saftige Bergwiese, die sehr aufgeräumt wirkt und mit der grün-gelblichen Farbe einen schönen Farbkontrast zum Magenta im Himmel bietet.

Auch dieses Foto hätte von dramatisch leuchtenden Wolken am Himmel nicht profitiert, die Stimmung wäre eine ganz andere gewesen. Ich hätte einen kontrastreicheren Vordergrund finden müssen und das Bild vermutlich auch deutlich weitwinkliger komponiert.

Landschaftsaufnahme mit pinkem Himmel

Stubai Dawn

Sterne

Wenn ich mit einem ganz leerer Himmel fotografisch nichts anfangen kann, dann plane ich ein Nachtfoto. Je nachdem, wo die Milchstraße in der Nacht über den Himmel zieht oder Planeten leuchten, gibt es genug Details im Himmel, für die ich einen passenden Vordergrund finden kann.

Da der Himmel durch das Licht der Sterne viel interessanter wirkt und die Aufmerksamkeit auf sich zieht, kann auch der Vordergrund mehr Details enthalten. Zeigt sich die Milchstraße im Foto, versuche ich Elemente im Vordergrund zu finden, die mit ihr harmonieren. Überladen sollte ich so ein Foto jedoch auch nicht, erneut kommt es auf die richtige Balance und Stimmung an.

Ich bin kein großer Fan von dramatischen Fotos der Milchstraße, in denen der Himmel leuchtet und die Milchstraße vor Farbe und Kontrasten nur so strotzt. Nachtfotos dürfen für mich ruhig dezenter sein. Vollen Realismus strebe ich aber auch nicht an – dann wäre der Vordergrund schwarz und das Foto uninteressant.

Landschaftsaufnahme mit Milchstraße

Eine Alternative zu einem Milchstraßenfoto sind für mich Sternspuren. Oft wende ich diese Technik nicht an, aber wenn die Bewegung der Sterne im Bogen auf mein Motiv zeigt, kann so ein Foto für mich funktionieren. Zu viele und lange Sternspuren sollten es aber auch nicht sein, dann wirkt der Himmel schnell überladen und der Vordergrund kann kaum noch mithalten.

Die Elemente im Foto müssen für mich zusammenpassen und dabei spielt es keine Rolle, ob ich unter einem klaren Himmel, einem Sternenhimmel oder einem dramatischen Himmel fotografiere. Motiv, Komposition und Licht sollten für ein gutes Foto eine Einheit bilden. Und für manche Motive unterstützt gerade ein klarer Himmel die Komposition und liefert das richtige Licht.

Landschaftsaufnahme mit verzogenen Sternen

Sardinian Nights

Zum Abschluss möchte ich noch auf ein Video in meinem Youtube-Kanal hinweisen (englische Sprache), in dem ich weitere Rezepte vorstelle, mit denen ich versuche, bei klarem Himmel gute Fotos zu machen. Denn, wie bereits angesprochen, gehören auch solche Fotos ins Portfolio. Den Drang, mit Hilfe von AI solche Himmel auszutauschen, verspüre ich deshalb nicht.

8 Kommentare

Schreib’ einen Kommentar

Netiquette: Bleib freundlich, konstruktiv und beim Thema des Artikels. Mehr dazu.

  1. Da hat sich doch noch ein kleiner Übersetzungsfehler eingeschlichen…
    „Der klare Himmel mit seinem kitschigen Farbverlauf spiegelt sich in den Laken im Vordergrund wider.“
    Vielleicht wäre es sinnvoll die „Laken“ durch „Wasserflächen“ zu ersetzen ;)

      • Hm, ich kannte nur Bettlaken und Salzlake für Heringe und Gurken (o.ä). Die Bedeutung Lake = Brackwasser (0,1-1% Salzgehalt, in einingen Gegenden bs 3%) kannte ich bis eben auch nicht. Wieder was gelernt. ;)

  2. Für mich muss ein Foto glaubwürdig sein.
    Es gibt einen sehr erfolgreichen jungen Foto-Reise-Blog, der u.a. dafür wirbt, wie man Bilder so bearbeitet, dass aus einem langweiligen ein spannendes bild wird.

    Die Folge bei mir: Ich traue dem Inhalt und den Bildern dieses Blogs nicht mehr, weil er etwas anderes darstellt als selbst erlebt. ich selbst gehe einen anderen Weg. Ich bearbeite Bilder gar nicht. Sie sollen authentisch sein.

    Geschadet hat es meiner Resonanz bisher nicht.

  3. Die digitale Landschaftsfotografie manövriert sich in meinen Augen zusehends in eine Sackgasse. Die Reizüberflutung ist inzwischen zum Standard geworden. Jedes weitere Drehen an den üblichen Schrauben wirkt nur noch grotesk. Ich hatte mich da selbst eine ganze Weile mittreiben lassen aber nun wieder zur analogen Großformatfotografie zurückgefunden. Mittlerweile freue mich an den realistischen Provia Filmen auf dem Leuchttisch, an denen man sich irgendwie nie sattsehen kann. Und dass der Himmel damals genau SO war, ist garantiert ;-)

    PS: Michael, Deine Techniken sind herausragend. Das steht außer Zweifel…

  4. Bildbearbeitung ist ja ein schmaler Grat. Warum bearbeitet man Bilder? Ich mache mal einen Versuch:

    1.Bildbearbeitung schließt den Vorgang der Aufnahme ab. In diesen Bereich fallen für mich die Feinkorrektur des Ausschnitts, Korrektur von stützenden Linien, Horizont oder Objektivfehlern sowie Feinkorrektur der Belichtung, einschließlich globaler Steuerung der Schatten und Lichter.

    2. Bildbearbeitung verstärkt eine Aussage, lässt andere leichter das Bild sehen, das ich in einem Motiv sah. In diese Kategorie fallen Verläufe und Vignetten, das selektive Spiel mit Klarheit, Sättigung, Farbe und Schärfung und kleine Korrekturen mit dem Reparaturstempel. Hier gilt es bereits, sehr vorsichtig zu sein. Trotzdem ist das für mich Teil des Weges von der Aufnahme zum Bild. Ich empfehle dazu alte Bücher von David DuChemin.

    Womit ich (!) nichts anfangen kann, sind Montagen, die die Bildinhalte grundsätzlich verändern. Neue Himmel zum Beispiel. Ich verstehe aber, wenn jemand ganz bewusst solche Montagen machen möchte. Hier lege ich großen Wert darauf, dass der Eingriff offensichtlich ist. Traumwelten. Nichts dagegen. Schwierigkeiten habe ich mit Bildern, die im Sinne einer Fälschung verändert werden.

    Bleibt alle gesund und zuversichtlich!