Leuchtturm im Sonnenuntergang
29. September 2020 Lesezeit: ~7 Minuten

Landschaftsfotografie in Deutschland

Lehrbücher zum Thema Landschaftsfotografie werden oft mit Bildern exotischer Reiseziele wie dem Grand Canyon, Patagonien, Island oder den Lofoten illustriert, so dass man gelegentlich den Eindruck hat, wirklich gute Bilder könnten nur in unberührten Landschaften weitab unserer mitteleuropäischen Regionen entstehen.

Das wollte ich ändern und zeigen, dass man für großartige Landschaftserlebnisse nicht unbedingt in die entlegenste Ferne reisen muss, denn beeindruckend schöne Landschaften liegen oft buchstäblich vor unserer Haustür.

Mein Buch „Landschaftsfotografie in Deutschland“ sollte ein Fotolehrbuch werden, das die technischen und gestalterischen Grundlagen der Landschaftsfotografie einfach sowie leicht verständlich erklärt und gleichzeitig ein Reiseführer zu den attraktivsten Regionen Deutschlands ist.

Kreidefelsen raken ins Meer

Kreidefelsen, Rügen, Ostsee, Mecklenburg-Vorpommern

Nun ist es erschienen und ich habe viel Zuspruch bekommen, aber auch Kritik. Viele übernehmen gern meine Anregungen, manche halten das Aufzeigen von konkreten Standpunkten für Fotos aber auch für unverantwortlich im Hinblick auf den Naturschutzgedanken. Ich nehme das sehr ernst, gerade weil ich es im Buch selbst schon thematisiert habe.

Deshalb würde ich gern auch hier eine Diskussion dazu anzustoßen, wie wir als Landschaftsfotograf*innen mit der Natur umgehen. Ob sie nur „Material“ für schöne Bilder für uns ist oder ob wir auch eine Verantwortung ihr gegenüber empfinden. Wie wir uns in der Landschaft verhalten, was wir für ein Foto zu tun bereit sind oder was wir aus Rücksicht besser unterlassen. Geht es uns nur um die Bilder oder auch um das Landschaftserlebnis?

Beim Naturschutz machen wir einen ganz einfachen aber entscheidenden Punkt schon durch die Bevorzugung von „Nahzielen“. Auch wenn wir in der aktuellen Corona-Situation gerade sowieso auf weite Reisen verzichten müssen: Ich war eigentlich schon immer der Meinung, dass es förderlich für die Verbesserung des persönlichen ökologischen Fußabdrucks ist, der Erkundung der nächstgelegenen Landschaften unserer Heimat mal den Vorzug zu geben vor der Fernreise nach Neuseeland oder Amerika.

Blühende Heide

Lüneburger Heide, Niedersachsen

Genau dazu möchte ich deshalb ganz besonders anregen: nicht in die Ferne zu schweifen, sondern Lieblingsplätze in der eigenen Region zu finden, die ohne Aufwand und weite Anreise leicht zu erreichen sind, die man immer wieder aufsuchen und fotografieren und ihnen dabei auch immer wieder andere Aspekte abgewinnen kann. Es muss keine dramatische Szenerie oder Kulisse sein, nicht das aufgewühlte Meer oder die grandiose Gebirgskette.

Eine schöne Waldlichtung, eine Wiese voller Wildblumen, eine Baumgruppe, ein kleiner See – all das sind Motive, die fast überall zu finden sind und eine fotografische Beschäftigung lohnen. Und solche Plätze haben einen ganz entscheidenden Vorteil: Man hat sie meist ganz für sich allein und kann sich ihnen ganz in Ruhe widmen, ihren besonderen Zauber spüren und erfahren. Am wichtigsten ist dabei ganz einfach die Zeit, die man sich für solche Landschaftserlebnisse nimmt.

Waldsee

Moorsee im Roten Moor, Rhön, Hessen, Deutschland

Es muss nicht unbedingt der Eibsee sein mit der Zugspitze dahinter, die Burg Eltz in der Eifel oder die Basteibrücke im Elbsandsteingebirge. Wie wäre es mit dem kleinen Moorsee im Roten Moor in der hessischen Rhön? Ein unspektakulärer, aber eben deshalb wunderschöner Platz. Solche landschaftlichen Kleinode finden sich nahezu überall in Deutschland und wer dort einmal einen stillen Morgen verbracht hat, wird gern wiederkommen und immer andere Stimmungen vorfinden.

Noch vor dem Fotografieren steht für mich das bewusste Erleben dieser Stimmungen, weil das die eigentliche Basis für ausdrucksstarke Bilder ist. Und zu diesem Landschaftserlebnis gehört dann auch ganz selbstverständlich dazu, dass ich mich entsprechend rücksichtsvoll verhalte, mich sensibel durch die Landschaft bewege und alles unterlasse, was zu Störungen und Beeinträchtigungen führen könnte.

See im Grünen, im Hintergrund ein Bergmassiv

Blick über den Geroldsee zum Karwendel, Bayern, Deutschland

Anders erlebe ich es manchmal an den fotografischen „Hotspots“, zu Ikonen gewordenen Ansichten, die man immer wieder sieht. Die hat es zwar schon immer gegeben, doch hat sich dort in den letzten Jahren unter anderem durch Social-Media-Plattformen wie Instagram etwas verändert: An gewissen Orten scheint man als Fotograf*in offensichtlich unbedingt gewesen sein und dies auch durch Selfies mit Partner*in ausgiebig dokumentiert haben zu müssen.

Ich möchte das nicht kritisieren, doch wenn man an manchen Plätzen inzwischen das Gefühl hat, für ein Foto „Schlange stehen“ zu müssen, kann von einem Landschaftserlebnis meiner Meinung nach nicht mehr wirklich die Rede sein. Es scheint dann vorrangig um das Ablichten einer bestimmten Szenerie und um das Abhaken einer „Bucket List“ zu gehen – die Gefahr ist groß, bei anderen gesehene Bilder einfach nachzuahmen.

Wenn dann beim Ringen um das ersehnte Top-Foto Wiesen platt getrampelt, störende Zweige abgeknickt werden und am Ende womöglich auch noch der Müll liegen bleibt, hat der Naturschutz natürlich verloren. Es ist sicher nur eine ganz kleine Minderheit, die sich so verhält. Doch welche Konsequenzen ziehen wir daraus?

Bergsee

Schrecksee, Allgäu, Bayern

Manche verantwortungsvolle Fotograf*innen verzichten deshalb ganz bewusst auf konkrete Ortsangaben bei ihren geposteten Bildern. Das ist ganz bestimmt eine gute Möglichkeit, weniger bekannte Spots vor zu großem Andrang zu schützen, vor allem, wenn sie in empfindlichen Naturschutzgebieten liegen. Es hat aber für mich jedoch leider manchmal auch einen leicht elitären Beigeschmack, als würde man das Erlebnis und das Bild nur für sich haben wollen.

Natürlich ziehe auch ich das Erlebnis eines einsamen Morgens irgendwo in der Landschaft einem überfüllten fotografischen Hotspot vor und überlege dann auch, ob es nicht besser ist, diesen einsamen Platz auch einsam und unberührt zu lassen, statt fotografisch auf ihn aufmerksam zu machen. Aber ich denke dennoch, dass es nur ganz wenige sind, denen es nicht in erster Linie um das Landschaftserlebnis, sondern nur um das Bild geht und die ihrem Bild dann gedankenlos alles andere unterordnen.

Ich setze doch ganz stark darauf, dass wir Landschaftsfotograf*innen das, was wir schön finden und gern fotografieren, auch wirklich lieben und entsprechend behandeln. Dafür möchte ich hier ganz eindringlich werben und dann führe ich gern zu schönen Plätzen überall in Deutschland.

Buchcover

Informationen zum Buch

„Landschaftsfotografie in Deutschland“ von Heinz Wohner
Sprache: Deutsch
Einband: Hardcover
Seiten: 300 Seiten
Maße: 25,1 x 25,5 cm
Verlag: dpunkt.verlag
Preis: 34,90 €

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