Blumen fotografieren
Je nach Anspruch an die Ergebnisse kann der Schwierigkeitsgrad bei der Fotografie von Blumen von „echt einfach“ (Löwenzahn von oben bei knalligem Sonnenschein) bis zu „fast unmöglich“ (schön freigestellter Frauenschuh mit Tau bei Sonnenaufgang und Nieselregen) gehen.
Diese beiden Extrema werde ich hier einfach auslassen und stattdessen ein paar Hinweise zu meiner Art der Blumenfotografie geben. Eine Art und Weise, bei der die abgebildete Pflanze möglichst im Ganzen und schön freigestellt dargestellt wird.
Was es braucht
Grundsätzlich natürlich eine Kamera mit Objektiv. Auch, wenn es vermutlich theoretisch möglich ist, mit so ziemlich jeder Kamera-Objektiv-Kombination ansprechende Blumenfotos zu machen: Die Art von Fotos, um die es mir hier geht, lässt sich am einfachsten mit Kameras mit einigermaßen großem Sensor und – möglichst lichtstarken – Objektiven mit längeren Brennweiten machen.
Meine ersten Schritte habe ich mit einem „stinknormalen“ 70-300-mm-Telezoom bei 300 mm mit f/5.6 an einer APS-C-Kamera gemacht und damit durchaus gute Ergebnisse erzielt. Inzwischen fotografiere ich meistens mit einer 135-mm-Festbrennweite mit f/2 an einer MFT-Kamera.
Was es auf jeden Fall nicht braucht: Ein Makro-Objektiv. Es geht bei dieser Art von Fotografie eben nicht darum, einen möglichst großen Abbildungsmaßstab zu erreichen. Ein langes Telemakro funktioniert aber natürlich trotzdem gut. Es gibt ja glücklicherweise keinen Zwang, an der Nahgrenze zu kratzen.
Die technischen Grundlagen sollten damit schon geklärt sein, deshalb geht es jetzt direkt weiter zu den Dingen, die es vor Ort zu beachten gilt. Damit sollte es dann theoretisch auch schon klappen mit den Fotos! Zuerst folgt allerdings noch ein kurzer Exkurs zum Einfluss der Blende auf das Foto.
Einfluss der Blende auf das Foto
Viel dazu schreiben muss ich ja glücklicherweise nicht, diese Bildreihe spricht vermutlich für sich selbst. Man kann gut erkennen, wie sich die Blendeneinstellung auf das Motiv auswirkt. Die Brennweite bei den Fotos war jeweils 150 mm (an einer APS-C-Kamera). Die Blenden von links nach rechts: f/2.8, f/4, f/5.6, f/8 und f/11.
Deutlich sichtbar und wenig überraschend: Je weiter man die Blende schließt, desto unruhiger werden Vorder- und Hintergrund. In diesem Fall sieht es für mich bis f/4 noch richtig angenehm aus, danach finde ich es schon eher unangenehm. Aber das ist natürlich nur ein Beispiel.
In anderen Situationen reicht vielleicht f/4 auch nicht mehr aus, manchmal kann man selbst mit f/8 noch alles schön freistellen. Die verwendete Brennweite und der Abstand vom Motiv sind natürlich auch noch von Bedeutung. Dabei gilt: Einfach selbst experimentieren.
Übrigens: Es ist immer ein Kompromiss der Schärfeeinteilung, den man bei solchen Fotos eingeht. Ich bin allerdings bei dieser Art von Fotos immer dafür, lieber etwas weniger Schärfentiefe an der Pflanze zu haben, als eine zu ablenkende Umgebung rund um die Pflanze.
Wichtig ist für mich an sich nur, dass die vordersten Blütenbereiche auf dem Foto wirklich scharf sind. Auch der Stiel sollte nach Möglichkeit noch im Schärfebereich liegen. Ob die weiter von der Kamera entfernten Blütenbereiche dann schon etwas in der Unschärfe verschwinden, ist für mich eher zweitrangig.
Vor Ort
Diese Zeichnung stellt so in etwa die optimalen Aufnahmebedingungen für Fotos dar, auf denen eine Pflanze freistehend abgebildet wird.
1. Die tiefe Kameraposition
Diese ist wichtig, um die Vordergrundgestaltung (also den unteren Teil auf dem Foto) hinzubekommen, siehe Punkt 2. Die Erfahrung zeigt, dass es nötig ist, in Bodennähe zu fotografieren. Meine Kamera liegt sogar fast immer direkt auf dem Boden. Wohl allen, die ein Klapp-/Schwenkdisplay oder wenigstens einen Winkelsucher ihr Eigen nennen. Es geht natürlich auch ohne, nervt dann aber deutlich mehr beim Festlegen des Ausschnitts und vor allem beim (manuellen) Scharfstellen.
2. Das „Hindernis“ vor der Blume
In diesem Fall das etwas höhere Gras. Das ist wichtig, damit es mit der Vordergrundgestaltung auch wirklich funktioniert. Es sollte ein Hindernis zwischen Blume und Kamera geben. Und zwar in einem gewissen Abstand zur Blume. Dieses Hindernis sorgt einfach dafür, dass es einen schön unscharfen Schleier im unteren Teil, im Vordergrund des Fotos gibt. Der entsteht bei richtiger Wahl der Brennweite (lang) und Blende (möglichst große Öffnung) ganz von allein, weil das Hindernis im Unschärfebereich verschwimmt.
3. Die Blume, die die Wiese überragt
Im besten Fall überragt die Blume die sie umgebende Wiese um ein paar Zentimeter und hat in der direkten Umgebung vor und hinter sich auch keine störenden Objekte. Das macht die Aufnahme deutlich einfacher.
Und jetzt?
Damit ist die „perfekte“ Aufnahmeposition in der Theorie auch schon beschrieben. In der Praxis sieht es natürlich leider meistens ganz anders aus. In vielen Fällen findet sich nicht einmal ein zufriedenstellender Kompromiss. Grundsätzlich: Auch dabei ist experimentieren angesagt.
Die Kamera ist also vor dem Objekt der Begierde an der richtigen Stelle aufgebaut, der Vordergrund passt, die Blume steht auch am richtigen Ort. Was fehlt?
Licht und Schatten! Abschatten!
Die gute Nachricht zuerst: Man kann bei so ziemlich jedem Licht gute Pflanzenfotos machen. Die einzige Aufnahmesituation, die mich – bei freistehenden Pflanzen auf Wiesen – dahingehend bisher nicht so ganz überzeugen konnte, ist komplett bedeckter Himmel (wobei man auch dabei etwas machen kann, dazu siehe unten). Bei Sonnenschein lässt sich dagegen immer etwas anstellen. Das Foto der Hummel-Ragwurz ganz oben ist etwa bei eher knalligem Sonnenschein am frühen Nachmittag entstanden.
Der Haupttrick bei Sonnenschein ist ganz einfach: Die Pflanze, sofern sie nicht schon von sich aus im Schatten wächst, abschatten! Das ist schon alles. Wenn man Ergebnisse wie das Foto ganz oben haben möchte, sollte man allerdings auch darauf achten, dass der Vorder- und Hintergrund noch in der Sonne liegen. Allerdings bieten sich auch dabei natürlich Experimente an.
Man kann zum Abschatten natürlich einfach die Hand benutzen (wenn es eher um Feinarbeit geht) oder ein Stativ mit dagegen gelehntem Fotorucksack verwenden (wenn es um größere Bereiche geht), um die Pflanze abzuschatten. Praktikabler ist aber ein Diffusor.
Im „eingepackten“ Zustand lässt sich auch damit ein kompletter Schatten erzeugen. Ausgepackt, in seiner eigentlichen Funktion als Diffusor, kommt noch etwas Licht durch und er sorgt dadurch für einen sanfteren Schattenbereich. Einfach ausprobieren, was in der gegebenen Situation besser passt oder gefällt.
Diese beiden Fotos hier sind so ziemlich zur gleichen Zeit entstanden, beide bei eher schlechtem Licht tagsüber. Das linke Foto ist ohne Abschatten der Alpen-Küchenschellen entstanden, beim rechten Foto wurden die Blumen abgeschattet:
Grundsätzlich werden die Kontraste dadurch weicher, die Farben pastelliger und insgesamt ist es, zumindest für meinen Geschmack, auf die Art einfach viel angenehmer anzuschauen. Wie bei den meisten anderen Genres der Fotografie ist es auch in diesem Bereich nicht ganz falsch, die Tagesrandzeiten zum Fotografieren zu verwenden.
Das Foto der beiden Kleinen Knabenkräuter links wurde früh am Morgen kurz nach Sonnenaufgang aufgenommen. Die Entstehung der Farben ging in diesem Fall folgendermaßen vor sich: Links oben erkennt man noch einen Teil vom Himmel, dadurch der helle, leicht ins Bläuliche gehende Bereich.
Der grüne Bereich am rechten, oberen Rand entstand durch einen von der Sonne angestrahlten Busch. Die hellen, orangenen Teile im Hintergrund sind vorfrühlingshaft trockenes Gras, das durch die noch recht tiefstehende Sonne angestrahlt wurde.
Die beiden Orchideen, die noch mit leichtem Reif überzogen sind, habe ich mit der Hand abgeschattet. Auch im Vordergrund habe ich noch ein bisschen abgeschattet, daher der eher kühle Farbton im Vergleich zur dahinterliegenden Wiese.
Beim Foto der drei Großen Küchenschellen rechts war in Sachen „Abschatten der Pflanzen“ nicht mehr viel zu machen. Die Gruppe habe ich abends eine ganze Weile nach Sonnenuntergang fotografiert. Das ist in diesem Fall auch schon das gesamte Geheimnis. Natürlich dazu auch wieder eine tiefe Kameraposition und eine eher großzügig Belichtung, die dafür sorgt, dass das gesamte Foto sehr hell wird.
Vorder- und Hintergrundgestaltung
Freigestellte Pflanzen vor komplett homogenen Hintergrund mit Unschärfe im Vordergrund bei gutem Licht sind schön, aber man kann sich auch schnell daran sattsehen. Daher zähle ich nun noch ein paar Möglichkeiten auf, um etwas mehr Pepp in die Fotos zu bringen.
Tautropfen
Das gute an Tautropfen ist, dass man, wenn sie einmal da sind, eigentlich gar nicht viel tun muss. Und meistens sind sie sogar automatisch vorhanden, wenn man bei für Pflanzenfotografie passendem Wetter (windstill und klar) und zur passenden Uhrzeit (früh morgens) unterwegs ist. Je mehr man ins Gegenlicht fotografiert, desto kontrastreicher werden die Tautropfen hinterher auf dem Foto. Je weiter die Tautropfen in der Unschärfe liegen, desto größere Kreise bilden sie hinterher.
Normalerweise bietet es sich an, die Blende so weit wie möglich zu öffnen. Aber auch dabei gilt wieder: Einfach experimentieren. Dank Digitalfotografie erkennt man ja schon vor Ort am Kameradisplay in etwa, wie das Ergebnis aussehen wird. Hier zwei Fotos von Kleinen Knabenkräutern, die in einer taubedeckten Wiesen entstanden sind:
„Chaotischerer“ Hintergrund
So ein paar Pflanzen oder sogar ein Baum im richtigen Abstand hinter der Pflanze, die man fotografieren möchten, können wirklich zu spannenden Effekten im Hinter- bzw. Vordergrund führen. Was der richtige Abstand genau ist, ist natürlich immer unterschiedlich und hängt zusätzlich noch von Brennweite, verwendeter Blende und sogar vom Licht ab – Spitzlichter in direkter Umgebung der Pflanze sorgen meistens eher für ungewünschte Effekte. Hier zwei Beispiele für einen etwas anderen Hintergrund:
Das linke Foto zeigt ein Purpur-Knabenkraut bei Sonnenaufgang. Im Hintergrund wird das Laub von Büschen bzw. Bäumen von der aufgehenden Sonne beschienen. Die Pflanze selbst steht noch im Schatten. Genau wie der Baum am linken Rand inklusive der zweiten Orchidee.
Rechts auf dem Foto sind die beiden Dreizähnigen Knabenkräuter aus der Distanz durch einen Wacholderbusch fotografiert. Daher der „natürliche Rahmen“ mit seiner zwar eher chaotischen Struktur, die aber dadurch, dass sie in der Unschärfe liegt, eher angenehm wirkt.
Gegenlicht und Sonne
Streiflicht kann, vom Objektiv abhängig, für nette Effekte auf einem Foto sorgen. Viele sehen so etwas vielleicht als Objektivfehler an, im Endeffekt ist es auch einer, aber so ein bunter Schleier über dem Foto sorgt dafür, dass sich das Bild von der Masse der Fotos abhebt. Das linke Foto ist entstanden, als die schon recht tiefstehende Sonne seitlich ins Objektiv schien und so für den schon erwähnten Schleier über dem Kleinen Knabenkraut sorgte.
Beim zweiten Foto scheint die Sonne im Hintergrund noch ins Foto. Auf die Art geht das aber nur dann einfach, wenn die Sonne schon schön tief steht und am besten auch noch durch Dunst ein bisschen in ihrer Helligkeit gedämpft wird.
Alternativ kann es auch helfen, wenn die Sonne durch einen Baum oder einen Busch scheint und dadurch etwas abgeschwächt wird, dann gibt es auch schön viele Lichtflecken im Hintergrund. Auf diesem Foto eines Kleinen Knabenkrauts war es eine Mischung aus beidem.
Bedeckter Himmel – und was jetzt?
In solchen Fällen lohnt sich immer ein Besuch im Wald (übrigens auch bei Regen). Die vielen verschiedenen Grüntöne in Verbindung mit Bäumen und sonstigem Bewuchs bringen häufig spannende Ergebnisse. Allerdings fällt es gerade im Wald oft schwer, einen einigermaßen klaren Bildaufbau zu finden. Meistens herrscht im Unterwuchs des Waldes einfach deutlich mehr „Chaos“ als auf einer Wiese. Deshalb ist es hier noch wichtiger, viel die Aufnahmeposition zu variieren.
Ist dann allerdings erst einmal die richtige Stelle für das Foto gefunden, entstehen häufig interessante Fotos. Übrigens nicht nur von Pflanzen, gerade im Wald auch von Pilzen. Aber das ist ein anderes Thema.
Das Rote Waldvöglein links stand sehr praktisch an einer Stelle ohne viel Unterwuchs. Den Hintergrund konnte ich hier so gestalten, dass die Pflanze von unscharfen Ästen und Bäumen vor einem hellen Hintergrund aus Blättern eingerahmt wurde. Im Vordergrund ist einfach nur dunkles Laub in der Unschärfe verschwunden.
Das Stattliche Knabenkraut auf dem Foto rechts stand mitten im frischen Grün in einem eher lichten Waldstück. Durch die sehr tiefe Kameraposition von der aus ich gleichzeitig etwas nach oben fotografiert habe, ließ sich die Pflanze einigermaßen gut im Wald freistellen.
Kurz gesagt: Einfach mal das Hauptmotiv abschatten, den Vorder- und Hintergrund in der Sonne lassen, dann noch ganz runter mit der Kamera, sie darf ruhig mal dreckig werden und los geht’s! Viel Spaß!