Fotogene Orte – Hanoi
Wenn man den Norden Vietnams erkunden möchte, ist Hanoi der ideale Ausgangspunkt. Fast sternförmig verteilen sich Orte wie Ninh Binh, Mai Chau, Sapa, Cao Bang und die Halong-Bucht um die Hauptstadt Vietnams. Aber Hanoi ist weit mehr als der Ausgangspunkt für Touren in diese Gegenden – es ist eine der belebtesten Städte, die ich bislang auf meinen Reisen besucht habe.
Anfang 2017 war ich das erste Mal dort. Selbst Hongkong, wo ich mich direkt davor für vier Tage aufhielt, wirkte gegen Hanoi ruhig und geordnet. Und gerade, weil dort so viel los ist, ist Hanoi der ideale Ort für die Straßenfotografie.
Wer meine Fotos kennt, weiß, dass mir diese fotografische Disziplin eher fremd ist. Am wohlsten fühle ich mich in der Natur, mit der Kamera auf dem Stativ. Dennoch zog mich Hanoi sofort in seinen Bann und ich wollte unbedingt das Leben, das auf den Straßen herrscht, fotografisch einfangen.
Old Quarter
Der beste Ort dafür ist das Old Quarter. Ich bin direkt in dessen Zentrum im Sunline Hotel* untergekommen – einem meiner Lieblingshotels. Es liegt in einer Nebenstraße, so wird man beim Verlassen des Hotels auch nicht gleich von einem Roller überfahren.
Von hier startete ich meine Touren durch die Straßen Hanois, was am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig war. Es herrschte Chaos. Straßen stellten sich wegen des Verkehrs zunächst als fast unüberwindbares Hindernis dar – bis ich sah, wie eine ältere Frau ganz gemütlich und langsam, mit stetigem Schritt über die Straße ging. Es war fast magisch, wie sich der Verkehr um sie herumschlängelte.
Beobachtet man das Treiben auf den Straßen eine Weile, so stellt man fest: Alles befindet sich in kontinuierlichem Fluss. Läuft man also über eine Straße, dann ist das einzige, was man vermeiden sollte, stehen zu bleiben – damit rechnen die Menschen in Vietnam nämlich nicht. Nach einiger Zeit schaffte ich es so, mich zügig durch die Straßen zu bewegen.
Auf der Suche nach Motiven konnte ich jede Richtung einschlagen, fündig wurde ich überall. Für meine straßenfotografischen Experimente reichte es, mich an einer belebten Ecke zu platzieren und zu warten, bis die richtigen Elemente im Sucher zusammenkamen.
Was man im Foto oben sehen kann, ist der gemäßigte Verkehr an einem Samstagmorgen. Am Wochenende ist das Old Quarter für Autos gesperrt, dann sind hauptsächlich Roller und Fahrräder auf den Straßen unterwegs. Das macht das Erkunden und Fotografieren deutlich entspannter. Laut ist es trotzdem und nach spätestens zwei Tagen sehnte ich mich nach Natur.
Ich habe auf zwei Reisen nach Vietnam nun sechs Mal in Hanoi Zwischenstopp gemacht – nie mehr als zwei Übernachtungen. Für mich ist das die ideale Art, Hanoi kennenzulernen, da ich so eine Überdosis Chaos vermeiden kann. Nach einigen Tagen in den ruhigen, ländlichen Gegenden um Hanoi freue ich mich immer auf ein kurzes Intermezzo. Und jedes Mal entdecke ich neue Motive.
Bei meinem vorletzten Aufenthalt gelang es mir dann auch, ein Foto zu machen, das das Nachtleben im Old Quarter gut darstellt und fast alle typischen Elemente enthält: Eine Straßenbar mit Miniaturhockern und Tischen, alte Gebäude, Leuchtreklamen, kleine Geschäfte und viele andere Details, die mich an Hanoi erinnern.
Für dieses Foto war ich dann auch zurück in meiner Komfortzone hinter dem Stativ. Trotzdem dauerte es fast 20 Minuten, bis ich das Foto im Kasten hatte, da ständig Roller durch die Gasse fuhren und ich zur Seite gehen musste. Am Ende klappte es dann aber doch mit der Langzeitbelichtung.
Train Street
Im Old Quarter findet man auch einen sehr bekannten Ort. Als ich Anfang 2017 das erste Mal an der Train Street fotografierte, sah ich nur wenige andere Urlaubsgäste. Im September 2018 war das schon ganz anders, auch für Selfies wurde die Train Street mittlerweile entdeckt.
Der Andrang war groß, als nachmittags der Zug zwischen den Häusern entlangfuhr – dort, wo die Bewohner*innen der Train Street vorher ihren täglichen Aktivitäten nachgegangen waren. Hocker wurden zur Seite geräumt, ich stellte mich nah an die Wand eines der Gebäude und spürte den Fahrtwind des vorbeifahrenden Zuges. Hier kann es schon einmal eng werden und ich musste mir vorher gut überlegen, wo ich mich hinstelle.
Der Zug ist trotz niedriger Geschwindigkeit schneller da, als man vermutet und es bleibt keine Zeit, umherzulaufen. Außerdem ragt der Zug weit über die Schienen. Der Abstand zu den Häuserwänden beträgt teilweise weniger als einen Meter. Bei den zunehmenden Massen ist es nur eine Frage der Zeit, bis das jemand unterschätzt oder es zu eng für das Publikum wird. Als ich da war, hatte ich zum Beispiel nicht das Gefühl, dass sich alle vorher überlegt hatten, in welche Häusernische sie sich stellen würden.
Das hat auch die vietnamesische Polizei erkannt und so scheint die Train Street mittlerweile geräumt zu werden, wenn die Züge hereinfahren. Betrachtet man die Entwicklungen an anderen beliebten Orten auf der Welt, die teilweise überrannt werden, ist das vermutlich die beste Entscheidung.
Aber selbst ohne ein Foto der Train Street ist Hanoi immer einen Besuch wert. Wer einmal Straßenfotografie ausprobieren möchte, ist dort gut aufgehoben. Und auch sonst gibt es reichlich Motive und interessante Architektur zu entdecken. Ich selbst war sicher nicht das letzte Mal dort und hoffe, bald wieder im Chaos Hanois auf Motivsuche gehen zu können.
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Ich habe den Artikel und die Bilder ein wenig sacken lassen. Vietnam ist ein spannendes Land, dass mich als Fernreise wirklich interessieren würde. Meine Schwester hat lange Zeit in Düren mit durch den Krieg erblindeten Menschen gearbeitet und ich erinnere mich, dass meine Eltern diese Menschen, blind und querschnittsgelähmt bei uns zuhause waren für einen Ausflug.
Was ich damit sagen möchte: Wie in den meisten Reise-Fotoblogs erfährt man eigentlich gar nichts über das Land. Man sieht ein paar Motive, Menschen dienen maximal als Statisten. Und ja, wie angemerkt, die Motivsucher werden immer mehr. Und immer mehr werden sich dann über den zunehmenden Massentourismus beklagen, obwohl selbst ein Teil davon.
Wenn wir bei Freunden zu Besuch sind, dann erzählen wir in der Regel anschließend davon. Wie toll es dort mit ihnen war, was sie bewegt und was sie freut. In unseren Erzählungen kommt dann also der Gastgeber indirekt zu Wort. Das würde ich mir heute auch in solchen Artikeln wünschen.
Was mir gerade an den Nachtbildern auffällt, die sind mir persönlich viel zu bunt. Nein, so leuchtend blau ist nachts kein Plastikstuhl und so scharf ist in de Dunkelheit auch kein Motiv.
Aber leider haben heute die Kameras oft eher die Funktion von Nachtsichtgeräten und leider hat auch irgendjemand den Schärferegler erfunden.
Also von mir zunächst einmal Lob von mir. Für jemanden, der eher kein Street Photographer ist, sind einige Fotos wirklich gut, vor allem mag ich das mit dem jungen Mann, der auf dem Scooter ein Nickerchen macht, und auch den Mopedfahrer in der Menge, und auch das Titelbild mit den Light Trails.
Kais Kritik an der Bildbearbeitung kann ich voll zustimmen, aber man kann natürlich bei jedem Stil, bei jeder Bildbearbeitung etwas kritisieren. Das ist letztendlich Geschmackssache. Das Bild mit den blauen Stühlen geht auch mir zu sehr in Richtung, wie es in den Presets meiner (Sony-) Kameras genannt wird, „HDR-Gemälde“. Nicht jedermann’s Geschmack.
Wo ich Kai voll zustimme: in der Tat sieht man sehr häufig diesen Blogger-Stil. Heute Kuba, morgen Namibia, übermorgen Neuseeland, aber es bleibt alles immer sehr an der Oberfläche. Und Hanoi unterscheidet sich in diesen Bildern für mich, der ich noch nie in Asien war, überhaupt nicht von Bangkok, Kuala Lumpur, Manila, Shanghai. Jakarta … diese Städte sehen in den Reiseberichten immer gleich aus. Ich bin aber ganz sicher, dass es viele fundamentale Unterschiede gibt, so wie es auch große Unterschiede gibt zwischen Rom, Paris, London, Wien und Budapest. Das herauszuarbeiten gelingt offenbar den meisten Fotografen nicht.
Man kann das aber, meine ich, bis ins höchste Niveau hin beobachten und kritisieren. Selbst die Bilder der Fotografen von Magnum Photos ähneln sich immer sehr. Man kann manchmal kaum unterscheiden, ob das Bild nun von David Alan Harvey, Alex Webb, Constantine Manos oder Bruno Barbey ist, und ob es in Mexiko, Haiti, Zimbabwe oder Belize gemacht wurde.
Bei meinen Bildern ist es vermutlich genau so. Selber merkt man das wohl nicht. Außenstehende sehen das besser.
Wer sagt, dass Photos die Realität wiedergeben sollen? Dass sie das überhaupt können? Beim Blauen Reiter beschwert sich (in unseren Tagen jedenfalls) auch niemand darüber, dass die Pferde blau sein können. Warum sollen also Plastiktische, auf einem Photo einer nächtlichen Szene, nicht in einem überirdischen Blau erscheinen können? Aha! Weil es dir nicht gefällt. Das ist aber eine ganz andere Frage. Eine ästhetische.
Beim Anschauen sind mir die opulenten Farben auch aufgefallen. Ich habe mir aber mal die Beiträge angesehen, die M.B. hier sonst schon veröffentlicht hat. Das Bunte ist durchaus auch Stil gebend, und wie es scheint, als gewollt anzusehen. Bei den Landschaftsaufnahmen älterer Beiträge wirkt der Farbrausch für mich tatsächlich deutlich befremdlicher, als hier bei den Aufnahmen, die durch die Buntheit der Szene das Morbide und Ärmliche nehem. Ist Geschmackssache, klar.
Bei der inhaltlichen Sättigung einer Reise ist das ähnlich. Manche tauchen schon recht weit ein, bekommen vieles unmittelbar mit, und lassen sicher auch etwas da. Andere sind eher als stille Beobachter unterwegs und fangen nur Momente ein. Ich weiß gar nicht, ob und wo man da eine Wertung wagen möchte. Herangehensweisen, Anspruch und Erwartung, das legt halt jeder individuell fest. In der Aussage eines Fotos wird es allerdings sicher immer deutlich, ob da ein Bild mit oder ohne Geschichte zu sehen ist.