01. Oktober 2018 Lesezeit: ~5 Minuten

Und plötzlich auf der Straße

Wir sind festgelegt. Nach den ersten Versuchen mit der Kamera entdecken wir unser Genre und bleiben dort. Wir fotografieren entweder Architektur oder Akt, Sport oder Stillleben. Nur wenige agieren in zwei oder mehr Bereichen gleichzeitig. Als ich vom Kollektiv Soul of Street zu einem Streetwalk durch Köln eingeladen wurde, war ich deshalb erst einmal sehr unsicher.

Ich bin Portraitfotografin. Ich arbeite in einem sehr inszenierten Genre, in dem es darum geht, eine Person zu fotografieren, die sich der Kamera absolut bewusst ist. Straßenfotografie ist für mich das komplette Gegenteil davon. Hier geht es um einen Moment, in dem nichts arrangiert und nichts wirklich geplant werden kann. Mit diesem Gedanken im Kopf lachte ich also zunächst die Einladung weg, bemerkte aber schnell, dass das zu kurz gedacht ist.

Und so stand ich am Samstagmorgen zusammen mit neun anderen Teilnehmer*innen am Deutzer Bahnhof und bekam mein Werkzeug für den Tag in die Hand: eine Ricoh GR II . Zusammen liefen wir vier Stunden durch die Straßen, konnten dem Kollektiv Löcher in ihre Bäuche fragen und die Straßenfotografie entdecken. Der Tag war ideal, das Wetter schön und durch die Photokina liefen überall Menschen mit Kameras herum. Um hier als Fotografin aufzufallen, hätte ich einiges tun müssen.

Ein Mann sitzt in der Sonne an einer Straße

Die Kamera auf Menschen zu richten, die sich dem nicht bewusst sind, ist dennoch eine ganz andere Sache. Ich habe es hin und wieder getan, aber man sieht meine Unsicherheit in den Bildern. Sie sind zu weit weg, ich war zu schnell und unüberlegt – oder habe zu lange überlegt und der Moment war bereits vorüber, als ich endlich den Auslöser drückte.

Nach diesem ersten kleinen Dämpfer begann ich deshalb, die Menschen anzusprechen, die ich interessant fand. Auch das war eine enorme Herausforderung für mich. Aber die Truppe stärkte mich, berichtete mir von ihren Erfahrungen und machte mir Mut. Und tatsächlich, niemand war mir böse auf eine Frage nach einem Foto. Ein paar sagten nein, die meisten ja. Was hatte ich erwartet?

Mann mit Monokel

Hunde haben sich hervorragend als Gesprächsanfang herausgestellt. So entstand auch mein Lieblingsbild. Ich begrüßte den Hund des Passanten, ihm fiel meine Kamera auf, er wollte sie sich näher ansehen und klemmte sich dafür ein Monokel vor ein Auge. Ich bat um ein Bild und er hatte Spaß daran und posierte sogar etwas für mich.

Das waren eigentlich nicht die Bilder, die ich auf der Straße machen wollte, aber es war mein erster Schritt und es begann, Spaß zu machen. Und darauf kam es mir am Ende auch an.

Zwei Hunde

Nach zwei Stunden bemerkte ich langsam, wie unendlich müde ich wurde. Es war erst 12 Uhr, wir saßen für eine kurze Pause in einer Kölner Urkneipe und ich fragte mich, warum mir die Augen zufielen. Straßenfotografie ist enorm anstrengend. Während man normalerweise mit einem geistigen Filter durch die Straßen läuft, schaltet man bei der Suche nach dem Motiv die Filter ab, um ja nichts zu verpassen.

Ein Mitglied von Soul of Street riet mir, mich auf ein Thema zu konzentrieren, zum Beispiel die Farbe Rot. Mit dieser Begrenzung wird alles etwas leichter, weil man sich auf etwas ganz Bestimmtes konzentrieren kann. Ich entschied mich jedoch dagegen und fotografierte einfach weiter. Sollte ich noch einmal allein unterwegs sein, werde ich diese Idee aber auf jeden Fall annehmen – auch damit meine Bilder am Ende etwas besser zusammen passen.

Frau mit Rose in der Hand

Ich weiß nicht, ob ich die Straßenfotografie selbst weiter verfolgen werde, aber mein Respekt vor Straßenfotograf*innen ist um einiges gewachsen. Und ich habe in den vier Stunden einiges gelernt. Nicht nur in Bezug auf die Straßenfotografie, sondern auch einiges, das ich sicher in meine bisherige Portraitfotografie einbringen kann. Und am Ende vor allem etwas über mich selbst.

Und mit dieser Erkenntnis möchte ich dazu ermutigen, Euch ebenso in einem Fotogenre auszuprobieren, mit dem Ihr bisher kaum Berührungspunkte hattet. Mal aus der eigenen Blase herauszukommen, ist nie verkehrt. Am Ende sind es doch die neuen Erfahrungen, die uns weiterbringen.

Für die Transparenz: Ich habe die SD-Karte aus der Kamera behalten dürfen. Die Kamera selbst musste ich wieder abgeben und weder das Kollektiv noch die Firma Ricoh hat mich um einen Artikel gebeten oder dafür bezahlt.

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