02. Oktober 2018 Lesezeit: ~11 Minuten

Frauen in der Fotografie

Es stellen viel mehr Männer als Frauen aus, auf Bühnen sieht man vorrangig Männer und immer wieder werden in Ambassadorprogrammen hauptsächlich oder sogar ausschließlich Männer gefördert. Das ärgert mich, weshalb ich mich kürzlich mit einem Brief an Olympus gewandt habe, als ich sah, dass unter den 18 Fotograf*innen der OlympusXplorers nur eine Frau vertreten war.

Auf meinen Brief antwortete mir Olympus:

Seit knapp einem dreiviertel Jahr existiert das olympusXplorers-Projekt bei Olympus. Damals angefangen hat alles mit einer Kooperation zu Hannes Becker und den German Roamers. Wir verfolgen mit dem Projekt eine ganz klare Bildsprache und suchen anhand dieser Sprache und weiteren Auswahlkriterien die Influencer aus, mit denen wir zusammenarbeiten. Hierbei sind wir uns der Problematik des nicht repräsentativen Frauenanteils absolut bewusst. Die Recherche gestaltet sich nur leider nicht immer so einfach wie wir uns das vorstellen. […]

Also schickte ich Olympus eine Liste mit etwa 40 Fotografinnen, deren Bildstil und Qualität ebenfalls zur Kampagne passen würden. – Danke an dieser Stelle noch einmal für Eure Mithilfe! – Ich erhielt daraufhin eine weitere E-Mail:

Vielen Dank für die Zusendung der Namen. Einige von ihnen haben wir auch schon im Auge. […] Wir arbeiten gerade daran, dass olympusXplorer-Team noch in diesem Jahr um 2 weibliche Kandidatinnen zu erweitern. Dies soll natürlich nur ein kurzfristiges Ziel sein. Langfristig gesehen arbeiten wir daran, noch mehr Kooperationen mit weiblichen Fotografinnen zu starten. Dennoch denke ich, dass wir hier auf einem guten Weg sind.

Sollte Olympus wie versprochen noch 2018 die Kampagne um zwei Frauen erweitern, läge der Frauenanteil bei knapp 15 %. Immer noch viel zu wenig, aber ein kleiner Erfolg. Ein Mitglied der German Roamers (Kollektiv aus 14 Männern), die in der Nachricht von Olympus erwähnt werden, schrieb mir über Instagram, dass das Problem doch einfach sei, dass in Deutschland das Geschlechterverhältnis in der Landschaftsfotografie bei „wahrscheinlich 1:100“ läge.

Wenn er den Eindruck hat, dass ein so unglaublich starkes Ungleichgewicht von 1:100 herrscht, folgt er anscheinend kaum Fotografinnen. Wie kann das sein? Ich schrieb ihm zurück:

Danke für die Antwort! Ich finde es super, wenn es zu Diskussionen kommt. Und einig sind wir uns ja, dass es hier ein Problem gibt. Ich stimme auch mit Dir überein, dass es momentan mehr Landschaftsfotografen als -fotografinnen gibt, aber Dein Verhältnis von 1:100 halte ich für übertrieben. Eventuell hängt deine Einschätzung auch ein bisschen mit Deiner gesellschaftlichen Blase zusammen. Die German Roamers bestehen ja ausschließlich aus Fotografen. Das meine ich gar nicht vorwurfsvoll. Unsere Auswahl, die jetzt an Olympus ging, zeigt ebenso, wie sehr ich und meine Leser*innen in noch einer anderen Blase leben, denn unsere Auswahl beinhaltet nur Frauen aus westlichen Kulturräumen: Europa, Nordamerika, Australien. Aufgrund dieser Blase könnte ich jetzt Schlüsse ziehen, dass es in Asien, Afrika oder Südamerika keine Landschaftsfotografinnen gibt. Aber dass das nicht stimmt, wissen wir beide, auch wenn wir jetzt auf Kommando keine konkreten Namen nennen können.

So ähnlich verhält es sich auch mit dem Thema Frauen in der Landschaftsfotografie. Nur weil sie nicht so sichtbar sind, heißt es nicht, dass es sie nicht gibt. Sie sind einfach leiser, weil sie bisher weniger Chancen hatten, weniger sichtbar waren und so natürlich auch weniger beachtet wurden. Man könnte nach dieser Erkenntnis gezielt nach ihnen suchen, um die Blase zu durchbrechen. Das ist aber anstrengend und nicht Deine Aufgabe als German Roamer oder Ambassador für Olympus.

Aber ich sehe es als meine Aufgabe als Herausgeberin für ein Fotomagazin. Und auch als Aufgabe für Olympus als Firma. Denn sie formen und erhalten mit dem Programm und mit ihrer Werbung ein bestimmtes Bild, das so nicht mehr stimmt. Es gibt viel mehr Frauen im Bereich der Fotografie als noch vor wenigen Jahren. In fast jedem Genre. Die meisten Kamerafirmen zeigen in ihrer Werbung aber weiterhin vorrangig Männer. Die meisten Ausstellungshäuser stellen aber vorrangig Männer aus. Und die meisten Agenturen stellen Männer ein. Deshalb kämpfe ich für mehr Sichtbarkeit für Frauen und versuche, ihnen Mut zu machen, aufzustehen und ihren Platz in der Fotografie einzunehmen.

Wenn Du fragst, was Du tun kannst: Noch einmal reflektieren, ob es wirklich so viel weniger Landschaftsfotografinnen gibt oder ob sie Dir einfach noch nicht aufgefallen sind. Vielleicht entdeckst Du ja auch ein, zwei tolle Fotografinnen durch unsere Liste. Ich erwarte auch gar nicht, dass Du Firmen selbst auf Ungleichheiten hinweist oder den Frauen gar Deine Jobs anbietest. Ich bin mir sicher, allein dadurch, dass Du Dir das Problem bewusster machst, sich etwas verändert.

Leider blieb die Nachricht unbeantwortet, aber der Gedanke ließ mich nicht mehr los und ich begann zu recherchieren, ob es denn nicht Zahlen und Fakten zum Geschlechterverhältnis gibt.

Wie sieht das Verhältnis in Deutschland aus?

Meine erste Recherche führte mich zum Boys’Day. Der Zukunftstag für Jungen dient dazu, Schülern Einblicke in Berufsfelder zu geben, in denen Frauen dominieren. Ich hatte vor ein paar Jahren die Anfrage eines Jungen abgelehnt, weil ich leider grundsätzlich keinen Praktikumsplatz anbieten kann. Nun wurde ich jedoch stutzig. Warum bewarb sich ein Junge bei mir für ein Praktikum als Fotograf? Ein Blick auf die Webseite des Boys’Day verrät: Der Beruf Fotograf wird neben Friseur und Erzieher empfohlen. Der Anteil männlicher Azubis liegt laut Statistik bei 25,6 %. 74,4 % sind im Umkehrschluss Frauen.

Um einen umfänglichen Einblick in die Verteilung der Fotograf*innen in Deutschland zu bekommen, musste ich mir noch die Studierenden und Autodidakt*innen ansehen. Ich schrieb einige deutsche Hochschulen an und erbat eine Auskunft. Auch bei Studis-Online bekommt man einen Einblick in die Verteilungen an den Hochschulen: Mit Ausnahme der Fachhochschule Dortmund (34,5 %) liegt der Frauenanteil der einzelnen Hochschulen jeweils bei über 50 %.

Und diese Zahlen sind nicht besonders neu. Der Lette-Verein bestätigte mir, dass „der Frauenanteil in der Fotografie-Ausbildung [bei ihnen] seit vielen Jahren konstant bei ca. 63–65 %“ liegt.

Genaue Zahlen für Hobbyfotograf*innen und Autodidakt*innen zu finden, ist schwieriger. Auf Fotoplattformen laden natürlich auch Modelle, Illustrator*innen, Zeichner*innen und viele mehr Bilder hoch und die Zahlen gibt es auch nicht nur für Menschen aus Deutschland, aber ich möchte es der Vollständigkeit halber erwähnen. Auch hier gibt es kein auffälliges Ungleichgewicht. Der weltweite Frauenanteil auf Instagram liegt bei 53 %, auf Flickr bei 46 % und auf DeviantArt bei 41 %.1

Wo sind all diese Frauen?

Im Magazin bemerke ich kein Ungleichgewicht. Ich hatte nie den Eindruck, dass der Männeranteil in Artikeln oder Features stark überwiegt. Auch ein Blick in unsere Leser*innen-Statistik verrät kein starkes Ungleichgewicht: 55 % Leser und 45 % Leserinnen.

Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung zeigt, dass 2011 49,3 % der arbeitenden Fotograf*innen (einschließlich Kameraleute und Bildberichterstatter*innen) Frauen waren. 1999 waren es noch 42,3 % und der Wert wächst kontinuierlich.2 Es ist also auch nicht so, dass sich die Frauen nach der Ausbildung mehrheitlich nicht auf den Arbeitsmarkt trauen und demnach ihre Sichtbarkeit abnehmen würde.

Wie kommt es dann gleichzeitig zu diesen Zahlen, die ich bei meiner Recherche fand?

Nur 10 % der Agenturfotograf*innen sind Frauen.3

Nur 25 % der auf Ausstellungen gezeigten Arbeiten stammen von Fotografinnen.4

Männliche Kollegen im Bereich der Fotografie verdienen im Schnitt 31 % mehr.5

Keine Vorwürfe suchen, sondern Lösungen.

Ich möchte mit diesem Artikel keine Vorwürfe machen, sondern zur Reflexion anregen. Auch ich hinterfrage mich und meine Ansichten, denn ich weiß, dass ich gerade zu diesem Thema als Frau nicht völlig emotionslos bin und schnell auch Unrecht tue.

Kürzlich schrieb eine Hochzeitsfotografin auf Instagram, dass sie es unglaublich störend finde, wenn sie während ihrer Arbeit von Gästen gefragt werde, ob sie nicht auch mal ein schönes Foto von sich haben möchte und dass sie sich dadurch als Fotografin nicht ernst genommen fühle. Das hat mich wütend gemacht. Und dann habe ich überlegt, ob es Männern vielleicht auch so geht und zwei befreundete Hochzeitsfotografen angeschrieben. Und ja, sie werden dasselbe gefragt, fühlen sich aber aus Gründen nicht auf Grund ihres Geschlechts abgewertet.

Diese kleine Geschichte schreibe ich, um zu zeigen, wieso ich so vorsichtig bin. Ich habe zugegebenermaßen diesen und ähnliche Artikel schon so oft angefangen und wieder verworfen, weil ich weiß, wie schwierig Diskussionen zu diesem Thema werden können. Ich versuche, mich streng an Statistiken und Zahlen zu halten, um keine Fehler zu machen. Mir ist das Thema einfach so unglaublich wichtig. Ich möchte zeigen, dass es sehr viel mehr Fotograf*innen gibt, als es die Stars auf der Photokina vermuten lassen.

Ich weiß auch, dass ich mich mit meinem Brief oben etwas weit aus dem Fenster lehne. Ich kenne den Fotografen nicht und weiß nichts über seine Ansichten. Auch die These der gesellschaftlichen Blase ist nicht nachweisbar. Olympus dient hier als Beispiel, aber definitiv nicht als Sündenbock. Bei fast allen Kamerafirmen sehen die Ambassadorprogramme so oder so ähnlich aus. Und die Antwort von Olympus hat mich aufrichtig gefreut und noch mehr freue ich mich über die tollen Landschaftsfotografinnen, die im Programm bald eine Plattform finden werden.

Ziel dieses Artikels ist es, Lösungen zu suchen. Mit dem Wissen, dass der Frauenanteil im Bereich der Fotografie in Deutschland seit Jahren bei über 50 % liegt, ist klar, dass die Geschlechterverteilung auf Bühnen, Ausstellungen und so weiter nicht gerechtfertigt ist und wir einiges zu tun haben. Wir müssen Frauen gezielt fördern und ihnen helfen, selbstbewusst in den Markt zu gehen. Und wir müssen ebenso selbstbewusst auch Firmen und Veranstalter*innen darauf hinweisen, wenn sie hauptsächlich Männer sprechen lassen und fördern.

Dass es anders geht, zeigen Firmen wie Adobe mit ihrem Creative-Residency-Programm, in dem seit 2015 Frauen die Mehrheit bilden. Oder aktuell auch Sony, die in Amerika mit Alpha Female gerade ein Ambassadorprogramm nur für Frauen ins Leben gerufen haben.

Ebenfalls eine tolle Idee, um dem Ungleichgewicht entgegenzuwirken, sind Netzwerke für Frauen, wie der Female Photoclub für professionelle Fotografinnen. Hier helfen sich Frauen gegenseitig durch regelmäßige Treffen, Workshops und Mappenbesprechungen. Und sie schaffen eine Plattform, auf der Firmen führende Frauen im Bereich Fotografie finden können.

Quellen
1 information is beautiful: chicks rule?
2 Berufe im Spiegel der Statistik
3 ARTE-Reportage „Beruf: Fotografin“
4 ebenda
5 Bundesagentur für Arbeit

Titelbild: Julie Johnson