Mit dem E-Bike auf den Kilimandscharo
Vielleicht erinnert Ihr Euch noch an meinen ersten Artikel, in dem ich Euch in die Geheimnisse meiner Fotografie in Feuer und Eis eingeführt habe. Ich hatte Euch an dieser Stelle auch die erste Tour meines aktuellen Projekts „Volcanic Seven Summits“ vom Januar 2017 in die Antarktis vorgestellt. Heute möchte ich Euch auf den zweiten Berg dieser Tour mitnehmen: auf den höchsten Vulkan Afrikas, den 5.895 m hohen Kilimandscharo.
Er ist einer der bekanntesten Berge der Welt und dementsprechend versuchen sich jährlich bis zu 60.000 Menschen an einer Besteigung. Daher habe ich lange überlegt, wie ich die Geschichte einer Kilimandscharo-Besteigung einmal anders erzählen kann. Dabei habe ich gelernt, dass das Dach Afrikas zwar bereits ein paar Mal mit dem Fahrrad bestiegen wurde, jedoch noch nie mit einem E-Bike. Da das Projekt „Volcanic Seven Summits“ auch unter dem Motto „Neuland betreten“ steht und ich mich gern neuen Herausforderungen stelle, wusste ich sofort: das ist mein Projekt.
In der Tat habe ich mit dieser Tour vielfältig Neuland betreten. Ich war noch nie mit dem Mountainbike richtig im Gelände unterwegs, ich hatte noch nie auf einem E-Bike gesessen und ich hatte als Landschaftsfotograf kaum Erfahrung mit dem fotografischen Schwerpunkt Action und Storytelling. Neugierig habe ich mir daher eine Vielzahl Fragen gestellt:
Komme ich überhaupt mit dem Mountainbike einen steilen Berg hinauf? Wie bekommen mein Freund Roman und ich die Bikes und vor allem die Akkus in ein Land transportiert, in dem es im gefühlten Umkreis von 10.000 km keine E-Bike-Handlung gibt? Wie viele Batterien werden wir benötigen? Funktioniert die Ladetechnik mit Solarpanel und Autobatterie? Halten die Akkus auch in der Kälte und Höhe durch? Welche Vor- und Nachteile hat ein E-Bike am Berg? Wie reagiert man vor Ort auf unsere Räder?
Aber auch Fragen rund um die Fotografie und das Storytelling: Wie zeige ich die Vorteile der E-Bikes? Wie zeige ich die großen Anstrengungen einer Gipfeletappe, bei der wir die 21 kg schweren Räder schieben oder sogar tragen müssen? Wie portraitiere ich die fünf Vegetationszonen am Kilimandscharo? Welche Fotos brauche ich für die Geschichte? Und vor allem auch: Wie kann ich meine Zuschauer*innen hautnah am Erlebnis Bergbesteigung mit Fahrrad teilhaben lassen? Wie und wo befestige ich dafür meine Kamera für Nahaufnahmen? Wie und mit welchen Perspektiven fotografiert man überhaupt am besten die Bike-Action?
Im Rahmen der Recherche zur Beantwortung der fotografischen Fragen habe ich Reiseführer, Landkarten, Webseiten, Social Media und gerade im Hinblick auf die letzte Frage auch Googles Bildersuche mit Actionfotos von Mountainbiker*innen genutzt.
Parallel dazu habe ich im Vorfeld während meines Trainings jede Menge verschiedene Kamerapositionen und Perspektiven ausprobiert. Mit meiner handlichen Olympus OMD E-M1 Mark II war es mir dabei möglich, sogar während des Fahrens aus unterschiedlichen Perspektiven zu fotografieren und zu filmen.
Mein Handy habe ich dabei als Fernauslöser für die Kamera genutzt, wobei ich sehr schnell und mit zwei Stürzen schmerzhaft lernen musste, dass ich die Aufnahmen besser im Stand denn fahrend auslösen sollte. Am besten gefallen haben mir die bei diesen Test-Shootings entstandenen Nahaufnahmen mit dem Weitwinkel-/Fisheye-Objektiv aus der Froschperspektive.
Die Ergebnisse aus Recherche und Testshootings habe ich dann in ein detailliertes Drehbuch einfließen lassen. Teilweise bereits mit Informationen zu Objektiv, Blende, Perspektive, Tageszeit sowie Einzelaufnahme oder Serie. Ein Großteil der Fotos ist somit bereits vor der Tour in meinem Kopf entstanden.
Mit diesem Drehbuch und meiner Ausrüstung – zwei Olympus OMD E-M1 Mark II, meinem Lieblingsobjektiv für Storytelling, dem Olympus M.Zuiko AF f/4.0 12–100 mm IS PRO , dem Weitwinkelobjektiv Olympus M.Zuiko ED f/2.8 7–14 mm PRO, dem Fischaugenobjektiv Olympus M.Zuiko AF f/1.8 8 mm PRO , einer handlichen Olympus Tough TG-5 sowie meinem Gitzo Traveler und dem Pixie-Stativ – im Gepäck ist es dann nach langen Wochen der Vorbereitung endlich losgegangen.
Allerdings möchte ich an dieser Stelle den Rahmen nicht mit einer zu ausführlichen Berggeschichte sprengen. Ich konzentriere mich daher hier auf die wesentlichen Antworten der mir immer wieder gestellten Fragen:
Der Kilimandscharo
Mit 5.895 m Höhe wird der Kilimandscharo auch das Dach Afrikas genannt und ist Teil der Seven wie auch Volcanic Seven Summits. Dazu ist er auch der höchste freistehende Berg der Erde. Er besteht im Wesentlichen aus drei Gipfeln: dem teilweise vergletscherten Kibo („der Helle“) mit dem Uhuru Peak auf 5.895 m, dem 5.148 m hohen Mawenzi („der Dunkle“) sowie dem Shira mit 3.962 m Höhe. Bei der Besteigung des Kilimandscharo durchquert man fünf verschiedene Vegetationszonen: Kulturzone, Regenwald, Heide- und Moorland, Alpine Wüste und die Gipfelzone.
Die Tour
In sieben Tagen haben wir auf einer Länge von 35 km knapp 4.000 Höhenmeter überwunden. Den größten Teil der Strecke konnten wir dabei fahrend zurücklegen. Nur auf der Gipfeletappe mussten wir die knapp 21 kg schweren Räder auf steilem, rutschigem wie auch felsigem Untergrund auf ungefähr 700 Höhenmetern schieben und tragen. Bergab konnten wir dann so gut wie die gesamte Strecke fahren – Downhill-Spaß pur!
Die Höhe
Um Reisezeit zu sparen, hatten wir uns im Vorfeld der Tour zu Hause in einem sogenannten Höhenzelt vorakklimatisiert. Zusätzlich hatten wir auf der Horombo-Hütte auf 3.700 m einen Akklimatisationstag eingelegt. Und auch die Bike-Akkus sowie die Fotoausrüstung haben die Höhe und Kälte problemlos überstanden.
Das Laden
Die Bike- und vor allem die Akku-Logistik sind eine eigene Geschichte für sich. Wir haben sehr viel über den afrikanischen Zeitbegriff gelernt und mussten zehn Tage an unserem Pool in Moshi auf die Zustellung der Batterien warten. Am Ende sind wir an dem Tag in Richtung Kilimandscharo aufgebrochen, an dem wir eigentlich schon wieder zu Hause sein wollten. Endlich unterwegs funktionierte dafür immerhin das Laden problemlos und wir haben auch deutlich weniger Batterien verbraucht als ursprünglich kalkuliert.
Das Fahren
Auch das Fahren bereitete mir keine Probleme. Dank Techniktraining im Rahmen der Vorbereitung habe ich auch die steileren Passagen problemlos gemeistert. Den größten Teil der Strecke konnten wir dabei dank Motorunterstützung entspannt zurücklegen. Wir waren wahrscheinlich die Ausgeruhtesten, die jemals die auf 4.700 m gelegene Kibo-Hütte – der Startpunkt der Gipfeletappe – erreicht haben. Besonders lustig war dabei, dass wir uns zeitweise wie Popstars fühlen konnten, denn überall wurden wir mit unseren Rädern umringt, befragt, bestaunt, bewundert und fotografiert.
Das Fotografieren
Apropos fotografiert: Regelmäßig habe ich mein Drehbuch zur Hand genommen, vor allem auch, um „im Eifer des Gefechts“ kein für die Geschichte wichtiges Bild zu vergessen. Wie etwa das Foto von Roman, wie er kurz vor dem Gipfel auf knapp 6.000 m Höhe vor uraltem Gletschereis unterwegs war. Einer der schönsten Momente der Tour – und eines der Bilder, das ich bereits genauso vor der Tour in meinem Kopf entwickelt hatte.
Oder auch das Foto, auf dem Roman auf ungefähr 4.400 m Höhe in der Mawenzi-Ebene unterwegs ist. Ich habe dabei zwei größere Felsbrocken als Rahmen genutzt und mit 7 mm (14 mm Kleinbildäquivalent) Brennweite und Klappdisplay direkt aus der im Rahmen der Testshootings bevorzugten Bodenperspektive fotografiert. Ich habe die Kamera auf Serienbild gestellt und Roman mit mittlerem Tempo an mir vorbeifahren lassen. In dem hier am Ende aus dieser Serie ausgewählten Bild haben Roman sowie das E-Bike die perfekte Position und der leicht unscharfe Vorderreifen unterstreicht zusätzlich die Dynamik.
Auf der anderen Seite war es mir trotzdem wichtig, nicht ein Drehbuch abzureisen, sondern authentische und erlebte Geschichten zu erzählen und zu fotografieren. Im Laufe der Zeit habe ich mir zu diesem Zweck angewöhnt, in Geschichten zu denken und ein Gespür für sich entwickelnde mögliche Ereignisse zu entwickeln.
So wie auf dem Bild, auf dem Roman unserem Guide Goodluck eine E-Bike Starthilfe gegeben hat. Natürlich sollte auch er einmal in den E-Bike-Genuss kommen. Doch das mit dem Genießen war so eine Sache, denn Goodluck hatte kaum Erfahrung mit dem Fahrradfahren und einen großen Respekt vor der möglichen Geschwindigkeit. Daher hat er sich lieber erst einmal anschieben lassen, was ich bereits erahnt und so die Kamera rechtzeitig schussbereit in der Hand hatte.
Die Bildbearbeitung
Diese Geschichten standen auch bei der nach der Reise anstehenden Bildbearbeitung im Vordergrund. Mein kompletter fotografischer Workflow erfolgte dabei in Adobe Lightroom: In einem ersten Schritt habe ich am heimischen Bildschirm die Fotos mit Hilfe der Vergabe von Markierungen und Bewertungssternen sortiert. Dabei erfolgte die Löschung aller verwackelten und wirklich komplett unbrauchbaren Bilder.
In weiteren Runden habe ich die ausgewählten Fotos dann nach „Spitzenklasse“, „gut“ und „für die Geschichte notwendig“ katalogisiert. Für den knapp 30-minütigen Kilimandscharo-Teil meiner Volcanic-Seven-Summits-Multivision sind so am Ende ungefähr 200 der 3.000 Bilder übriggeblieben.
Insgesamt stecke ich also mindestens genauso viel Zeit in die Vor- und Nachbereitung einer Reise wie in die Reise selbst, häufig sogar mehr. Ein hoher Aufwand, der am Ende jedoch mit einer Vielzahl fantastischer Aufnahmen und toller Geschichten belohnt wird.
Die anstehenden Termine meiner Multivisionen findet Ihr bei Interesse auf meiner Webseite. Noch mehr über das Thema fotografisches Storytelling erfahrt Ihr dazu in meinem entsprechenden Workshop.
Ausblick
Der nächste Teil meiner Volcanic Seven Summits Serie wird sich schwerpunktmäßig um die Landschaftsfotografie drehen. Mit vielen praktischen Tipps zu Bildgestaltung und Perspektiven sowie einmaligen Aufnahmen aus Chile, Mexiko und Iran.