Schnappschüsse – etwas andere Hundeportraits
Auch als bekennender Katzenmensch bin ich an den humorvollen Hundeaufnahmen von Christian Vieler nicht vorbeigekommen. Der Fotograf hält den Moment fest, in dem Hunde ihr Leckerchen in der Luft fangen. Ich durfte ihm einige Fragen über sein Projekt stellen.
Wie bist Du auf die Idee für Dein Projekt „Schnappschüsse“ gekommen?
Durch Zufall: Ich hatte mir einen Porty gegönnt, um im Freien blitzen zu können. Als das Gerät bei mir eintraf, wollte ich natürlich sofort alle Features ausprobieren, inklusive Supersync. Da an diesem Tag das Wetter aber echt bescheiden war, habe ich den Blitz im Wohnzimmer ausprobiert und meinen Hund Lotte vor die Kamera gesetzt.
Da sie wirklich eine ruhige Vertreterin ist, musste ich im wahrsten Sinne des Wortes „Bewegung ins Spiel“ bringen und warf Leckerchen. Ich interessierte mich wirklich nur für alle möglichen Einstellungsoptionen und fand erst Tage später auf der Festplatte heraus, wie lustig einige Ergebnisse waren. Danach probierte ich es mit Hunden im Bekanntenkreis aus, später bot ich die Leckerchenfotos Shooting-Kund*innen quasi als Bonus und lustige Alternative am Ende eines Portraitshootings an. Zu dieser Zeit fotografierte ich nach Feierabend, heute hauptberuflich.
Warst Du mit dem Porty zufrieden oder bei welcher Technik bist Du am Ende gelandet, um die bestmöglichsten Ergebnisse zu erzielen?
Vor ein paar Jahren war der Porty für Hobbyfotograf*innen nice to have – ich hatte da eine bekannte günstige Fernost-Variante. Mittlerweile arbeite ich nicht mehr mit Supersync bei hohen Verschlusszeiten an der Kamera, sondern mit einem entsprechend schnellen Blitz bei 1/160s. Aber für den Einstieg war das eine tolle Sache. Im Freien nutze ich Supersync immer noch, im Studio kommt jetzt ein Profoto D2 als Hauptlicht zum Einsatz.
Stört der Blitz die Hunde? Als menschliches Modell erschrickt man ja auch hin und wieder, wenn man angeblitzt wird, obwohl man versteht, was da gerade passiert.
Vielleicht ist die Störung auch wie bei Menschen. Die meisten stört es nicht, weil sie auf das Leckerchen fokussiert sind. Sehr häufig gibt es einen „Anfangsschreck“, weil der Blitz ungewohnt ist. Ich selbst kenne Menschen, die bei jedem Blitz zucken, selbst wenn sie wissen, dass es blitzt. Dieses Phänomen ist mir bei Hunden (nach dem „ersten Schreck“) noch nicht aufgefallen. Vielleicht brauchen Menschen einfach mehr Leberwurst beim Modellstehen.
Funktionieren solche Bilder mit allen Hunden? Gibt es bestimmte Hunderassen, die gar keine Lust auf Fotos haben oder ist da jeder Hund ganz individuell?
Es lassen sich keine rassetypischen Ergebnisse prognostizieren, wenn mich Kund*innen fragen, ob sich ihr Hund eignet. Jeder Hund „liefert“ da ganz individuell ab. Ich hatte Dalmatiner im Studio, die haben Facebook gerockt, andere agierten wiederum sehr „versteinert“ im Gesicht.
Ein Faktor ist sicher die Physiognomie des Hundes. Hunde mit kurzem Fell produzieren in der Regel die besseren Ergebnisse, weil sich unter langem Gesichtsfell die Gesichtskirmes nur erahnen lässt. Bei den kurzhaarigen Hunden lässt sich meist alles sehr gut erkennen, was meines Erachtens nach den Reiz der Bilder ausmacht – die Emotion bzw. Hundegesichter, in denen wir glauben, Emotionen wie Freude, Verlangen, Panik oder Wohlgefühl zu sehen.
Unter wachsender Felllänge verschwindet der Eindruck zunehmend, bis im besten Fall nur noch ein „spektakuläres“ Fangbild übrig bleibt. Im schlimmsten Fall sind die Hunde kaum noch abzulichten, weil sich mit der sehr schnellen Schnappbewegung das Haar nach oben vor die Augen schiebt. Und der Augenkontakt ist wie bei vielen anderen Fotodisziplinen auch häufig entscheidend dafür, wie toll, gut, gelungen, sensationell wir ein Bild empfinden.
Die Serie ist sehr erfolgreich geworden und als Buch im Verlag Riva erschienen. Wie ist es dazu gekommen?
Durch Social Media. Ich habe wie viele Fotograf*innen meine Arbeiten in diversen Foren und auf Portalen veröffentlicht, darunter auch auf 500px. Dort schrieb mich der Scout einer Fotoagentur an und fragte gezielt nach Schnappschussbildern für seine international arbeitende Agentur. Das war im Dezember 2015. Ich dachte mir nicht viel dabei, hatte aber natürlich auch nichts zu verlieren.
Überraschenderweise funktionierten die Bilder aber gut und wanderten durch Blätter und Magazine wie Daily Mail, Sun, Bild, 20 Minuten Schweiz, Krone, Huffington Post und viele mehr. Facebookgiganten mit Millionen Follower*innen griffen die Bilder auf und meine eigene Facebookseite explodierte in wenigen Tagen ebenfalls. (Wahrscheinlich blieb dabei noch eine Menge liegen, weil einige der Unterhaltungsseiten es mit den Credits nicht so genau nahmen und ohne Verweis auf mich posteten.)
Nur mit einer Webseitenpräsenz wäre das jedenfalls kaum machbar gewesen. In dieser Zeit klopfte auch der amerikanische Verlag an, der dafür sorgte, dass das Buch in Deutschland jetzt bei Riva erscheint.
Hat die Serie dazu beigetragen, dass Du Dich für die Fotografie als Hauptberuf entschieden hast?
Die Serie hat natürlich essentiell dazu beigetragen. Ich war Redaktionsleiter in einer gut positionierten Digitalagentur und habe mit meinem Team Social-Media-Themen für bekannte Marken kreiert und platziert, bis ich – schon fast ein Klassiker – mit Symptomen von Burnout meinen Alltag kaum noch bestreiten konnte. Das war Mitte 2016, das Buch war schon fertig und das Interesse an den Bildern groß – in der Folge war es auch gut um die Buchung von Shootings bei mir bestellt.
Ich hatte also das ganz große Glück, dass ich mich als Fotograf neu erfinden konnte. Ich musste diesen Weg beschreiten, ansonsten hätte ich vor einem großen Loch gestanden, da es im alten Job für mich auch keine Perspektive mehr gab.
Als selbstständiger Fotograf ist es sicher auch nicht immer einfach. Wie sorgst Du dafür, dass Dir die Arbeit als Tierfotograf weiterhin Spaß macht und sich nicht wieder in krankhaften Stress verwandelt?
Im Moment mache ich mir bezüglich des „bösen Stress“ da wenig Sorgen. Ich freue mich auch nach gefühlt 100.000 Schnappschüssen immer noch über den „einen geilen Treffer“, der den Hund charmant, putzig, lustig, zum Verlieben zeigt. Auf eine kuriose Art und Weise nutzt sich die (zugegebenermaßen recht spezielle Art der) Ästhetik bei mir nicht ab. Dazu hänge ich gerade durch den hohen Anfragegrad und die Popularität der Bilder thematisch stark auf den Schnappschüssen fest.
Ich habe viele Ideen im Kopf, die auf Umsetzung warten – nur habe ich gerade wenig Zeit für sie. Die Motivation, künftig noch tolle Sachen realisieren zu können, freut mich sehr. Mir ist aber sehr, sehr bewusst, dass ich gerade in einer Blase lebe.
Der Erfolg der Bilder trägt extrem dazu bei, nicht täglich die Selbständigkeit finanziell neu überdenken zu müssen. Dazu sind das mediale Interesse und die zahlreichen Kooperationsmöglichkeiten natürlich super spannend. Krankhaften Stress sehe ich gerade nicht, weil alles so positiv um mich herum aufgeladen ist, obwohl ich 24/7 arbeite.
Ich hatte auch mal eine Fotoserie, die viral ging. Es kamen wirklich viele positive Nachrichten und insgesamt war der Zuspruch sehr motivierend. Gleichzeitig gab es auch einige Schattenseiten, wie Urheberrechtsverletzungen und die Tatsache, dass auch große Zeitungen keinen Cent mehr für solche Inhalte zahlen. Kannst Du vielleicht mit unseren Leser*innen eine wichtige Erfahrung teilen und Tipps geben, falls sie auch einmal in diese Lage kommen sollten?
Je nachdem, wie viral die Bilder gehen, hast Du bei Urheberrechtsverletzungen kaum eine Chance. Mein Tipp deshalb: lässig bleiben, die eigenen Ressourcen sparen und aus der Not die Tugend zum eigenen Vorteil machen. Es macht keinen Sinn, sich an den Betreibern eines Hundeforums mit 200 Mitgliedern aufzureiben, weil die ungefragt Bilder auf Facebook verwendet haben. Ist mir selbst passiert: Da kommt auf Anfrage eine Antwort, die einen vor Lachen und Verzweiflung kaum noch schlafen lässt.
Wichtiger ist es, dass die Seiten mit großen Fanzahlen das Urheberrecht einhalten. Zudem ist ein Logo sinnvoll und das sollte nicht das liebevoll selbstgestaltete Logo mit Comic Sans sein, sondern ein klar erkennbares Logo, das auch noch im „Überflug“ wahrnehmbar ist. Ein Logo sollte nicht immer am unteren Bildrand platziert werden, denn bei der „Wiederverwendung“ im Netz fällt aufgrund von festen Formaten und Beschnitt das Logo dann häufiger unten raus. Das Recht auf seiner Seite zu haben hilft dann wenig.
Wenn innerhalb eines Tages die Fotos „explodieren“ und keiner das Logo erkennen konnte, ist es egal, ob eine Seite da Mist gebaut hat. Derjenige entschuldigt sich im Zweifel und entfernt das Material wieder oder holt den Credit nach. Aber der „Boom“ ist längst vorbei.
Zudem kann man die Bilder auch selbst pushen, wenn man möchte. Einige Medienseiten auf Facebook stehen in enger Konkurrenz zueinander. Wenn bei Bored Panda und Konsorten ein Videoschnitt von Deinen Bildern online geht, werden das andere große Seiten auch machen wollen. Hier kann man dann die Bilder anbieten und sagen: „Hey, die haben’s gemacht – habt Ihr auch Lust?“
Vielen Dank für die Tipps und Deine Zeit. Ich wünsche Dir noch viel Erfolg mit dem Projekt und bin gespannt, was nach den „Schnappschüssen“ kommt.
Informationen zum Buch
Schnappschüsse von Christian Vieler
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Seiten: 144
Maße: 21 × 21 cm
Verlag: Riva
Preis: 16,99 €