Im Gespräch mit Caroline Zenker
Da ich bisher nur wenig Berührungspunkte mit Beauty und Retusche hatte, war ich sehr neugierig und froh, dass Caroline Zenker einem Interview zustimmte. Ich traf die junge Fotografin in Braunschweig und wusste, dass wir gemeinsam einige Zeit im Auto verbringen werden, um zu einem kleinen Fotografentreffen zu fahren. Deshalb nahm ich mein Aufnahmegerät in der Hoffnung mit, ihr in einem lockeren Gespräch während der Autofahrt all meine Fragen stellen zu können.
Doch hatte nicht mit einem Smart gerechnet. Die Lautstärke in einem so kleinen Auto auf einer Autobahn schafft das beste Mikrofon nicht. Also unterhielten wir uns ohne Aufnahme über Gott und die Welt. Wieder zu Hause führten wir das geplante Interview dann per E-Mail.
Wie bist Du zur Fotografie gekommen?
Fotografie war schon relativ früh ein Teil meines Lebens. Irgendwann gab es mal eine kleine Digitalkamera zu Weihnachten und natürlich musste diese dann auch überall mit hin. Festgehalten wurde grundsätzlich erst einmal alles, von Zimmerpflanzen, Wald und Wiesen über Familie und Freunden bis hin zu Gebäuden und Straßen. Allerdings verlor ich bei vielem schnell das Interesse und mir wurde klar, dass ich gern Menschen fotografiere würde und zwar so wie auf den schönen Bildern in den Magazinen.
Das Geld für die erste Spiegelreflexkamera verdiente ich mir mit 16 Jahren, indem ich Englischunterricht für Kinder an einer Sprachschule in meinem Ort gab. Von da an plante ich kleinere Fotosessions mit Freunden und Bekannten. Wirklich intensiv mit Beauty- und Fashionfotografie beschäftige ich mich allerdings erst seit ungefähr vier Jahren.
Jedoch bereits sehr erfolgreich in diesem hart umkämpften Markt. Du hast schon für einige Magazine und Agenturen gearbeitet. Hast Du am Anfang mal einen Punkt erreicht, an dem Du alles hinschmeißen wolltest?
Es ist natürlich immer schön und schmeichelhaft, wenn die eigenen Arbeiten gut ankommen oder man gelobt wird, aber für mich war es ehrlich gesagt noch nie ein Problem, wenn jemandem nicht gefällt, was ich tue. Fotografie ist ein viel zu großer Teil von mir geworden, eine Möglichkeit, mich auszudrücken, mich selbst besser kennenzulernen. Ich kann mein Glück und meine eigenen Zufriedenheit nicht von der Meinung anderer abhängig machen. Für mich war schon in meiner Schulzeit klar: Ich werde mein Leben der Fotografie widmen, fotografieren. Und zwar egal, wie.
Natürlich hatte ich gerade am Anfang finanzielle Bedenken und hätte meine Selbstverwirklichung ohne die Unterstützung meiner Familie sicherlich auch nicht geschafft. Aber meine Familie ist die wichtigste Stütze in meinem Leben und hat mir schon immer das Gefühl vermittelt, dass ich alles erreichen kann, wenn ich es nur möchte. Klar hat jeder mal einen schlechten Tag und auch, wenn vielleicht mal der Gedanke aufkam, nebenher noch etwas anderes zu machen, habe ich niemals ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, die Fotografie aufzugeben. Dafür bin ich zu sehr Idealist, glaube fest daran, dass man am glücklichsten ist, wenn man das tut, was man liebt.
Klingt als wäre es relativ einfach, Fuß in dem Geschäft zu fassen. Nur genug Leidenschaft und Rückhalt?
Leider hat das eine ja erst einmal nicht so viel mit dem anderen zu tun. Zu wissen, wer man sein möchte und was man mit seinem Leben anstellen will… das ist wichtig und schön. Allerdings etwas ganz anderes, als auch erfolgreich in einem Geschäft zu sein. Leidenschaft und Rückhalt bringen relativ wenig, wenn man nicht weiß, was für ein Klientel man abdecken möchte. Das Einordnen der eigenen Arbeit ist wichtig. Was kann ich? Womit komme ich gut zurecht? Wer sucht das?
Ich würde nicht unbedingt von mir behaupten, sonderlich groß und erfolgreich im Geschäft zu sein. Dafür bin ich aktuell noch viel zu breit gefächert und zerstreut, mache hier ein paar Hochzeiten, dort mal eine Magazinstrecke und dann eine Sedcard oder etwas Bildretusche, verdiene meinen Lebensunterhalt sozusagen auf ganz unterschiedliche Weise. Für den Moment ist das auch noch in Ordnung so; ich lerne Neues über mich kennen und kann noch experimentieren. Ich beschäftige mich zum Beispiel nun schon seit zwei Jahren mit dem Thema Retusche und biete neben meiner Fotografie auch Dienstleistungen im Bereich an.
Ist die Retusche etwas, von dem Du Dir vorstellen könntest, Dich nur noch darauf zu konzentrieren, wenn Du sagst, Du müsstest Dich eigentlich besser auf eine Sache konzentrieren?
Wie schon vorher angesprochen habe ich nicht vor, das Fotografieren jemals aufzugeben, allerdings könnte ich mir durchaus vorstellen, das Retuschieren oder generell Nachbearbeitung zu meinem Hauptjob zu machen, ja. Ich arbeite auf jeden Fall weiterhin fleißig an meinen Fähigkeiten in dem Bereich und habe Spaß daran.
Wenn ich an Retusche denke, erinnere ich mich nur an stundenlanges Sitzen vorm PC und ewiges Klicken auf Pixel. Was reizt Dich an dieser Arbeit?
Man kommt zwar nicht wirklich um das „Lange-am-Schreibtisch-Sitzen“ herum, aber für die Ergebnisse, die man erzielen kann, mache ich das eigentlich ganz gern! Generell finde ich es schrecklich spannend, das Maximum aus einem Bild rauszuholen. Wie viel geht noch? Was kann man so vor Ort nicht machen, aber später hinzufügen? Oder vielleicht aufgrund schlechter Lichtverhältnisse ausbessern? Man kann so viel durch Farben und Kleinigkeiten aufwerten und spannender machen. Natürlich ist es irgendwo auch eine Geschmacksfrage, ob und wie viel Retusche man an seinen Arbeiten mag.
Für mich persönlich nimmt die Retusche sicherlich 50 % der Arbeit an einem Bild ein. Nach einer Fotosession bin ich auch meistens richtig aufgeregt und freue mich darauf, endlich am Computer loszulegen, um den Bildern den perfekten Schliff zu verpassen. Ich liebe es, Haut zu bearbeiten, bin ein großer Fan von Poren und Texturen. Aber ich muss gestehen, dass ich gerade am Anfang relativ schnell an Kleinigkeiten festhing, die man im Großen und Ganzen dann zum Beispiel gar nicht wahrnimmt. Es sei denn, man druckt das Ganze auf A0. Niemand druckt irgendetwas auf A0. Es hat eine Weile gedauert und auch einiges an Überwindung gekostet, Kleinigkeiten auch mal Kleinigkeiten sein zu lassen und sich auf das Gesamtbild zu konzentrieren. Inzwischen versuche ich, nicht länger als 90 Minuten an einem Bild zu sitzen.
Gerade im Beautybereich wird die Perfektion propagiert. Perfektes Haar, perfekte Haut, perfekte Figur. In Magazinen sieht man Schönheitsideale, die eher unrealistisch sind und Modelle, die oft eher wie Puppen wirken. Du hast damit in einem Alter angefangen, in dem man schnell Selbstzweifel bekommt, wenn man das alles nicht kritisch hinterfragt. Wie gehst Du damit um? Wie war das früher für Dich?
Da ich früher selbst starke Akne hatte, war es natürlich toll, dank Photoshop in der Lage zu sein, mein Gesicht mit ein paar Klicks pickelfrei zu zaubern. Pickel sind keine Konstante im Gesicht einer Person. Mit dieser Einstellung gehe ich generell gern an die Retusche. Muttermale und Sommersprossen sind wichtige Eigenheiten in Gesichtern, Pickel und Kratzer sind nur vorübergehend da. Vorübergehendes wird retuschiert, Eigenheiten, die immer im Gesicht sind, lasse ich gern da.
Das Hauptproblem bei Fashionstrecken in Magazinen ist allerdings eher das extreme Verflüssigen von Körperformen und Gesichtern. Das mache ich wirklich ungern, auch, wenn sich Privatkunden häufig gern mal einen schmaleren Oberarm oder längere Beine wünschen.
Allerdings kann man sich diesbezüglich heutzutage auch recht schnell selbst aufklären, indem man die Begriffe „vorher nachher“, „Photoshop“, „no makeup“ oder ähnliches in eine Suchmaschine eingibt. Es gibt einen Haufen Beispielbilder, sogar direkte Vergleiche aus den Hochglanzmagazinen zu finden. Und das ist auch wichtig so.
Für mich persönlich hat sich durch die Retusche und das Wissen um Retusche die Wahrnehmung von Schönheit auf jeden Fall insofern verändert, als dass ich mehr auf den Ausdruck und unkonventionelle Gesichtsproportionen schaue, als auf perfekte Haut oder schöne Figuren. Die frühe Auseinandersetzung mit der Thematik hat mich, wenn überhaupt, eher positiv beeinflusst, weil ich in der Lage bin, hinter die Kulissen zu schauen und zu realisieren, dass wir alle nur Menschen sind. Auch das schönste Covermodell ist mal unsicher, vielleicht hat es starke Augenringe oder einen schlechten Tag und zwei Pickel. Das ist unfassbar beruhigend und menschlich. Nur sieht und spricht man nicht darüber. Gezeigt wird Perfektion und ein strahlendes Lächeln.
Interessant finde ich allerdings auch, wie Schauspieler für Film und Fernsehen zurechtgemacht werden. Haarextensions, falsche Wimpern, gemachte Brüste und Gesichter, Einheitsfrisuren… da wird uns noch einmal ein ganz anderes, nicht minder unerreichbares Ideal vorgelebt, das man nicht mal eben mit Photoshop oder Retusche rechtfertigen kann.
Nach welchen Gesichtern suchst Du, wenn Du ein Modell buchen möchtest? Wie findest Du Deine Modelle?
Bei der Modellsuche wende ich mich inzwischen fast ausschließlich an Modellagenturen. Natürlich setzt das auch immer voraus, dass die Bilder, die ich plane, einen Mehrwert (in Form von brauchbaren Sedcardfotos) für die Agentur und das Modell selbst haben.
Der Vorteil bei der Zusammenarbeit mit Modellagenturen ist zum einen eine angenehme und unkomplizierte Planung und Kommunikation, zum anderen aber auch die Tatsache, dass die meisten Modelle keine Anfänger mehr sind und sich gut bewegen können. Das erleichtert einfach viel Arbeit während des Fotografierens und alles läuft „flüssiger“ und natürlicher ab.
Der Nachteil: Bei privaten Projekten, die sich nicht mit dem Thema Portrait oder Fashion beschäftigen, ist es eher unwahrscheinlich, dass Agenturen mitmachen. In so einem Fall durchforste ich Facebook oder Fotoplattformen generell nach Gesichtern, die mich ansprechen. Ich habe allerdings auch schon ein paar Mal Leute einfach so privat angequatscht. Leider ist die Rückmeldungsrate eher gering ausgefallen.
Generell sind mir Augen und Ausdruck am wichtigsten. Nichts finde ich schlimmer, als leere Augen und verkniffene Gesichter. Allerdings gibt es für mich keine Formel, die man anwenden kann, um das perfekte Modell zu finden. Es ist eher ein Zusammenspiel von kleinen Ungewöhnlichkeiten, die zusammengenommen ein spannendes Gesicht ausmachen und kommt auch ganz auf die Bilder an, die ich in meinem Kopf habe und was ich dafür als passend empfinde. Anders herum kann mich aber ein Gesicht auch so inspirieren, dass das Foto sich auf dem Gesicht aufbaut.
Hast Du einen Tipp für Fotografen, die sich bisher noch nicht getraut haben, eine Agentur anzuschreiben?
Modellagenturen haben immer wieder mal ganz neue Gesichter, die unbedingt Bilder zum Auffüllen der Sedcard brauchen. Wichtig ist nur, dass Ihr von vornherein klar zu verstehen gebt, was Ihr geplant habt, damit die Agentur einschätzen kann, ob das vom Bildstil her passt. Dazu gehört auf jeden Fall ein Link zur eigenen Seite und ein bisschen Text zur angedachten Session.
Dazu hängt Ihr idealerweise einfach ein kleines Moodboard an. Ein Moodboard ist eine Sammlung von Bildern (nicht zwingend die eigenen), die der Inspiration und Planung dienen soll und einen Überblick gibt. So weiß jeder, worum es geht und es kann einfacher kommuniziert und geplant werden.
Vielen Dank für das Interview, den Einblick in Deine Arbeiten und die Tipps.