Der Leipziger Ring auf einem Bild
Vor zwei Jahren zeigte mir der Verleger Mark Lehmstedt auf der Leipziger Buchmesse ein extrem langes Leporello mit einer Lithographie aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es handelte sich dabei um eine Abbildung des dreieinhalb Kilometer langen Leipziger Rings auf zehn nahtlos aneinandergefügten Panoramen.
Wir kamen ins Gespräch und er fragte mich, ob es nicht möglich wäre, ein solches Straßenpanorama heute noch einmal zu erstellen. Zum tausendjährigen Jubiläum der Stadt Leipzig in diesem Jahr wäre dies doch eine interessante Gegenüberstellung.
Es war in der Tat möglich und so machte ich mich daran, in langwieriger Detailarbeit eine vergleichbare, zusammenhängende Panorama-Montage des gegenwärtigen Leipziger Rings zu erstellen, die anschließend in Form eines Buches und einer Ausstellung präsentiert werden sollte.
Diese lineare Abwicklung unterscheidet sich grundlegend von den klassischen Panoramen, die, von einem einzigen Standpunkt aufgenommen, meist leicht per Software zusammengefügt werden können. Die zahlreichen Einzelbilder der linearen Montage müssen in aufwändiger Handarbeit zusammengefügt werden, so dass die unterschiedlichen Perspektiven der einzelnen Abschnitte möglichst gut miteinander harmonieren.
Auf diese Art habe ich die Gebäude am Leipziger Ring entlang seiner kompletten Länge abgewickelt und die Straße auf eine Art visualisiert, wie man sie in der Realität nie sehen könnte. So wird es möglich, zu betrachten, wie die Stadt strukturiert ist und welche Architekturstile sie prägen. Studiert man die Gebäude im Detail und betrachtet ihre jeweilige Nutzung, so entdeckt man, welche Spuren Zeit und Gesellschaft an ihnen hinterlassen haben.
Exakt übereinander präsentiert kann man die Gebäude, die Struktur des Leipziger Rings und Leipzigs Gesellschaft von 1850 und 2015 direkt miteinander vergleichen. Mit durchaus überraschenden Erkenntnissen: So existieren beispielsweise gerade einmal zwei der Gebäude von 1850 auch heute noch; eines davon ist die Thomaskirche. Weiterhin gab es viele der Straßen, die heute aus dem Zentrum herausführen, im Jahr 1850 noch gar nicht.
Damals war die Struktur noch stark durch die mittelalterlichen Befestigungen geprägt, durch die nur wenige Stadttore und Pforten hindurchführten.
Natürlich gibt es weitere spannende Details zu entdecken: Spuren der DDR-Architektur, das erste sowie das höchste Hochhaus der Stadt stehen am Ring, die alte Pleißenburg wurde zum neuen Rathaus, Richard Wagner steht erst seit Kurzem dauerhaft in seiner Geburtsstadt.
Angesichts dieser ungewöhnlichen Stadtdarstellung ist es interessant, zu überlegen, wo sich noch ähnliche Panoramen anfertigen lassen. Bisher existieren beispielsweise langgestreckte Ansichten der Londoner Themse oder des ehemaligen Mauerstreifens in Berlin. Und doch sind derart umfangreiche architektonische Panoramen rar.
Auch gibt es nicht überall einen kompakten, zusammenhängend fotografierbaren Stadtring wie in Leipzig. Vielversprechend sind aber lange legendäre Geschäftsstraßen wie beispielsweise die komplette Rue de Rivoli in Paris, die Friedrichsstraße in Berlin, die Istiklal Caddesi in Istanbul oder auch der Strøget in Kopenhagen.
Die beiden Panorama-Ansichten des Leipziger Rings sind als 30 Meter lange Drucke noch bis zum 13. Juni im Oberlichtsaal der Stadtbibliothek Leipzig, Wilhelm-Leuschner-Platz 10-11 zu sehen. Der Eintrit ist frei.
Das Begleitbuch* mit einem Hintergrundtext zum Panorama zeigt sowohl den Vergleich beider Panoramen als auch beide Ansichten einzeln zum Durchblättern. Es ist im März 2015 im Verlag Lehmstedt als gebundene Ausgabe erschienen und kostet 19,90 €.
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