Eine naive Reise nach Island
Fotografie und Island sind gleichermaßen wichtig für mich und untrennbar mit meinem Leben verbunden. Aber das war nicht immer so. Während unseres letzten Jahres an der High School entschieden ein Freund und ich uns dazu, nach Abschluss der Prüfungen etwas zu unternehmen. Zuerst alberten wir herum, planten, Raumfahrer zu werden, uns nach Nordkorea zu schleusen oder Blauwale zu reiten. Das Übliche eben. Schließlich schlug ich vor, Island zu besuchen.
Als Teenager aus Wales wussten wir nichts von dieser Insel Richtung Arktis, für uns war es immer noch ein Witz, also befragten wir Google. Nun waren wir aber überwältigt von den Bildern, die wir fanden. Da wir absolut keine Ahnung hatten, was wir nach Abschluss der Schule tun sollten, brachte uns die Schönheit dieser Bilder dazu, Flüge zu dieser „Witz-Insel“ zu buchen. Unsere Freunde und Familien konnten unsere wahllose und lächerliche Idee nicht nachvollziehen.
Als wir uns auf unser Abenteuer vorbereiteten, besorgte sich mein Freund eine analoge Kamera. So wie unsere Island-Idee war es ein Witz, ein Relikt aus vergangener Zeit, über das wir nichts wussten. Konnten diese Kameras noch Fotos aufnehmen? Ich fand eine Pentax K1000 für 20 £ und wollte es damit versuchen, große Erwartungen daran hatte ich aber nicht. Die selbe Neugier, Langeweile und Scheiß-drauf-Einstellung, die uns die Flüge nach Island einbrachte, führte uns zu unseren ersten Kameras.
Wenige Wochen später waren unsere Prüfungen vorbei und vergessen, als wir aus dem Flugzeug stiegen und uns in Island wiederfanden. Gerade raus aus der Schule, naiv und ehrlich gesagt auch dumm, wie wir waren, hatten wir keine Ahnung, was wir da taten. Wir waren bepackt mit Zelten, Wanderschuhen und unseren Kameras, also war der Plan, zu campen, zu wandern und Island zu fotografieren. Wir waren zwar Idioten, aber Idioten mit der Freiheit, auf dieser Insel tun und lassen zu können, was wir wollten.
Vier Wochen später betraten wir wieder das Flugzeug, aber alles war anders. Ich wusste einen Scheiß über mein Leben, bevor wir nach Island gingen. Nun aber wusste ich alles. Ich wollte Berge besteigen, monatelang wild campen, ich wollte trampen, verrückte Leute treffen, vor der Modernität flüchten. Ich wollte einfach mehr davon.
Ich kann nicht erklären, wie ein Flugticket und eine schäbige alte Kamera mein Leben verändert haben. Ich unterteile mein Leben nun in Pre-Island und Post-Island oder auch in Pre-Fotografie und Post-Fotografie. Was als Witz begann, ist nun mein Leben, es ist genau das, was ich will. Ich kehrte aus Island mit Erfahrung, einer neuen Perspektive und einer Handvoll Filmen zurück.
So wie die meisten Menschen von ihrer ersten Begegnung mit Freiheit und Abenteuer nach Hause zurückkehren, fühlte ich mich beschissen, ich wollte wieder fliehen. Aber dann waren meine Fotos fertig entwickelt. Ich war überwältigt, so wie bei der Google-Suche über Island. Ich wusste, dass ich Island und das Reisen liebte, aber nun liebte ich auch die Fotografie. Freiheit und Abenteuer zu erleben, war alles für mich und nun kam das Fotografieren dazu.
Drei Jahre sind inzwischen vergangen. Ich liebe Island, Reisen und Fotografie mehr denn je. Zwar bin ich inzwischen Student, gefangen in den Fesseln der akademischen Welt, aber ich nutze jede Chance, um zu reisen. Mittlerweile habe ich gute zwölf Monate allein auf Reisen durch Europa verbracht und einen großen Stapel an Negativen gesammelt.
Es fühlt sich so an, als wäre es nur die Spitze des Eisberges. Momentan beginne ich, Fotografie erst richtig schätzen zu lernen, was die Arbeit anderer, aber auch meine eigene angeht. Ich möchte weiter reisen, zu größeren, einsameren, schöneren Orten und mehr und mehr Fotos machen. Die Liste an Fotografen, die mich inspiriert haben, ist lang und wächst immer weiter. Ich weiß nicht, wo ich ohne sie wäre.
In den letzten drei Jahren habe ich Island dreimal besucht, sommers wie winters, und habe zwei Wochen lang jeden Winkel dieser schönen Insel erforscht. Je mehr ich über Island lerne, desto mehr lerne ich über Fotografie und über mich selbst. In ein paar Wochen reise ich zu einer ebenso faszinierenden und fesselnden Insel: Neuseeland.
Ich stehe noch ganz am Anfang meines langen Lebens mit der Fotografie. Ich hoffe, dass mir das Jahr, das ich in Neuseeland verbringen werde, erlauben wird, mich als Fotograf zu entwickeln. Wenn ich nicht mit meinem Freund zu Schulzeiten nach Island gesucht hätte, wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Was als Albernheit begann, entwickelte sich zum Lebensinhalt, gab mir einen Weg, zu reisen und zu lernen.
Dieser Artikel wurde von Chris Hieronimus für Euch aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.
Die kompositorisch recht ordentlichen Bilder dieser unglaublich schönen Insel wären auch ansehnlich ohne die albernen Lens Flares
LOL, das selbe dache ich auch als erstes.
Zur Insel selbst. Diese steht auf meiner „must have“ auch noch in den Favoriten. :-)
Mein liebster Gerald. Wenn schon meckern, dann wenigstens fachlich korrekt. Das sind nämlich keine Lensflares.
Mimimi
Da hast natürlich recht, Frau Prinzessin, aber die fachliche Kompetenz überlasse ich der Redaktion :-) Dennoch wären die Bilder ohne Flrecken und Kratzer m.E. besser, da diese hier doch als unnötige Bildebene störend sind.
Es ist doch immer wieder schön zu lesen, wie aus einer Sturm-und-Drang-Phase – die wohl die meisten durchmachen – und viel jugendlicher Naivität etwas ordentliches und spannendes entsteht. Bei mir führte diese Reise nach China, nicht nach Island. Aber die beschriebenen Gefühle kann ich sehr gut nachempfinden.
Ich las diese Geschichte sehr gerne und sie ist mit einigen Aufnahmen bebildert, die mir gut gefallen. Lens-Flare oder wohl eher Lichtflecken aufgrund einer alten undichten Kamera hin oder her. Oder vielleicht sogar genau deshalb, da diese Makel so wunderbar zur Unbeschwertheit einer solchen Reise und Phase passen.
Sehe ich genauso, Leah; Muß denn immer alles „technisch“ perfekt sein ??
Island habe ich 2mal für 14 Tage genießen dürfen und bin dieser Insel vollkommen ausgeliefert!
Kaum ein Tag vergeht, an dem ich nicht an Island denke…und an´s fotografieren.
Auch wenn ich langsam Artikel über Fotografie in Verbindung mit Island echt nicht mehr lesen mag, muss man sagen, dass hier wenigstens mal etwas andere Bilder, als die ewig gleichen s/w Wasserfälle, von Island zu sehen sind.
Ich kann deine Geschichte nur zu gut nachvollziehen und sie auf mich reflektieren. Mir ging es ähnlich mit Schweden. Ein mal dort gewesen lässt es einen nicht mehr los. Bringt man dann noch einigermaßen gute Bilder mit nach Hause, ist es ganz vorbei. Nun war ich/wir schon über 4 mal in Schweden und es ist immer wieder aufs neue spannend.
Danke für diesen tollen Bericht.
Bin ich froh, das es nicht nur mir so geht :)
PS: Island steht auch ganz weit oben auf meiner Liste.
ich fühle mich wunderbar erfrischt nach deinem artikel und fühlte mich noch einmal kurz so, wie damals, als alles förmlich offen vor uns stand und wir doch so wenig von der welt wussten, weil die schule das letzte war, das uns das leben lehrte.
Der Autor dieser Artikel ist ein guter Freund von mir und ich kann ehrlich sagen, dass er ein der meist inspirierenden Menschen ist. Viel dank für die Inspiration, viele neue Fotos und Erfahrungen in Neuseeland!
Ich habe damals schon Sonic Iceland von Kai Müller verfolgt, doch diese Aufnahmen haben einen besonderen, unglaublich anmutigen Charme. Von der Magie des Landes höre ich immer wieder von Leuten, die dort waren. Macht neugierig, möglicherweise auch ohne Apparat in der Tasche.
Hi Brenning,
I know exactly what you mean. Doing something without having any specific target or purpose in mind is what makes me feel free and unleashes so much energy.
May I ask how much post-processing has been done and what kind of film you used?
Best,
Daniel
Nein, KEIN Gemecker!
Aber: mich würde auch der Film interessieren; nicht, weil ich so begeistert von den Farben bin, sondern eher das Gegenteil.
Wie kann ich in einer solch tollen Gegend, die so ein tolles Licht zaubert, so flaue und trübe Bilder produzieren??? (Billig(st) Film und schlechte Entwicklung?)
Das Gefühl aber, einfach loszufahren, kenne ich zu gut. Weiter so!!!
Meckern darf ruhig mal sein.
Der Film ist so flau, damit auch der dümmste August das „analog“ mit dem Holzhammer bekommt :-)
Was schätzt du denn so an der Fotografie? Welche Bedeutung hat die Fotografie für dich?
Die Fragen stellen sich mir nach dem Lesen.
Ich war letzten Sommer in Island und es war so wunderschön! Allerdings finde ich, dass die Photos jetzt nicht unbedingt diese Schönheit vermitteln. (Vielleicht, um sich von den kitschigen Naturphotographien abzuheben, von denen wir überschwemmt werden?) Aber ich muss sagen, Island ist WIRKLICH kitschig-schön! Die Schönheit der Landschaft raubt einen manchmal förmlich den Atem. Man mag es fast nicht glauben, wenn man noch nicht selbst dort war :)
Ich mag diese „Unvollkommenheit“ der zur Anwendung gekommenen Technik. Danke für den Beitrag.
Ich auch.
ISLAND – (m)ein Traumland!
Eine Auswahl, die dem kleinen Œuvre des Photografen nicht gerecht wird. Auf seinem stream sind zum Teil sehr eigenwillige und atmosphärische Bilder zu bestaunen. Warum man einmal mehr – um mich polemisch auszudrücken – ›hässliche‹ Abbilder zu etwas Besonderen auserwählt, erschließt sich mir nicht.
Wenn die Landschaft Islands ›wirklich‹ schön ist wie eine Vorrednerin lobpries: Warum dann diese un-wirklich anmutende photographische Umsetzung? Die Flusen auf dem Titelbild spotten der Magie dieses Ortes, denn sie zeugen vom Menschen und seinem ›materiellen Auge‹. Das, was das Titelbild da ›behauptet‹, existiert so nicht! Vielmehr kommt hier der Unmut des Photografen über die Modernität, vor der er auch flieht, zum Ausdruck. Der Photograph dringt mit seiner Verdrossenheit in ein insulares und weitestgehend authentisches Refugium ein.
Die analoge Photographie mit all ihren Makeln ist die sichtbar-gemachte Sehnsucht einer Zeit, die mehr und mehr perfektioniert und funktionalisiert wird; sie ist die Sehnsucht einer Zeit, in der die Natürlichkeit zu Gunsten einer merkantil verwertbaren Künstlichkeit sukzessive aufgegeben wird …
Und der Photograph? Ein Verweigerer? Sein visueller Ausdruck zumindest ist ein gelungenes Sinnbild dessen.
“Make visible what, without you, might perhaps never have been seen.”
Robert Bresson
:-)
Schöner Artikel, spannend erzählt die Reise auf der Suche nach dem eigenen Ich. Freue mich für den Verfasser dieses Ziel erreicht zu haben.
Nun noch eine Anmerkung zu Island. Ich liebe dieses Land und habe es in Teilen auch schon bereist und beeindruckende Bilder gemacht. Doch die letzten beiden Aufenthalte machen mir Sorge was mit diesem Juwel noch passiert. Die ungelenkten Touristenströme, vor allem aus dem asiatischen Raum ( ich bin kein Rassist ) werden ihre Spuren hinterlassen. 2016 werden 1.5 Millionen Touristen erwartet, das Land hat ca. 300.000 Einwohner. Bei vielen blinken die Dollarzeichen, aber wie überall wird nur eine Handvoll Privilegierter den Rahm abschöpfen.
An Hotspots muss man sich, egal zu welcher Tageszeit, auf Scharen von Fotografen einstellen. Das Gefühl mit dem Motiv im Dialog zu stehen wird extrem gestört und zwar durch egoistische selbstverliebte Selfiejunkies die einem keine Chance geben ein vernünftiges Bild zu machen. Und das inzwischen ausserhalb der Hauptreisezeiten.
Zum Glück gibt es noch viele schöne einsame Flecken, aber Sie müssen erkundet werden. Ich bin gespannt wohin die Reise für dieses traumhafte Fleckchen Erde noch hingeht.