New York – Ein Winterportrait
New York bleibt, was es schon immer war: eine Stadt der Ebbe und Flut, eine Stadt des ständigen Wandels in Einwohnerschaft und wirtschaftlichen Gegebenheiten, eine Stadt, die nahezu nie ruht.
Sie ist rau, schmutzig und gefährlich, sie ist wunderlich und phantasievoll, sie ist schön und erhaben – sie ist nicht das eine oder das andere, sondern alles, alles zugleich, und dieses Paradoxon nicht zu akzeptieren, bedeutet die Realität der städtischen Existenz zu verleugnen.
(Paul Goldberger)
New York – eine Stadt der Gegensätze, die größer nicht sein könnten. Das obige Zitat habe ich aus gutem Grund ausgewählt, da es meine eigene Sichtweise auf diese Stadt sehr passend beschreibt.
Wie kann es sein, dass derselbe Ort solch unterschiedliche Gefühle – und dies auch noch zur selben Zeit – hervorrufen kann? Mit meiner Fotoserie „New York – ein Winterportrait“ möchte ich versuchen, dieses Paradox ein wenig näher zu beleuchten.
Etwa Mitte Februar bin ich für eine Woche nach New York gereist. Während die Medien stets vom harten Winter berichteten, der vor allem im Nordosten der USA und damit auch in New York wütete, fieberte ich bereits der Skyline und den verschneiten Straßen entgegen. Es waren große Erwartungen, die ich an die Stadt hatte.
Während in der Vergangenheit für viele Immigranten die abenteuerliche Reise auf der Insel Ellis Island mit Blick auf die Freiheitsstatue und die Silhouette der Stadt begann, startete mein eigener Aufenthalt am Times Square in Manhattan. Lichtreklamen, wohin man auch sieht, Ströme von Menschen, sekündliches Hupen, verschiedene, teils unangenehme Gerüche.
Gleichzeitig imposante, unendlich in die Höhe strebende Gebäude, lachende Stimmen, in der Luft liegende Bruchstücke von Musik. Ein beeindruckender, ja, überwältigender Ersteindruck von dieser Stadt. Zwiegespalten. Hier wohnen? Eher nein.
Der Winter machte sich in den Folgetagen mit all seiner Kraft in New York bemerkbar. Temperaturen von bis zu -20 °C und heftige Schneefälle bestimmten das Stadtbild. Innerhalb Manhattans verwandelte sich das weiße Gold alsbald in graufarbigen Matsch.
Die aufkommenden Schneestürme begrenzten die Weitsicht, so dass Gebäude im Gestöber verschwanden. Eine Melancholie und Tristesse lag in so mancher Seitenstraße. Gleichwohl ließen sich die Werbebanden und Leuchtreklamen mit ihrer Buntheit nicht davon beeindrucken.
Auch das rege Treiben auf den Straßen verebbte nicht. Im Gegenteil: Das emsige Treiben am Broadway war gefühlt noch intensiver. Vor allem aber war es matschig.
Die viel beschworene „Anonymität der Großstadt“ ist auf den Straßen New Yorks zum Greifen nah. Kaum eine Sekunde Zeit, um das Gegenüber zu mustern, schon verschlingt wieder der Strom von Passanten das Gesicht. Das Verschwinden in der Masse hatte jedoch auch seinen Reiz.
So schlüpfte ich gern in eine Beobachterperspektive und schaute dem Treiben der Menschen zu, ohne das Gefühl zu haben, dass es irgendjemanden interessierte. Auch war ich überrascht über die Offenheit und Hilfsbereitschaft der Menschen.
In der U-Bahn wurde stets bei Eintritt einer älteren Person der Sitz freigemacht, Fragen wurden in aller Ausführlichkeit beantwortet. Die „Small-Talk-Mentalität“ gefiel mir insgesamt sehr gut.
Ein Ort, an dem sich die weiße Pracht noch wesentlich länger hielt, war der Central Park. Diese Oase setzt einen ziemlich großen Kontrapunkt zur Naturarmut der Innenstadt und tatsächlich hatte ich hier das Gefühl, Ruhe empfinden zu können.
Gleichzeitig bot sich mir die Möglichkeit, einen näheren Blick auf diese nie stillstehende Stadt werfen zu können, in der trotz all der vorhandenen Wolkenkratzer noch immer neue Fassaden in die Höhe gezogen werden.
Ist es wirklich nötig, noch immer weiter und höher hinauszuwollen? Gleichzeitig nötigt mir die Arbeit und Mühe, die architektonische Sorgfalt Respekt ab. Ein Video, das die Aufräumarbeiten und den Aufbau des One World Trade Centers nach den Ereignissen von 9/11 dokumentierte, blieb mir diesbezüglich nachhaltig in Erinnerung.
Ein Ausflug nach Brooklyn markierte schließlich das Ende meines Urlaubs. Ein Gang über die Brooklyn Bridge, als touristisches Highlight angepriesen, entpuppte sich tatsächlich als sehens- und fühlenswert.
Seltsam mutet der Fußgängerüberweg an, der zwischen mehrspurigen Straßen angelegt ist. Den Verkehr einmal ausgeblendet, eröffnete sich mir der Blick auf die Ostseite der Stadt mit der Manhattan Bridge als weiterem Wahrzeichen.
Spannend war der Perspektivwechsel, den man während des Gangs über die Brücke einnahm: Zunächst eine Totale auf die Skyline Manhattans und das Gefühl, diesen Großstadt-Dschungel überschauen zu können. Dann jedoch das schrittweise Eintauchen in eben diesen Dschungel und die Ahnung, dass das Individuum gar nicht anders kann, als sich in dieser Metropole zu verlieren.
Nun möche ich Euch in einem letzten Abschnitt noch gern einige Informationen und Gedanken zur Bildbearbeitung geben. Das schneereiche Wetter, das der Stadt einen doch sehr „matschigen“ und „dreckigen“ Eindruck verlieh, versuchte ich auch in meine Bilder zu bannen.
Im letzten Jahr habe ich mich sehr mit Texturen und Bildüberlagerung beschäftigt und dieses neu hinzugewonnene Wissen hier angewendet. Die meisten der Bilder sind in Wahrheit eine Kombination aus zwei Bildern: Dem eigentlichen Bild und einer Textur.
Die Texturen sind ausnahmslos Wandstrukturen, die bekritzelt oder beschmiert wurden. Im einfachsten Fall könnt Ihr zum Beispiel mit dem kostenfreien Programm „Gimp“ zunächst das Originalfoto laden, um es in der Folge mit einer Wandtextur oder anderen Zweitbildern zu versehen.
Wie stark die Textur das Bild überlagern soll, könnt Ihr dann mit dem Transparenz-Regler bestimmen. Auf diese Art und Weise könnt Ihr auch ein Schwarzweißbild nachträglich kolorieren, indem Ihr eine farbige Textur über das Bild legt.
Was ich an dieser Art der Nachbearbeitung mag, ist der kreative Prozess, der sie begleitet. Für eine stimmungsvolle Kombination muss nicht nur eine Textur vorliegen – bis man eine passende Überlagerung ausgemacht hat, können viele Versuche vonnöten sein.
Schlussendlich endete der Urlaub dann ebenso paradox, wie er begonnen hatte: Genauso gern wie ich gekommen war und auch nochmals kommen werde, ging ich auch wieder.