Unendliche Weite – Europas letzte Wildnis
2.650 Kilometer. Diese Zahl sprang uns ins Auge, als wir unserer Reiseziel Kvikkjokk im Navi meines Autos eingaben. Anfang September 2014 begann unsere Reise zum Sarek Nationalpark in Schweden. Schon öfter war ich zuvor in Schweden gewesen und jedes Mal faszinierte mich dieses Land mit seinen großen Wäldern und zahlreichen Seen mehr. Somit war es nur eine Frage der Zeit, bis mich die Abenteuerlust auch in den wildesten Teil dieses Landes zog.
Schon zu Beginn der Planung war klar: Nicht allein und auch nicht ohne meine Kameraausrüstung! Schnell hatte ich auch meine beiden besten Freunde begeistern können, mit auf dieses Abenteuer zu gehen. Denn auch wenn der Sarek in Europa liegt, eine Reise dorthin ist nicht zu unterschätzen. Wanderwege sucht man vergebens, sein Handy hält man umsonst in den Himmel und Unterkünfte im Nationalpark gibt es nicht. Das heißt, man ist unterwegs ganz auf sich allein gestellt.
Somit ist auch klar, dass alles, was man mitnehmen möchte, einen die ganze Zeit begleiten wird. Jedes Gramm mehr wird man am Ende der Reise spüren und verfluchen. Das hieß auch, dass meine Kameraausrüstung abnehmen musste. Mit kam nur, was wirklich mit musste: Kamera, ein paar Akkus, Speicherkarten, ein Objektiv, ein kleines Stativ (das ich letztlich doch nicht brauchte) und die Kameratasche. Bei dem Objektiv fiel die Wahl auf das leichte Canon EFs 10 – 18 mm, da klar war, dass ich nur Landschaftsaufnahmen machen würde.
Wir kamen, nach über 30 Stunden im Auto, spät in der Nacht in Kvikkjokk an. Es regnete. Bis zum Morgen verbrachten wir die Zeit im Auto und versuchten, noch ein paar Stündchen zu schlafen. Am Morgen holte uns Björn, der in Kvikkjokk lebt, ab, um uns über den Gamajåhkå zu fahren.
Dies hatte ich zuvor mit ihm telefonisch ausgemacht. Es hatte etwas von „Ausgesetzt in der Wildnis“, als er uns mit seinem kleinen Boot über den Fluss fuhr und uns an der anderen Uferseite absetzte. Nun gab es kein Zurück mehr!
Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen und die Stimmung war nicht mehr ganz so bedrückend. Zunächst sahen wir nicht viel von der letzten Wildnis. Ein schmaler Pfad führte durch den Wald den Berg hinauf. Es war Herbst im Sarek, anders als in Deutschland hatten die Bäume schon ihr Herbstkleid angelegt.
Wir kämpften uns auf ca. 700 Meter über Null, als der Wald langsam lichter wurde und wir am Gipfel des Hochplateaus ankamen. Hier verlor sich der kleine Pfad und es waren für lange Zeit die letzten Spuren der Zivilisation, die wir sahen.
Da war sie! Die Wildnis! Die Ruhe! Die Weite! Die – was ist das? Gleich zu Anfang blickten uns etwa 20 Rentiere in die Augen. Irgendwie bedrückend. Vor lauter Erstaunen über diese tollen Tiere vergaß ich total, meine Kamera aus dem Rucksack zu holen. Denn die hatte ich noch immer dort verstaut. Im Laufe der Reise wurden die Begegnungen mit den Tieren allerdings zum Alltag und wir gewöhnten uns schnell an ihre Anwesenheit.
Erst nachdem wir noch ein paar Kilometer weiter liefen und wir einen Platz für unser Zelt gefunden hatten, fand ich die Ruhe, meine Kamera auszupacken, um endlich ein paar Fotos zu machen. Von nun an trug ich die Kamera immer vor meiner Brust, sicher verstaut in meinem ThinkTank-Holster. Denn hinten im Rucksack wird es mit der Zeit viel zu müßig, sie immer wieder rauszukramen.
Klar, irgendwann kann es auch echt nervig sein, immer dieses Ding vor der Brust zu tragen, aber letztendlich ist es die einfachste Lösung, schnell an seine Kamera zu kommen. Denn wer schon einmal einen 25-kg-Trekkingrucksack ständig auf- und abgesetzt hat, weiß, wovon ich spreche.
Ein weiterer Vorteil, den die Aufbewahrung vor der Brust mit sich bringt, ist, dass die Kamera stets sicher und trocken verstaut ist. Auch bei Regen kann man so die Kamera schnell mal rauszücken und genauso schnell wieder verschwinden lassen. Echt praktisch. Gerade im Sarek, wo sich die Wetterlage alle fünf Minuten ändert.
Ausgeschlafen sollte es am nächsten Morgen tiefer in den Sarek gehen. Laut Landkarte, denn ein Navi hatten wir nicht mit, standen uns rund 20 Kilometer bevor. Zu dem Zeitpunkt dachten wir noch, ein entspannter Tag läge vor uns. Dass dieser Tag allerdings alles andere als entspannt werden würde, ahnten wir nach den ersten zwei Kilometern.
Denn auch, wenn auf den Bildern nicht zu erkennen, glich die Landschaft vor uns einem kleinen Mond und das Tal, das wir durchquerten, bestand im Grunde nur aus Felsblöcken. So etwas hatte ich zuvor noch nie in solch einer Dimension gesehen. Wahnsinn! Als hätte jemand einen ganzen Berg zersprengt. Dazu kam die Sorge, dass irgendwem irgendetwas passiert.
Gegen Abend erreichten wir letztlich doch sicher und unversehrt unser Ziel am Fuße des Habrés. Noch kurz bevor der Regen einsetzte, hatten wir unser Zelt aufgestellt und uns für den Abend vorbereitet. Frisches Wasser geholt, das Abendbrot vorbereitet und die Schlafplätze hergerichtet. An diesem Ablauf änderte sich auch die nächsten acht Tage nichts. Irgendwie spielt sich so etwas schnell ein.
Die ganze Nacht hindurch regnete es. Immer wieder wurde ich wach und versicherte mich, dass noch alles trocken ist. Unsere Rucksäcke fanden im Vorzelt ihren Platz. Meine Kamera allerdings hatte ich unten bei meinen Füßen verstaut. Irgendwie war mir das doch lieber.
Als ich am nächsten Morgen das Zelt öffnete, blickte ich gegen eine graue Wand aus Nebel. Es hatte aufgehört zu regnen und der dichte Nebel verwandelte die Landschaft in eine schaurige Umgebung.
Den ganzen Tag löste sich der Nebel nicht auf. Erst gegen Abend, als wir erschöpft unseren dritten Lagerplatz erreichten, brach der Nebel auf. Das lag wohl am sehr starken Westwind. Nur mit Mühe konnten wir unser Zelt dieses Mal aufschlagen und es sicher im Boden verankern. Meist war es aufgrund der vielen Steine auch gar nicht so leicht, einen geeigneten Platz für unser Zelt zu finden.
Am nächsten Tag, als wir gerade ein paar Meter unterwegs waren, fand ich dieses tolle Geweih am Boden liegen. Mit den vorbeiziehenden Wolken im Hintergrund ist es eines meiner Lieblingsbilder der gesamten Reise geworden, denn es zeigt einfach eindrucksvoll, wie wild und frei der Sarek heute noch ist und erinnert mich persönlich daran, wie zerbrechlich dieses gesamte Ökosystem ist. Daher appelliere ich an dieser Stelle an alle, die auch auf eine solche Reise gehen, verantwortungsvoll mit der Natur umzugehen und diese zu schützen!
Die nächsten Tage passierten wir immer wieder große Blockfelder, Flüsse, steile Abhänge, weite Feuchtgebiete, Schneebrücken und dichtes Unterholz in den Tälern.
Durch die vielen Berge, die weiten Hochplateaus und die tiefen Täler bietet einem der Sarek eine Vielzahl von Motiven. Das raue und sich ständig wechselnde Wetter tragen ihr übriges zu den stimmungsvollen Bildern bei. Um meine Ausrüstung habe ich mir dabei nie Sorgen gemacht. Ich fotografiere mit der Canon 7D. Bei Regen, Sonne und Kälte. Bislang ohne große Vorsichtsmaßnahmen. Noch immer leistet sie die gleich gute Arbeit wie am ersten Tag.
Nach acht spannenden Tagen und Nächten erreichten wir nach zahlreichen Hindernissen wieder mein Auto. Wir waren froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, aber allen war klar: Sarek … wir sehen uns schon bald wieder!
Ich glaube, wer diese Strapazen einmal mitgemacht hat und als Belohnung dieses atemberaubende Gefühl von Freiheit erlebt hat, kommt davon nicht mehr los.
Bei der nächsten Reise werde ich allerdings den Fokus ganz klar noch mehr auf die Fotografie legen. Ich war oft einfach viel zu sehr von allem geflasht, als dass ich mich auf die Fotografie hätte konzentrieren können. Dies wird einem aber auch erst am Ende der Reise oder gar erst zuhause richtig bewusst.