Leuchtturm
02. Januar 2015 Lesezeit: ~3 Minuten

Entdecken und zur Ruhe kommen

Die Suche nach dem Motiv ist das, was mich an der Fotografie fasziniert. Nicht das Auslösen der Kamera, nicht zwangsläufig das letztliche Resultat auf dem Bildschirm zu betrachten, sondern das Sehen und Entdecken an sich. Fotografie bedeutet für mich, sich Zeit zu nehmen. Das Umfeld, die Umwelt auf sich wirken zu lassen. Das hat nichts mit Knipsen zu tun, denn nur, wenn ich mich bewusst mit dem befasse, was mich umgibt, kann ich es auch so wie ich es mir vor meinem inneren Auge vorstelle, festhalten.

Ohne Zweifel entstehen und entstanden eine Vielzahl von großartigen Fotos auch spontan, innerhalb von Sekundenbruchteilen, in denen der perfekte Moment zählt – zum Beispiel in der Street- oder Sport-Fotografie – doch zählt für mich nicht der Bruchteil eines Momentes, sondern viel mehr das zeitlose Auskosten der Szene, die ich festhalten möchte.

Ein Gebirge spiegelt sich in einem See.

Bootssteg mit Häusern im Hintergrund.

Unser alltägliches Leben ist so sehr geprägt von Stress, Hektik und dem Blick auf die Uhr (oder das Smartphone), dass ich mit meiner Art zu Fotografieren vor allem diesem entfliehen möchte. Und obwohl ich nahezu ausschließlich digital fotografiere, was für viele ja mit der Annahme einhergeht, dass nach jedem Fotostreifzug die Speicherkarte bist zum Bersten gefüllt ist, so komme ich nicht selten nach einem Tag, an dem ich stundenlang fotografiert habe, mit zwei Dutzend Fotos nach Hause.

Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass es sich bei den meisten meiner Bilder um Langzeitbelichtungen handelt, aber ebenso kommt es mir nicht auf die Masse an, sondern darauf, das Foto schon so aufzunehmen, wie es mir gefällt.

Eine Fußgängerbrücke mit Looping

Rheinturm in Düsseldorf

Merke ich beim Fotografieren, dass der Blickwinkel nicht stimmt, wechsle ich diesen und suche so lange, bis alles passt. Gefallen mir die vorbeiziehenden Wolken nicht oder ist das Licht nicht stimmig, warte ich, bis sich die Szene so darstellt, wie sie mir gefällt. So entstehen zwar nicht viele Fotos, aber eben nur solche, die genau dem entsprechen, was ich mir vorgestellt habe.

Ebenso wie ich mir Zeit zum Fotografieren nehme, möchte ich auch den, der sich meine Fotos anschaut, dazu anhalten, sich Zeit zum Betrachten zu nehmen und so möglichweise auch einen Moment zur Ruhe zu kommen. Daher ist es mir auch wichtig, meine Fotos bei Ausstellungen zu präsentieren und nicht nur als Datei auf meinem Bildschirm abzuspielen.

Ein einsamer Stein im flachen Wasser.

Leuchtturm am Meer.

Die digitale Fotografie bietet unzählig viele Möglichkeiten – auch die, dass ich diesen Artikel schreiben und Ihr meine Fotos und den Text auf Eurem Bildschirm sehen könnt – doch finde ich, dass letztlich nichts über einen physischen Druck oder eine Ausbelichtung geht.

Denn auch nur dann, wenn ein Foto den Computer verlässt und von einer digitalen Datei zum physischen Druck wird, habe ich wirklich Zeit, ohne Störungen zur Ruhe zu kommen und es auf mich wirken zu lassen.

21 Kommentare

Schreib’ einen Kommentar

Netiquette: Bleib freundlich, konstruktiv und beim Thema des Artikels. Mehr dazu.

  1. Deine Bilder und dein Text sprechen eine gemeinsame Sprache. Sehr passend finde ich, wie Du die Entschleunigung durch Langzeitbelichtung spürbar machst. Statt beispielsweise durch die Verwendung einer analogen und/oder Grossformatkamera (was man zum selben Thema auch öfter mal liest). Insbesondere Dein Schlusssatz trifft einen Nerv ei mir. Danke!

  2. Das ist jetzt ein schönes Beispiel als Kontrast zum Beitrag vom 31.12. … Ich habe zwar den Eindruck, das eine oder andere in der Fine Art Fotografie so oder ähnlich vielleicht schon mal gesehen zu haben, doch sind das handwerklich so tolle Fotos, dass ich sie einfach gerne ansehe und mich bei ihrem Anblick treiben lasse.

  3. Bei vielen Fotos, die , bei harmlosem Sujet, wie z.B. „Landschaft“ ihre Wirkung überwiegend aus dem Formalen beziehen, also aus der Komposition, Linien, Flächen, Tiefen, Hell-Dunkel-Verteilung etc. denke ich oft darüber nach, ob nicht am Ende die Malerei oder das Zeichnen die bessere Alternative wäre, in der ich jeden Halm und jeden Wolkenfetzen genau dahin setzen kann, wo ich ihn haben möchte. Und meistens finde ich in solchen Fotos ein Detail oder ein kompositorisches Element, das ich mir noch anders wünschen würde als der Fotograf es vorgefunden und abgelichtet hat, ohne es per software zu ändern.
    Bei diesen Fotos aber ist es anders: Die Kompositionen erscheinen mir so ausgewogen, überlegt und sicher, dass jede Änderungsüberlegung ins Leere läuft. Auch die textliche Erläuterung, aus der hervorgeht, dass es dazu Ruhe, Fleiß und Urteilskraft braucht, empfinde ich als angenehm unprätentiös. Oder kürzer: „Schwarzbrot statt Sahnetorte“

    Also: Herzlichen Glückwunsch.

    • Aber gerade prätentiös sind sie doch allein deshalb, weil sie manieriert sind. Der wesentlichste Aspekt wäre doch, zwischen Sahnetorte und Schwarzbrot nicht zu unterscheiden, und schon gar nicht das Sahnetortige in allem Schwarzbrot sehen zu wollen, sondern das Schwarzbrotige, welches jedoch fernab von Klischees liegt. Letztlich ist es Ästhetizismus, um den es leider in weiten Bereichen der Photographie geht, gerade eben in der nichtkonzeptionellen , und das ist doch ein seltsam Ding, sich niemals totlaufend, de facto festgefahren wie die völkische Landschaftmalerei.

      • Das ist in meinen Augen eine sehr spannende Diskussion. Sie reisst die ganz grundsätzliche Frage nach dem Sinn der (hier: Landschafts-) Fotografie auf.

        ‚Ist das Kunst oder kann das weg?‘: eine Frage, die man mit gleicher Logik auch bei den Größen des Genres und schmerzfrei auch bis hin zu Ikonen wie Herrn Adams stellen kann. Von Adams stammt der schöne Vergleich, ein Negativ sei eine Partitur, ein Abzug sei eine Aufführung. Das ist sicher ein Aspekt, der zu Patricks Schlusssatz passt, erst ein physischer Druck lasse ihn zur Ruhe und das Bild zu seiner vollen Wirkung kommen.

        Zurück zu Deiner Einwendung, die letztlich auf eine Unterscheidung zwischen Kunst und Kitsch* hinausläuft. Ich finde es überraschend, dass Du zu dieser Fragestellung kommst, wenn Du eingangs noch die Unterscheidung zwischen Sahnetorte und Schwarzbrot kritisierst! Aber egal: Du stellst in Frage, ob die ästhetische, störungsfreie, idealiserte Landschaftsftografie Kunst sei. Und warum man so was überhaupt macht, richtig?

        Ich habe mir über diese Frage mal anhand der Straßenfotografie auf meinem Blog Gedanken gemacht ( http://stefansenf.de/?p=2758 ). Kurz und knapp: Fotografie erzählt immer mehrere Geschichten. Die des Motivs, klar. Aber ganz wichtig: Auch die des Fotografen. Deswegen hatte ich oben geschrieben, dass hier Wort und Bild so gut übereinader passen. Und deswegen haben die Bilder auch Relevanz, selbst wenn sie nicht einzigartig, nie-dagewesen, skeptisch, kritisch oder dergleichen sind. Denn das – so verstehe ich Patrick – sollen sie nicht sein. Sie sind fotografische Meditationen. Bei der Aufnahme und bei der Betrachtung.

        Die Frage, ob das nun Kunst ist, beantworte ich (mir) mit der Gegenfrage: Ist das wichtig?

        *Das mit der völkischen Malerei ordne ich zwecks Ausblendung der – hier für mich gegenstandslosen – politischen Dimension mal dem Thema ‚Kitsch‘ zu.

      • Was um Gottes Willen soll denn „völkische Landschaftsmalerei“ sein ?
        So viel Begriffsakrobatik entfernt sich nach meinem Empfinden zu sehr von der Geradlinigkeit der Fotos, von denen wir hier reden.

      • Ich stimme allen Kommentaren weitestgehend zu – nur die Frage, ob etwas Kunst sei oder nicht, stösst mir (wie so oft) auf. Niemand, ausser der Schaffende, kann sagen, ob es um Kunst geht. Kunst ist der Prozess des Ausdrucks – nicht mehr, nicht weniger – unabhängig davon, wer wie anschliessend damit umzugehen weiss. Vor allem aber ist sie frei von Quantität und Qualität – frei von Wertung. Denn das ist ihr Tod.
        Wie Patrick hier seinen Schaffensprozess beschreibt, legt sehr nahe, dass es Kunst ist – seine Kunst. Sein Ausdruck dessen, was auch immer ihn ausmacht, bewegt.

      • Also Kunst ist ganz sicher nicht der schöpferische Prozess des Ausdrucks (des Werkschaffenden), denn was ausgedrückt wird, müsste sich damit eineindeutig aus dem Entstehungsprozess ergeben. Da das, was ausgedrückt wird, jedoch von dem abhängig ist, was der Eindruck ist, welchen der Rezipient konstatiert, ist völlig offensichtlich, dass sich der Kunstwert eines Werkes erst in der bewussten Reflexion des Rezipienten ergibt, und nicht etwa vorher. Irgendwelche Vorhaben in die Tat umzusetzen ist keine Kunst, das ist Handwerk im Sinne von Fertigkeit, und das gilt es unbedingt von der Kunst abzutrennen, ebenso wie man das, was sich der Autor dachte, als intersubjektiv von dem abzutrennen ist, was das Kunstwerk subjektiv zu sagen hat.

  4. Was mich irritiert ist der immer wieder einmal formulierte „Absolutheitsanspruch“ einiger Fotofreunde. Wenn ich fotografiere, mache ich das zunächst für mich und in das Foto fliessen neben formalen und inhaltlichen Aspekten ganz sicher sehr emotionale ein. Das Alles kann für einen Betrachter völlig ohne Belang oder „ganz schrecklich“ sein. Bei meiner (unserer) nächsten Ausstellung muss ich damit leben, das die Fotos eventuell missfallen. Aber die Meinung des Betrachters ist deshalb doch nicht falsch.

    • Ich denke, das hat vielleicht auch mit political correctness zu tun… Erst mal alles ganz subjektiv erläutern und bloß nicht geradeaus sagen, dass man etwas sch… findet, was um das nochmal zu betonen für diesen Beitrag gar nicht geht. Ich mag die Fotos einfach!

    • @ec – Genau mit dieser Haltung machst Du Kunst zu dem, was sie nie sein wollte und sollte – zu einer elitären, weil von selbsternannten „Kunstverständigen“ so erdachten, abgeschotteten Privatparty. Wenn der Künstler sich und sein Tun veröffentlichen will, ist das sein Ding – Kunst lebt aber nicht allein von Veröffentlichung. Schon die Wortwahl „Kunstwert“ widerspricht der Kunstidee. Du schneidest Menschen, die sich, ihr Empfinden, Denken, Fühlen per künstlerischem Prozess veräussern – ob mit oder ohne Publikum – mit einem „Kunstwerte“-System die Befähigung ab, genau das zu tun. Das ist zum einen paradox und Kunst-feindlich – es ist zudem arrogant.
      Kunst ist dieser Prozess des Ausdrucks – das Ergebnis ist Kunstwerk. Publikum ist letztlich nicht erforderlich. Dass Kunst „abhängig von dem ist, was der Rezipient konstatiert“, ist, bei allem Respekt, Unsinn.

      • Du hast offenbar nicht die Fähigkeit, Texte zu lesen und entsprechend zu verstehen, genauso wenig wie du die Fähigkeit besitzt, Argumentation zu betreiben, oder auch nur weißt, was im Rahmen von Argumentation gemeint ist, wenn von „Unsinn“ die Rede ist.

      • @ Rafael
        ein wirklich super-interessantes Thema und wieder einmal viel zu schade, um hier im offline-modus bewegt zu werden. Ich hoffe auf Marit, die sich dessen ja noch einmal annehmen wollte.
        Zum Inhalt nur noch folgendes:
        Schritt eins wäre – aus meiner Sicht – zuerst einmal die These, dass „Kunst“ eine eine Eigenschaft beschreiben sollte und nicht ein (elitäre) Qualität.
        Die Eigenschaft würde ich versuchsweise mal als „fruchtbar“ oder „weiterführend“ beschreiben. Das sind Kitsch und Kunsthandwerk nach meinem Verständnis eben nicht.
        „Weiterführend“ und oder „fruchtbar“ sollte Kunst sein im Hinblick auf Erkenntnisse über „das Wahre“, „das Schöne“ und „das Gute“.
        Leider – und das ist ein unbeliebter Gedanke – setzt die qualifizierte Betrachtung, Interpretation und abschließend auch Beurteilung von Kunst Kenntnisse und erworbene Fähigkeiten voraus, die wir nicht alle mit Muttermilch und auch nicht mit der Teilnahme am Schulunterricht erworben haben. Das reine Geschmacksurteil, „gefühlte Geschichten“, die angeblich erzählt werden und „Berührtsein“ sind zulässig und menschlich nett gemeint, ersetzen aber nach meiner Ansicht nicht eine gedankliche, analytische Beschäftigung mit den Eigenschaften, Stärken und Schwächen eines Kunstwerkes. Eine qualifizierte Kunstbetrachtung, wie ich sie meine, sollte die Gefühlsinhalte in Relation zu den objektivierbaren Inhalten setzen. Dafür gibt es , ebenso wie bei der Herstellung von Kunst keine Kochrezepte.
        Die Frage, ob diese (nur angefangene) Definition von Kunst nur einen Sender oder auch einen Empfänger braucht, kann ich jetzt und hier nicht weiterverfolgen, denke aber, dass man darüber in Ruhe weiterhin und gemeinsam reden sollte. Das ist schwierig, weil das ganze ein sensibles und weiches Thema ist, das es gar nicht verträgt, wenn der eine den anderen, wie hier geschehen, der Blödheit bezichtigt.
        Das ist im Internet aber offenbar kaum zu vermeiden und ich werde dann leider auch gerne mal emotional, auch wenn es falsch ist, amn ist ja nicht aus Holz.

        Ich hoffe, dass kwerfeldein uns allen bald Gelegenheit gibt, das wieder einmal aufzugreifen und vielleicht findet sich auch ein technischer Weg, ein derart umfangreiches Thema nicht nach 24 Stunden schon wieder im Archiv versacken zu lassen, so wie diesen Beitrag. Das (z.B.) wünsche ich mir seit ca 2 Jahren und nun für 2015.
        Grüße
        Andreas

    • Stimmt, Andreas – ich halte diese Kunst-Thematik aus verschiedenen Gründen auch für immens wichtig. Den mir dringlichsten Grund hatte ich schon zu beschreiben versucht: Es gibt sie tatsächlich, diese selbstherrliche „Elite“, die die Kunst für sich okkupiert hat und (wie oben schon beschrieben) Begrifflichkeiten wie Qualität und Quantität in einem Kunst-Kontext verwenden, wo sie definitiv nicht hingehören. Ich weiss, dass Beuys etwas anderes meinte, als er sagte, jeder Mensch sei ein Künstler, doch leihe ich mir den Satz hier mal aus. Wenn ich Kunst den sog. Experten überlasse – ob im kreativen Prozess oder in der Reflexion – dann schneide ich dem „kleinen Mann“ den Zugang zur und den Umgang mit der Kunst ab. Pervertiert wird das Ganze mit der Erschaffung eines Kunst-Marktes…
      Aber warten wir ab, ob Kwerfeldein sein Versprechen eines Tages einlöst.

      Zur Diskussionskultur: „Blödheit“ hatte niemand geschrieben, glaube ich. Ich hatte das Wort „Unsinn“ benutzt und meinte es im Wortsinne auch so. Ich habe nichts gegen deftige Auseinandersetzungen um`s Thema, wenn jedoch das Niveau mit persönlicher Anmache in den Keller getrieben wird, bin ich raus – da wird´s mir zu blöd und ich habe keinen Bock, Zeit zu verschwenden.

      Am Thema und einer fruchtbaren Diskussion dazu bin ich aber, wie gesagt, sehr interessiert.

  5. um mal mit mir selbst zu debattieren …..
    Was bei meinem versuchten Ansatz noch komplett fehlt ist vielleicht das „Faszinosum“ – also irgendetwas, das uns verzaubert, gefangen nimmt, auch nach allen Analysen und schlauen Betrachtungen nicht ruhen lässt und offen bleibt. Und dieses Faszinosum darf nicht auf einem wiederholbaren Trick oder eine Masche beruhen. Genau hier kommt nun ins Spiel, dass man dem Kunstbetrachter auch etwas Professionalität, Erfahrung und fachliche Bildung abverlangen muss.
    Das erinnert mich an folgenden Kalenderspruch:
    „Das Vergnügen kann auf der Illusion beruhen, doch das Glück beruht allein auf der Wahrheit“
    (N. Chamfort)

    Grüße
    Andreas V.