Nach dem Horizont greifen
Das „Shoot The Skies“-Projekt startete 2012 mit einer einfachen Idee: Ein 365-Tage-Projekt durchführen und daraus ein Buch machen, um das öffentliche Bewusstsein für Menschenhandel zu steigern. Die Profite aus dem Projekt wollte ich zu diesem Zweck komplett spenden.
Nach drei Monaten hatte ich einige Vorstellungsgespräche und musste das Projekt leider aus finanziellen Gründen aufgeben. Einen Monat später ergab sich die Gelegenheit, kostenlos nach Bulgarien zu fliegen, um Freiwilligenarbeit für die NGO „The A21 Campaign“ zu leisten. Diese NGO war der Grund, warum ich mich ursprünglich erst entschieden hatte, Geld sammeln zu wollen.
Da ich das Projekt stoppen musste, entschied ich mich dazu, stattdessen mit Arbeit und Zeit zu helfen. Einfach die eigene Zeit investieren und so einen Beitrag leisten. Als ich in Bulgarien war, warf mich allerdings ein Ereignis wieder aus der Bahn: Während ich in einem Dorf Fotos machte, versuchte ein Roma, mir sein sechs Monate altes Baby für 50 Dollar zu verkaufen.
In diesem Moment habe ich verstanden, dass ich gegen das Problem Menschenhandel einen größeren Beitrag zu leisten hatte und dass es immer noch die Gelegenheit gab, mit eigenen Bildern einen Unterschied zu machen. Das Baby war die Inspiration und sein Gesicht, das ich nie vergessen werde, half mir, das „Shoot The Skies“-Projekt doch noch durchzuziehen.
Also begann ich das Projekt am 1. Januar 2013 neu. Ich war die ersten Monate an der nordwestlichen Pazifikküste in Amerika unterwegs, aber ich wusste, dass ich so viel mehr reisen musste, um die besten Fotos zu machen. Deswegen habe ich mein Appartement in Seattle gekündigt, alles außer meiner Kamera verkauft und mein Leben in einen Koffer und ein altes Auto von 1988 gepackt.
Von April bis Dezember reiste ich durch die USA und durch Europa. Ich fuhr 12.000 Meilen, besuchte 20 Nationparks, elf Staaten, fünf Länder. Ich habe im Auto geschlafen, auf Couches und auf dem Boden bei Freunden und in ein paar Fällen auch bei Fremden übernachtet. Einmal, in der Wüste von Arizona, fing mein Auto Feuer und ein völlig Fremder bezahlte mir drei Tage Aufenthalt im Hotel, während es repariert wurde.
Die Reise war das Abenteuer meines Lebens und ich war in der Lage, in einem Jahr mehr Orte zu besuchen, als viele Menschen in ihrem ganzen Leben. Und ich habe es geschafft, alles zu fotografieren. Ich bezahlte die Reisen aus meiner eigenen Tasche und fotografiere unterwegs Hochzeiten und Portraits, um die Rechnungen zu bezahlen, die allerdings gering waren: Ich musste nur mein Telefon, Flugtickets und mein Essen bezahlen.
Fertig wurde ich mit „Shoot The Skies“ genau am 31. Dezember 2013 gegen 12 Uhr und fing sofort an, ein Video für die Crowdfunding-Kampagne zu drehen, um das Buch in Eigenregie veröffentlichen zu können. Am 1. Februar startete ich eine 60-Tage-Kampagne, um zu versuchen, 1.000 Exemplare des Buches mit 400 Seiten für jeweils 45 Dollar zu verkaufen.
In jedem Buch sollten alle 365 Bilder und die Geschichten dazu enthalten sein, jedes Exemplar signiert. Das Ziel waren 45.000 Dollar – alles oder nichts. Der Druck auf mich war damals extrem hoch. Ich verbrachte in der Zeit acht bis zwölf Stunden am Tag damit, Medien zu kontaktieren, Blogs, Fotografen, Bekannte und Familie. Am Ende hatte ich fast 1.800 Vorbestellungen und konnte 79.000 Dollar einsammeln.
Das Beste daran ist, dass ich über 50.000 Dollar von dem Geld direkt für die A21-Kampagne gesammelt habe. Dieses Geld wird dazu verwendet, Opfern von Menschenhandel überall auf der Welt zu helfen. Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte.
Ich hörte damit auf, das Buch weiter zu verkaufen und verbrachte zwei Monate mit Design und Schreiben. Ein Video über das Buchprojekt wurde gemacht, das ich auf Reddit postete und die Huffington Post wurde darauf aufmerksam. Sie schrieben einen Artikel über „Shoot The Skies“, veröffentlichten das Video und es bekam noch einmal mehr als 1 Million Views in vier Tagen.
Ich bekam so viele E-Mails zu dem Projekt, dass ich die Kampagne wieder aufmachen musste und weitere 20.000 Dollar in vier Tagen einnehmen konnte. Momentan stehe ich bei 98.000 Dollar, um das Buch zu publizieren – das Doppelte meines ursprünglichen Ziels. Jetzt kann ich 65.000 Dollar für die A21-Kampagne spenden und habe 2.200 Bücher in 30 Länder verkauft. Das Buch erscheint diesen Herbst.
Meine Bilder wurden alle mit der Fotostitching-Technik gemacht und in jedem Foto sind ungefähr 15 Bilder zusammengestitcht. Ich fotografierte alle Bilder in dem Projekt mit einer Nikon D300S (mit bereits 350k Auslösungen) und einer Sammlung von Nikon-Objektiven. Mein Equipment war minimalistisch, ich wartete einfach auf das beste Licht und reiste viel.
Fast jedes Foto wurde mit Blende f/8 oder mehr geschossen (außer die Sternenbilder) und ich fing mit „Photomerge“ in Photoshop an und merkte erst nach der Hälfte des Projektes, dass ich über 1000 Stunden Arbeit hätte sparen können, wenn ich sofort Auto Pano verwendet hätte. Vorher dauerte es vier bis sechs Stunden, jedes Bild fertigzustellen, aber mit Auto Pano konnte ich die Zeit auf ein bis zwei Stunden reduzieren. Nach der Fertigstellung des Stitchens benutzte ich Lightroom mit verschiedenen Plugins wie VSCO und Alien Skin Exposure.
Außer den großen Fotostitches ist es vor allem der Blickwinkel, der die Fotos auszeichnet. Ich kletterte oder versuchte, dorthin zu gehen, wo noch niemand war, ich kletterte die Aurora Brücke in Seattle in der Mitte runter und machte daraus ein 40-Bilder-Panorama (180° in beide Richtungen).
Ich stand am Rand der Yosemite Falls in 2.500 Feet Höhe, bin auf den Buzludzha in Bulgarien geklettert, war die ganze Nacht draußen in den Bergen, fand die versteckten Wälder der Titanen in den Redwoods, kletterte über Zäune und Bäume und begab mich zu oft in Gefahr, um es zu zählen.
Ich mag das Adrenalin, aber was ich herausfand, war, dass ich ein Foto manchmal zu sehr mochte wegen der Arbeit und nicht wegen des Ergebnisses. Einige Bilder hätte ich vielleicht nicht veröffentlichen sollen, aber ich mochte die Entstehungsgeschichte – eine schwierige Gratwanderung. Das ist einer der Kämpfe, den jeder Fotograf mit sich austragen muss, aber es gehört mit zum Abenteuer Fotografie. Und ich mag das Abenteuer!
Ein 365-Tage-Projekt ist schon eine Herausforderung, aber Bilder zu machen, auf die man stolz sein kann und die auch zu einem Buch werden können, das erhöht noch mal die Schwierigkeit. Jedenfalls war die Herausforderung sehr motivierend und sorgte dafür, dass ich mich noch mehr in Fotografie generell verliebte, weil mir klar wurde, das etwas so Einfaches wie ein Foto extrem viel erreichen kann.
Die Bilder in „Shoot The Skies“ repräsentieren etwas, das wir alle tun können, um die Welt besser zu machen. Wir haben alle eine Stimme und meine ist die Fotografie. Ich will kein Schulterklopfen, aber ich will Menschen inspirieren, etwas zurückzugeben, egal, wie viel man hat. Das Projekt startete mit nichts, ich war ein obdachloser Fotograf, der in seinem Auto lebte, mit einer alten und abgenutzten Kamera fotografierte und der eine verrückte Idee hatte.
Jetzt, zwei Jahre später, habe ich fast 100.000 Dollar gesammelt und ein Buch mit meinen Bildern trägt ein Stückchen dazu bei, moderne Sklaverei zu bekämpfen. Jetzt seid Ihr dran: Geht raus und macht die Welt zu einem besseren Ort mit einer Leidenschaft, die Ihr habt.
Anmerkung der Redaktion: Das Buch zum Projekt „Shoot the Skies“ kann auf der Projektwebseite zum Preis von 50 USD via Paypal weiterhin vorbestellt werden.
Dieser Artikel wurde für Euch von Sebastian Baumer aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.