Eine Berglandschaft
18. September 2014 Lesezeit: ~8 Minuten

Nach dem Horizont greifen

Das „Shoot The Skies“-Projekt startete 2012 mit einer einfachen Idee: Ein 365-Tage-Projekt durchführen und daraus ein Buch machen, um das öffentliche Bewusstsein für Menschenhandel zu steigern. Die Profite aus dem Projekt wollte ich zu diesem Zweck komplett spenden.

Eine Schneelandschaft mit beeindruckenden Wolken

Nach drei Monaten hatte ich einige Vorstellungsgespräche und musste das Projekt leider aus finanziellen Gründen aufgeben. Einen Monat später ergab sich die Gelegenheit, kostenlos nach Bulgarien zu fliegen, um Freiwilligenarbeit für die NGO „The A21 Campaign“ zu leisten. Diese NGO war der Grund, warum ich mich ursprünglich erst entschieden hatte, Geld sammeln zu wollen.

Da ich das Projekt stoppen musste, entschied ich mich dazu, stattdessen mit Arbeit und Zeit zu helfen. Einfach die eigene Zeit investieren und so einen Beitrag leisten. Als ich in Bulgarien war, warf mich allerdings ein Ereignis wieder aus der Bahn: Während ich in einem Dorf Fotos machte, versuchte ein Roma, mir sein sechs Monate altes Baby für 50 Dollar zu verkaufen.

Ein gigantischer roter Fels

In diesem Moment habe ich verstanden, dass ich gegen das Problem Menschenhandel einen größeren Beitrag zu leisten hatte und dass es immer noch die Gelegenheit gab, mit eigenen Bildern einen Unterschied zu machen. Das Baby war die Inspiration und sein Gesicht, das ich nie vergessen werde, half mir, das „Shoot The Skies“-Projekt doch noch durchzuziehen.

Eine Schlucht in Schwarzweiß

Also begann ich das Projekt am 1. Januar 2013 neu. Ich war die ersten Monate an der nordwestlichen Pazifikküste in Amerika unterwegs, aber ich wusste, dass ich so viel mehr reisen musste, um die besten Fotos zu machen. Deswegen habe ich mein Appartement in Seattle gekündigt, alles außer meiner Kamera verkauft und mein Leben in einen Koffer und ein altes Auto von 1988 gepackt.

Von April bis Dezember reiste ich durch die USA und durch Europa. Ich fuhr 12.000 Meilen, besuchte 20 Nationparks, elf Staaten, fünf Länder. Ich habe im Auto geschlafen, auf Couches und auf dem Boden bei Freunden und in ein paar Fällen auch bei Fremden übernachtet. Einmal, in der Wüste von Arizona, fing mein Auto Feuer und ein völlig Fremder bezahlte mir drei Tage Aufenthalt im Hotel, während es repariert wurde.

Blitze über einem Berg und einem Kornfeld

Die Reise war das Abenteuer meines Lebens und ich war in der Lage, in einem Jahr mehr Orte zu besuchen, als viele Menschen in ihrem ganzen Leben. Und ich habe es geschafft, alles zu fotografieren. Ich bezahlte die Reisen aus meiner eigenen Tasche und fotografiere unterwegs Hochzeiten und Portraits, um die Rechnungen zu bezahlen, die allerdings gering waren: Ich musste nur mein Telefon, Flugtickets und mein Essen bezahlen.

Die Milchstraße über einem Berggipfel

Fertig wurde ich mit „Shoot The Skies“ genau am 31. Dezember 2013 gegen 12 Uhr und fing sofort an, ein Video für die Crowdfunding-Kampagne zu drehen, um das Buch in Eigenregie veröffentlichen zu können. Am 1. Februar startete ich eine 60-Tage-Kampagne, um zu versuchen, 1.000 Exemplare des Buches mit 400 Seiten für jeweils 45 Dollar zu verkaufen.

In jedem Buch sollten alle 365 Bilder und die Geschichten dazu enthalten sein, jedes Exemplar signiert. Das Ziel waren 45.000 Dollar – alles oder nichts. Der Druck auf mich war damals extrem hoch. Ich verbrachte in der Zeit acht bis zwölf Stunden am Tag damit, Medien zu kontaktieren, Blogs, Fotografen, Bekannte und Familie. Am Ende hatte ich fast 1.800 Vorbestellungen und konnte 79.000 Dollar einsammeln.

Ein Canyon aus rotem Stein

Das Beste daran ist, dass ich über 50.000 Dollar von dem Geld direkt für die A21-Kampagne gesammelt habe. Dieses Geld wird dazu verwendet, Opfern von Menschenhandel überall auf der Welt zu helfen. Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte.

Ich hörte damit auf, das Buch weiter zu verkaufen und verbrachte zwei Monate mit Design und Schreiben. Ein Video über das Buchprojekt wurde gemacht, das ich auf Reddit postete und die Huffington Post wurde darauf aufmerksam. Sie schrieben einen Artikel über „Shoot The Skies“, veröffentlichten das Video und es bekam noch einmal mehr als 1 Million Views in vier Tagen.

Ich bekam so viele E-Mails zu dem Projekt, dass ich die Kampagne wieder aufmachen musste und weitere 20.000 Dollar in vier Tagen einnehmen konnte. Momentan stehe ich bei 98.000 Dollar, um das Buch zu publizieren – das Doppelte meines ursprünglichen Ziels. Jetzt kann ich 65.000 Dollar für die A21-Kampagne spenden und habe 2.200 Bücher in 30 Länder verkauft. Das Buch erscheint diesen Herbst.

Die Milchstraße über einem Gipfel

Meine Bilder wurden alle mit der Fotostitching-Technik gemacht und in jedem Foto sind ungefähr 15 Bilder zusammengestitcht. Ich fotografierte alle Bilder in dem Projekt mit einer Nikon D300S (mit bereits 350k Auslösungen) und einer Sammlung von Nikon-Objektiven. Mein Equipment war minimalistisch, ich wartete einfach auf das beste Licht und reiste viel.

Fast jedes Foto wurde mit Blende f/8 oder mehr geschossen (außer die Sternenbilder) und ich fing mit „Photomerge“ in Photoshop an und merkte erst nach der Hälfte des Projektes, dass ich über 1000 Stunden Arbeit hätte sparen können, wenn ich sofort Auto Pano verwendet hätte. Vorher dauerte es vier bis sechs Stunden, jedes Bild fertigzustellen, aber mit Auto Pano konnte ich die Zeit auf ein bis zwei Stunden reduzieren. Nach der Fertigstellung des Stitchens benutzte ich Lightroom mit verschiedenen Plugins wie VSCO und Alien Skin Exposure.

Eine Bergkette über einem See

Außer den großen Fotostitches ist es vor allem der Blickwinkel, der die Fotos auszeichnet. Ich kletterte oder versuchte, dorthin zu gehen, wo noch niemand war, ich kletterte die Aurora Brücke in Seattle in der Mitte runter und machte daraus ein 40-Bilder-Panorama (180° in beide Richtungen).

Ich stand am Rand der Yosemite Falls in 2.500 Feet Höhe, bin auf den Buzludzha in Bulgarien geklettert, war die ganze Nacht draußen in den Bergen, fand die versteckten Wälder der Titanen in den Redwoods, kletterte über Zäune und Bäume und begab mich zu oft in Gefahr, um es zu zählen.

Ich mag das Adrenalin, aber was ich herausfand, war, dass ich ein Foto manchmal zu sehr mochte wegen der Arbeit und nicht wegen des Ergebnisses. Einige Bilder hätte ich vielleicht nicht veröffentlichen sollen, aber ich mochte die Entstehungsgeschichte – eine schwierige Gratwanderung. Das ist einer der Kämpfe, den jeder Fotograf mit sich austragen muss, aber es gehört mit zum Abenteuer Fotografie. Und ich mag das Abenteuer!

Ein verscheiter Berggipfel

Ein 365-Tage-Projekt ist schon eine Herausforderung, aber Bilder zu machen, auf die man stolz sein kann und die auch zu einem Buch werden können, das erhöht noch mal die Schwierigkeit. Jedenfalls war die Herausforderung sehr motivierend und sorgte dafür, dass ich mich noch mehr in Fotografie generell verliebte, weil mir klar wurde, das etwas so Einfaches wie ein Foto extrem viel erreichen kann.

Die Bilder in „Shoot The Skies“ repräsentieren etwas, das wir alle tun können, um die Welt besser zu machen. Wir haben alle eine Stimme und meine ist die Fotografie. Ich will kein Schulterklopfen, aber ich will Menschen inspirieren, etwas zurückzugeben, egal, wie viel man hat. Das Projekt startete mit nichts, ich war ein obdachloser Fotograf, der in seinem Auto lebte, mit einer alten und abgenutzten Kamera fotografierte und der eine verrückte Idee hatte.

Steilküsten in Irland

Jetzt, zwei Jahre später, habe ich fast 100.000 Dollar gesammelt und ein Buch mit meinen Bildern trägt ein Stückchen dazu bei, moderne Sklaverei zu bekämpfen. Jetzt seid Ihr dran: Geht raus und macht die Welt zu einem besseren Ort mit einer Leidenschaft, die Ihr habt.

Anmerkung der Redaktion: Das Buch zum Projekt „Shoot the Skies“ kann auf der Projektwebseite zum Preis von 50 USD via Paypal weiterhin vorbestellt werden.

Dieser Artikel wurde für Euch von Sebastian Baumer aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

20 Kommentare

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      • Dazu noch eine Ergänzung: Ich bin beim Korrekturlesen auch über den Begriff gestolpert. Allerdings ist das Problem, dass das entsprechende Wort „Gypsy“ im Englischen meist ohne negative Konnotation verwendet wird und dann schwierig zu übersetzen ist, wenn die genaue Volksgruppe nicht aus dem Kontext ersichtlich ist. Hätte ich geahnt, dass ich die Information auf der Projektwebseite finde, wär’s klar gewesen. :)

  1. „Meine Bilder wurden alle mit der Fotostitching-Technik gemacht und in jedem Foto sind ungefähr 15 Bilder zusammengestitcht.“
    Na toll! Und jetzt??? Weniger ist halt manchmal doch mehr!
    Ich verstehe nicht, wieso „man“ die Natur nicht auch ruhig, leise und mit Gefühl darstellen kann. Gerade in diesem Genre wird zumeist laut und knallig gearbeitet; da wird aus den Computern und aus PS alles rausgeholt, was geht.
    Sorry, aber mich würden diese Fotos in keinem einzigen Fall dazu animieren, dorthin zu fahren!

    • Ich vermute schwer, dass es ihm bei dem Stichen darum ging, eine einzigartige Perspektive auf die Landschaften zu zeigen, die er von den jeweiligen Standpunkten so nicht erreicht hätte mit einem Ausschnitt. Das ist meistens der Grund für Panoramas und Stiches.

      Übermäßig bearbeitet finde ich die Bilder übrigens nicht, da gibts gerade im Bereich Landscape *deutlich* schlimmere Fälle :).

    • Finny, geht es in dem Projekt darum das Verborgene Sichtbar zu machen…?
      In der Photographie ist es die Technik….im Menschenhandel das Projekt.

      Die M
      achart der Bilder zu diskutieren ….bei solch einem Projekt Hintergrund ?

      Bitte sei nicht so deutsch !…….

      Danke

      Reiner Huss

  2. 5, 7 und 9 sind meine Favoriten und es drängt mich dazu mehr von ihm zu sehen. Danke an Kwerfeldein für diesen Artikel, da steckt Arbeit drin, wie in den Fotos auch.

    Ich finde es interessant wie hier auf diesen Artikel reagiert wird. Auf die Schönheit der Natur, Arbeit und Erfolg reagieren die Menschen scheinbar weitaus negativer als ich angenommen habe. Ziehen sich nur einzelne Worte heraus, die ihrer Meinung nach in diesem Artikel falsch sind und rufen sehr laut „Neid“ ohne es zu bemerken. Was ist passiert? Warum so viele dunkle Wolken?

  3. Danke Kwerfeldein! Ich freue mich riesig über diesen Artikel, denn dieses Projekt besteht nicht nur aus „schönen Fotos“ (die meiner Meinung nach großarig, und wenigstens für mich eine Bereicherung, sind!!), es ist ehr die Botschaft dahinter, die zum diskutieren anregen soll! Und das, da bin ich mir sicher, ist Tanners Anliegen! Ich bin schon voll der Vorfreude auf das Buch und helfe im gleichen Zug beim Kampf gegen Menschenhandel. Ich hoffe das der Artikel nicht nur berührt sondern gleichermaßen inspiriert. Danke nochmal!

  4. Wie, danke für diesen tollen Artikel! Fand es sehr interessant zu lesen wie es ein Mensch geschafft hat sowas großartiges auf die Beine zu stellen. Wie man die Bilder darstellt ist Geschmacksache. Mir gefallen sie. 2,7,9 sind meine Favoriten.

    Zu den anderen Kommentaren kann ich Sabine nur zu stimmen. Mich verwundert es auch wieviele negativ auf den Erfolg eines einzelnen reagieren. Geht raus und macht es besser!

    • Wieso „wieviele negativ … reagieren“?
      Wenn ich die Antworten hier so lese, dürfte ich doch wohl der einzige sein?!
      Und: ich habe nicht gesagt, dass der Text oder das dahinterstehende Projekt schlecht ist. Aber andersherum muss ich doch die Bilder nicht toll finden, nur weil eine sympathische Idee dahintersteckt.
      Für mich! scheinen die Bilder einfach zu künstlich zu sein.
      Sorry dafür!

  5. Mal ganz davon abgesehen wie die Fotos produziert wurden, fuer mich geht es hier hauptsaechlich um den Grund warum er es tat.

    Human trafficking ist so ziemlich die dunkelste Seite der Menschheit und jeder von uns sollte mal in sich selber schauen ob da nicht etwas zu finden ist, was anderen helfen koennte, anstelle immer nur davon zu sprechen. Jemand der $100,00 doller einnimmt um modernen Sklaven zu helfen findet immer mein Wohlwollen.

    Danke Tanner fuer Deine Inniative.

  6. Einfach klasse die Aktion. Vor allem find ich es beeindruckend, alles hinter sich zu lassen und mit dem Auto ein Jahr umherzureisen. Sowas muss man erst mal machen.

    Dass die Bilder dann auch toll geworden sind ist klasse. Ich glaube viele würden sowas gerne Mal machen…aber die wenigsten können es eben realisieren.

  7. Ich kann auf den Photos weder Menschenhändler, noch verschleppte Menschen erkennen. Wäre interessanter gewesen, als diese ewig gleichen Landschaftsbilder die neben den possierlichen Tierbildern die Photoforen verstopfen.

  8. Blogartikel dazu: Weekly Leseempfehlung vom 19. September 2014 | off the record

  9. Ich habe zwar nie mein Buch bekommen durch die Schwierigkeiten des lieferns nach Australien, bereue aber nicht das ich Geld beigesteuert habe als Kickstarter. Ich wuerde dies immer wieder tun, denn das Human trafficking ist wohl die dunkelste Seite der Menschheit.

    Meine Seele schreit das die Taeter aufhoeren, die Benutzer Teil der Kriminalität sind und Oper bereit werden.

    Ben Zornes producierte einen dramatischen Brief der Die Wahrheit der Sex Industry hervorstellt.

    Zwar in English aber unglaublich gut. Vielleicht kann jemand dies mal uebersetzen.

    “Dear World,

    Allow me to introduce myself. I am the Sex Industry. You all know me from my best-selling products which have been produced in my factories in Hollywood, Nashville, Paris, Bangkok and several other lovely locations. My endorsements range from political elites, sports heroes, film/media personalities, music divas, that whole 50 shades of grey thing, and of course, the many tenured professors who endlessly sing my praise….

    Let me cut to the chase. I am big business . . . and I have a proposal for you. There are two stipulations to which you must agree. Should you agree to the terms I will compensate you handsomely . . . an annual salary of $57 billion to start with; however, projection models show that very likely that salary will rise quickly and sharply.

    Here is all I require of you: first, you only need to give me your daughters and allow me to use them as merchandise. Secondly, let me use your sons as consumers of the merchandise you’ve given (formerly known as your daughters, but from here on, merely known as “wares”). I want your sons to consume these “wares,” for this is how I drive my whole business model! Daughters converted into wares, sons converted to consumers. Oh, and your sons have already indicated that they are very interested in this arrangement (though it converts them from being producers into consumers, or put another way changes them from men to beasts). Studies show that 80-90% of your college-aged sons are already converting to consumers, and some of your sons are converting as young as 11. It’s brilliant I know! Thus, far you haven’t complained much about this arrangement, so I’m assuming you amenable to joining me in this little business deal? I can’t wait to hear back from you . Yours truly, The Sex Industry”

    Martina Pook
    http://www.martinasclassesgoldcoast.com