Titelbild: Eng umschlungen liegen zwei Frauen auf der Couch.
25. Mai 2014

Auf der Schwelle – Leben im Frauenhaus

Als ich in der Wikipedia unter deutschen Straßenfotografen die dort aufgeführte Brigitte Kraemer entdeckt und ihre Webseite durchgesehen hatte, war ich neugierig. Zum einen gibt es in Deutschland sehr wenige Straßenfotografen, zum anderen sind Frauen leider eine Seltenheit im Genre.

So bestellte ich mir „Mann und Auto“* und nahm, beeindruckt von den Aufnahmen des Bandes, telefonischen Kontakt mit der Fotografin auf. Es stellte sich heraus, dass sie gerade ein neues Buch veröffentlicht hatte. Wir einigten uns darauf, hier einige Bilder aus der Serie zu veröffentlichen. Es handelt sich dabei um Aufnahmen aus einem Frauenhaus, die Brigitte Kraemer seit den 80ern mit ihrer Leica M6 auf Schwarzweiß-Film erstellt hatte.

Nun, nicht jeder weiß, was ein Frauenhaus ist. Aus dem Wort geht hervor, dass es sich um einen Ort für oder von Frauen handelt. In der Tat ist ein Frauenhaus dafür bestimmt, Schutz suchende und oft unter Gewalt von Männern leidende Frauen aufzunehmen und ihnen sowohl Wohn- als auch Zufluchtsort zu sein. Es handelt sich also um eine Welt, die der Öffentlichkeit aus gutem Grund nicht zugänglich ist.

Somit ist es eine Besonderheit, dass Brigitte Kraemer es geschafft hat, dennoch Aufnahmen vom Leben im Frauenhaus zu machen und diese zu veröffentlichen. So bietet sie Einblick in den sehr privaten Bereich der Frauen, den sie ihr geöffnet haben, um die Umsetzung eines solchen Vorhabens möglich zu machen.

Zwei Frauen umarmen sich gegenseitig.

Kinder und Erwachsene in der Küche.

Szene mit Wunderkerzen.

Eine Frau steht mit ihrem Kind am Fenster, neben ihr dreht sich ein zweites im Vorhang.

Kinder toben im Zimmer.

Zwei Frauen liegen nebeneinander im Bett.

Zwei Jungs schauen gemeinsam zum Fenster hinaus.

Tanszene draußen.

Eine Frau liegt auf einem Herd.

Ein Mädchen, dem die Haare elektrisiert zu Berge stehen, lacht in die Kamera.

In ihrer Danksagung auf der letzten Seite des Buches berichtet Kraemer über ihren fotografischen Prozess Folgendes:

Ich habe keine fertigen Bilder im Kopf, ich bin dabei, schaue und eine Situation entwickelt sich. Und dann entstehen Kompositionen, die etwas erzählen vom Leben der Menschen.

Weiter beschreibt sie, wie wichtig ihr die Schicksale der Frauen waren und immmer noch sind, denn die Kontakte zu den ehemaligen Mitarbeiterinnen und Bewohnerinnen hätten sie Jahrzehnte begleitet. Damals wie heute sei sie erstaunt darüber, was Machtausübung bewirken kann.

Ihr ganz persönlicher Dank gelte den Frauen und ihren Kindern. Sie hätten ihr Vertrauen geschenkt und ihre Geschichten erzählt. Ihrem Mut, sich ihrer eigenen Situation zu stellen und sich zu öffnen, ist es zu verdanken, dass die Fotografin die Frauen ein Stück ihres Weges begleiten durfte.

Entstanden ist dadurch ein Projekt, das seit April in Buchform* erhältlich und im Klartext-Verlag erschienen ist. Ich möchte es uneingeschränkt empfehlen, da es mir einen tiefen und bewegenden Einblick in das Leben der Frauen gewährt hat.

Nachdem ich nun diesen Artikel fertig geschrieben habe, geht für mich die Beschäftigung mit der sensiblen Thematik vorerst zu Ende. Die Bilder der Frauen und Kinder haben mich jedoch insofern berührt, als dass ich sie so schnell nicht vergessen werde.

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