Die einfachen Dinge
Wenn ich Fotos von mir selbst mache, ist es in erster Linie immer etwas sehr Persönliches und ich realisiere gar nicht richtig, dass das Bild später weitere Menschen sehen werden, die vielleicht gar nicht wissen, wie sie es verstehen oder was sie nun von mir halten sollen. Bin ich denn nicht eingebildet oder gar egozentrisch, wenn ich mich als Objekt meiner Kunst nehme und sich in diesen Fotos alles um mich dreht?
Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt, denn an manchen Tagen bin ich derart von Selbstzweifeln besessen, dass ich jegliche Art von Beschäftigung mit meiner Person als Egozentrik werte.
Doch bei genauerem Betrachten kam ich zu dem Schluss, dass es gesund ist, sich mit sich selbst und seinen Gedanken zu beschäftigen und natürlich noch besser, wenn in diesem Prozess auch noch Kunst entsteht.
Zumindest habe ich mich aus jenen Gründen im letzten Sommer dazu entschlossen, ein Selbstportrait-Projekt anzugehen, das sich über 52 Wochen zieht. Ich wollte mich fotografisch, aber auch persönlich weiterentwickeln, da sich gerade viel in meinem Leben getan hatte und ich dies auch als eine Art Neuanfang sah.
Im Laufe des Projekts kam ich immer öfter auf das Einfachste zurück, was ich besitze: Die Rückseite meines Reflektors oder der Eingang unserer Scheune, alles, was einen schwarzen Hintergrund zauberte. Manchmal aus Zeit- oder Ideenmangel, aber meistens, da mich der Minimalismus reizte, daraus noch einmal etwas völlig Neues zu schaffen. Unbewusst entstanden diese Bilder so, dass sie theoretisch auch eine Serie bilden könnten.
Zwei dieser Bilder sind von Daniele Buetti inspiriert, einem Schweizer Künstler, der in den 90ern mit seinen „Leuchtkästen“-Manipulationen von Bildern berühmter Modelle bekannt wurde. Als ich diese Bilder zum ersten Mal sah, war ich sofort gefesselt von ihrer Einzigartigkeit.
Die Idee, die Umsetzung, die Nachricht an den Betrachter, alles war so unvergleichbar einmalig und brillant. Man merkt sofort, dass ich große Bewunderung für seine Arbeiten hege, sodass sie mir auch lange nicht aus dem Kopf gingen, bis ich entschied, einfach eine eigene Version, sozusagen als Widmung, zu schaffen.
Bei diesen Bildern geschah erst während der Bearbeitung der nötige Schritt, der sie für mich zu einem persönlichen Werk machte und womit sie für mich nun auch an emotionalem Wert gewannen.
Jeder einzelne der Punkte wurde von der Spitze meines Grafiktablett-Stiftes an seine Stelle gesetzt. Diese Prozedur war unglaublich zeitintensiv, doch mochte ich die Zeit, die ich damit verbrachte. Begleitet von den Klängen meiner Lieblingsmusik hatte die Beschäftigung mit etwas so grundlegend Einfachem beinahe schon etwas Rhythmisches und Entspannendes.
Das nächste Bild wäre beinahe nicht entstanden, da ich schon komplett verzweifelt und kurz davor war, aufzugeben. Ich war sowieso nicht bester Laune, was das Endresultat, meiner Ansicht nach, auch wiedergibt. Ich habe mich dann aber zusammengerissen und noch mal von vorn angefangen.
Jedes Dreieck ausgewählt, ausgeschnitten, kopiert und an seinen Platz gebracht. Es war einfach einer dieser Tage, an denen man das Gefühl hat, sich aufzulösen in all dem Stress, der einen umgibt. Und mit diesem Gefühl entstand auch die Idee und ihre Umsetzung.
Mir fällt erst beim Schreiben dieses Artikels auf, dass viele meiner Selbstportraits aus Traurigkeit oder Verzweiflung entstehen. Bei dem nächsten Foto reichten sie soweit, dass ich mich am liebsten wie ein Stück Papier zerrissen und die Fetzen durch die Luft geworfen hätte. Glücklicherweise habe ich mich stattdessen einfach an ein Foto gesetzt, das es, zumindest bildlich, für mich tut.
Das letzte Bild, „the first snow“, entstand einfach nur spontan, da der erste Schnee im letzten Winter schon im Oktober fiel und ich natürlich in Euphorie über diese ungewöhnliche Wettererscheinung unbedingt ein Foto in ihm machen wollte. Leider blieb er aber nicht liegen und ich musste mit Photoshop improvisieren.
Rückblickend kann ich diese sechs Schwarzweiß-Bilder am ehesten unter folgendem Satz zusammenfassen: Manchmal sind es eben doch die einfachen Dinge, die das meiste bedeuten.
Hallo
Man sollte alles so einfach wie möglich sehen – aber auch nicht einfacher, meinte Einstein mal…
Recht hat er…und in diesem Sinne haben mich auch Deine Bilder angesprochen. Alles andere als EINFACH, sind sie hoch emotional, intensiv und schön anzusehen:-)
Dank Dir
Stefan
Spiegeln denn unsere Bilder nicht immer unsere Wünsche, Sehnsüchte, Interessen … einfach unsere Persönlichkeit wider? Ist es nicht egal, ob wir dabei auf dem Bild zu sehen sind, oder nicht? Selbstporträts sind eine Ausdrucksform. „Egozentrik“ klingt immer so negativ, dabei ist dieser Begriff in den wenigsten Fällen berechtigt.
Mir gefallen die Bilder auch sehr gut. Sehr intensiv in ihrer Wirkung.
Weniger ist mehr. „Das Einfache ist nicht immer das Beste. Aber das Beste ist immer einfach.“ (Heinrich Tessenow). Eine sehr schöne authentische Selbstporträtserie …
Mir gefaellt die Serie auch, besonders die „Extras“ die du digital hinzugefuegt hast geben dem ganzen so einen besonderen Stil zwischen Fotografie und Illustration, was wie ich finde der Atmosphaere das Kroenchen aufsetzt :)
Das sind wirklich gelungene Potraits!
Es hat sehr viel Spaß gemacht deinen Text zu lesen!
Vielen Dank für diese Möglichkeit. Ich wünsche dir weiterhin gutes Gelingen!
Liebe Grüße,
Wolle
Selbstportraits sind sicherlich nichts egozentrisches sondern auch eine Form der Fotografie und der Kunst. Gerade wenn wie bei deinen Bildern in der Bearbeitung ja auch noch eine weitere Deutungsebene hinzu kommt.
Wirklich sehr schöne und gelungene Bilder.
Davon ab gefällt mir deine „einfache“ Herangehensweise mit den Schwarzen Hintergründen. Habe jetzt jedenfalls durchaus Lust bekommen bei meinen nächsten Portraits auch mal die Schwarzseite meine Reflektors zu nutzen. Von daher einfach mal danke für diese kleine Inspiration.